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Wie können Bildungsdefizite behoben werden?
Corona-Schuljahre

Die Corona-Pandemie hat den Schulalltag erheblich beeinträchtigt. In Zeiten von Distanzlernen und Distanzunterricht ist es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass sich die Einschränkungen nicht nachhaltig in den Bildungsbiographien unserer Kinder und Jugendlichen niederschlagen. Ein Blick nach Augsburg und Passau könnte die Lösung aufzeigen.

  • Abgesehen von Abschluss- und Übertrittsklassen: Wie geht es weiter für die Bildungsbiographien unserer Kinder?
  • Mehr Geld für Bildung
  • Summerschool und Förderunterricht

In der Bildungspolitik ist es bekanntlich nicht leicht, es allen recht zu machen. Lehrer-, Schüler- und Elternverbände stellen gerade in diesen Pandemie-Zeiten so viele Forderungen an die politisch Verantwortlichen wie selten zuvor. Dabei könnten die Wünsche kaum unterschiedlicher ausfallen, wie das seit jeher umstrittene Thema Übertritt in weiterführende Schulen zeigt. Hier fordert die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, beim Übertritt in die Weiterführenden Schulen eine „Stärkung des Elternwillens“, also, dass in Corona-Zeiten die Eltern den Übertritt ihres Kindes an eine Realschule oder ein Gymnasium selbst entscheiden sollen. Der Bayerische Realschullehrerverband (brlv) sieht das  anders. Dessen Vorsitzender Jürgen Böhm fordert in einer Pressemitteilung: „Der Übertritt an eine weiterführende Schule muss weiter auf Leistungskriterien aufbauen. Diese sind wichtig für den Übertritt und können angepasst auch in Corona-Zeiten festgestellt werden. Es darf hier keine bildungsideologischen Spielchen geben, die unter dem Deckmäntelchen der Pandemiebewältigung laufen.“

Junge Frau sitzt vor ihrem Laptop auf einem Stapel Bücher. Isoliert.

Im Bildungsbereich verschärft die Corona-Pandemie bereits bestehende Probleme.

Vadmary; HSS; IStock

Es geht also um die grundsätzlichen Fragen: Was haben die Schüler im vergangenen Schuljahr gelernt? Ist es ausreichend, um die nächste Jahrgangsstufe bestehen zu können? Reichen einzelne (kleine) Nachholprogramme? Sind die Abschlüsse jenen aus der Vor-Corona-Zeit ebenbürtig?

Vielerorts war es nicht möglich, die Lehrpläne in Gänze zu erfüllen. Bedingt durch Unterrichtsausfall und Distanzunterricht, also Unterricht via Internetplattformen, sowie Distanzlernen, selbstständiges Lernen am PC, war es vielen Lehrern aus technischen Gründen nicht möglich, die Schüler in der gebotenen Tiefe und zeitlichen Länge zu unterrichten. Dennoch betonen Bildungspolitiker und Pädagogen, wie wichtig es ist, Leistungsnachweise nicht pauschal zu vereinfachen, sondern gegebenenfalls moderat anzupassen. Wie sonst sollte man mit den Bildungsbiographien von Schülern und Studierenden umgehen, soll ihnen nicht ein Corona-Makel anhaften? Mit berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang, dass viele Abschlussprüfungen verschoben wurden, um den Schülern mehr Zeit für die Prüfungsvorbereitung zu geben.

Abgesehen von Abschluss- und Übertrittsklassen: Wie geht es weiter für die Bildungsbiographien unserer Kinder?

Unbestritten ist die Tatsache, dass durch die Einschränkungen der letzten Monate vor allem diejenigen Schüler, die eine intensivere pädagogische Betreuung brauchen, nun besonders berücksichtigt werden müssen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte der Deutschen Presseagentur: „Viele Kinder und Jugendliche werden zukünftig begleitende Förderangebote etwa in Form zusätzlichen Nachmittagsunterrichts oder digitaler Nachhilfe brauchen.“

Wichtig sei nun, so schnell wie möglich Erhebungen über das Lernniveau durchzuführen, um zu wissen, wo Nachhilfeprogramme ansetzen sollen. Im Bildungsbereich – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – scheint die Corona-Pandemie bereits vorhandene Entwicklungen zu verschärfen und zu beschleunigen.

