Print logo

Die erste Politikerin im bayerischen Kabinett
Eine bayerische Löwin: Mathilde Berghofer-Weichner

Autor: Dr. Renate Höpfinger

„Zu den wenigen Frauen, die man als eine der ersten auf der politischen Bühne der Bundesrepublik Deutschland bezeichnen kann, gehörte eine Frau aus dem in Sachen Frauenemanzipation landläufig als rückständig geltenden Freistaat Bayern: Dr. Mathilde Berghofer-Weichner. “, schreibt die Biographin Annelies Amberger.

Mathilde Berghofer-Weichner auf dem CSU-Parteitag "Bewährtes sichern. Neues meistern. Mutig entscheiden" im November 1992 in der Nürnberger Frankenhalle

Winfried Rabanus; ACSP; ACSP, Rabanus Winfried 136-9-18

Fast überall war Mathilde Berghofer-Weichner die „Erste“. Jung, mit 25 Jahren, kandidierte sie 1956 als erste Frau überhaupt für ihren örtlichen Gemeinderat in Gauting. Sie gewann und man übertrug ihr, da sie sich ja erst einmal bewähren musste, als jüngstes Mitglied das Friedhofsreferat. Mit 37 Jahren wurde sie 1968 die erste stellvertretende CSU-Parteivorsitzende und machte die Frauen nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar. 

Einige Jahre später, 1974, wurde sie als Staatssekretärin im Kultusministerium die erste Frau im bayerischen Kabinett, und als Justizministerin war sie dort dann ab 1986 die erste Ministerin. Auf dem Höhepunkt ihres Weges als Politikerin trat sie 1988 als erste Frau das Amt der ersten stellvertretenden Ministerpräsidentin an.

Wer war diese Frau, die zumindest von außen betrachtet eine für ihre Zeit beachtliche Karriere als Frau in der Politik machte?

„In China gibt es ein Schriftzeichen, das gleichzeitig Mensch und Mann bedeutet. Auch im Englischen, im Französischen und in vielen anderen Sprachen gibt es für beide Begriffe nur ein einheitliches Wort. Unsere deutsche Sprache ist also geradezu fortschrittlich, hier eine Unterscheidung zu machen und zu zeigen, daß „Menschheit“ nicht gleich „Mannheit“ ist.“ Mathilde Berghofer-Weichner

ACSP

Sie war eine Pionierin, die Maßstäbe setzte. Das Leben der gläubigen Katholikin war von einer christlichen Grundhaltung geprägt. Mit klaren Positionen, aufrechter Haltung und einer großen Portion Humor verfolgte sie ihre politischen Ziele. Sie hatte daneben eine Fülle von Ehrenämtern inne:

  • sie engagierte sich im Landesvorstand des Bayerischen Roten Kreuzes,
  • sie war als stellvertretende Landesvorsitzende des VdK tätig,
  • sie arbeitete lange im Pfarrgemeinderat ihrer Heimatpfarrei,
  • und gehörte von 1994 bis 2002 der Hanns-Seidel-Stiftung als Mitglied an.

Vor zehn Jahren, am 29. Mai 2008 verstarb sie nach langer, schwerer, geduldig ertragener Krankheit in München.

Um ihre beachtlichen Leistungen zu würdigen, gibt die Hanns-Seidel-Stiftung anlässlich ihres 10. Todestages einen Sammelband heraus. Erstmals wurden eine Reihe bisher unzugänglicher Archivquellen für eine ausführliche Biographie wissenschaftlich ausgewertet. Darüber hinaus berichten mehr als 20 Zeitzeugen und Wegbegleiterinnen über sie als Person und Politikerin. Zahlreiche Fotos illustrieren ihren eindrucksvollen Lebensweg, die privaten Stationen ebenso wie ihre berufliche und politische Karriere.

Die Publikation „Eine starke Frau in der Politik. Mathilde Berghofer-Weichner (1931-2008), hrsg. von Ursula Männle“ wird am 19. Juni 2018 in München vorgestellt. Sie kann in der Folge auf dieser Seite bestellt werden.

JU-Landesversammlung 1961 in Kempten, im Vordergrund Max Streibl, neben Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard Mathilde Weichner

ACSP, Ph S JU 1961-1-4

Autorin: Annelies Amberger

Mathilde Elisabeth Weichner wurde am 23. Januar 1931 in München geboren.[1] Ihr Vater, Dr. Heinrich Weichner, war Jurist und übte das Amt des Oberpostpräsidenten aus. Aus