Mehr Geld für Bildung

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einem unlängst veröffentlichten Studienbericht darauf hingewiesen, dass die Zahl der Schulabbrecher bereits vor Ausbruch der Pandemie deutlich gestiegen ist. Laut der Studie leiden insbesondere Kinder aus bildungsfernen Haushalten und Kinder mit Migrationshintergrund unter den Schulschließungen. Insgesamt, so schätzen die Bildungsforscher des IW, werden deutschlandweit etwa 1,5 Millionen Schüler besonderen Förderungsbedarf haben. Setzt man jeweils etwa 100 Förderstunden an, um den Lernstoff in Zeiten von Schulschließungen nachzuholen, ergibt sich ein finanzieller Aufwand von zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro, rechnet das Institut vor, und befindet: „Gut angelegtes Geld, um die Verschärfung der Ungleichheit der Bildungschancen und deutlich größere Folgekosten zu vermeiden.“

Lehrerverbandspräsident Meidinger geht indes sogar von einer Summe von zwei Milliarden Euro aus, die in den kommenden beiden Jahren zusätzlich in die Bildung fließen sollten, etwa für zusätzlichen Nachmittagsunterricht und digitale Nachhilfestunden. Er rechnet damit, dass ein Großteil der Schüler die Defizite rasch aufholen kann.

Daher ist es nur konsequent, dass sich die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag beim Bildungshaushalt 2021 in Höhe von insgesamt 14,1 Milliarden Euro besonders für mehr Personal und bessere IT-Ausstattung einsetzt. Prof. Dr. Gerhard Waschler, der bildungspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, erklärt dazu: „Wir machen unsere Schulen fit für Zukunft! Allein in diesem Jahr schaffen wir 1.525 neue Stellen an unseren Schulen. So können wir die Unterrichtsversorgung weiter verbessern und die Schulleitungen durch zusätzliche Verwaltungskräfte entlasten. Zudem investieren wir in die BayernCloud Schule und stärken die IT-Administration.“ Prof. Dr. Waschler ist überzeugt: „Der Bildungshaushalt ist ein starkes Signal für die Weiterentwicklung der digitalen Bildung in Bayern – ohne dabei analoge Stärken zu vernachlässigen.“ 

Summerschool und Förderunterricht

Inzwischen gibt es Initiativen von Seiten der Universitäten, um den Schülern zusätzliche Angebote zu machen. Die Universität Augsburg bietet in Kooperation mit dem Schulwerk der Diözese Augsburg zu Beginn und zum Ende der Sommerferien jeweils eine Woche Förderunterricht in Kleingruppen mit Lehramtsstudenten an. Diese bekommen einen zusätzlichen Einblick in ihr künftiges Arbeitsleben und eine finanzielle Aufwandsentschädigung von der Universität. Die Schüler können so täglich vier Stunden nahezu kostenlose Nachhilfe in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch in Anspruch nehmen. Diese „Summerschool“, heißt es aus dem Kultusministerium, werde begrüßt. Ein Konzept liege allerdings noch nicht vor. Ein ähnliches Programm mit Lehramtsstudenten, pensionierten Lehrkräften und Volkshochschullehrern gibt es in Hamburg.

In Passau hingegen nutzt man das Engagement von Lehramtsstudenten schon seit längerem. Das Projekt „PASSgenAU“ der Universität Passau setzt seit Jahren darauf, eine Art Förderunterricht für Kinder, die einer besonderen Unterstützung bedürfen, mithilfe künftiger Lehrkräfte zu ermöglichen. Und das mit Erfolg: 2020 wurde das Projekt mit dem Sozialpreis der Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet. Seit 2012 wurden von knapp 500 Paten etwa 5000 Schüler betreut. Sie alle erhielten Förderunterricht in den Bereichen Lese- und Sprachkompetenz sowie mathematischer Grundkompetenz – und schnitten letztlich deutlich besser ab als es die Ausgangsleistungen erwarten hätten lassen. 

Es gibt also Grund zur Hoffnung, dass die Corona-Schuljahre keine verlorenen Schuljahre sind, zumal viele Kinder Kompetenzen erworben haben, die im normalen Schulalltag nicht immer so gefordert sind wie in Zeiten einer Pandemie: Flexibilität, Selbstständigkeit, Ausdauer, Kreativität und Nachsichtigkeit.

Bildung, Hochschulen, Kultur
Thomas Klotz
Leiter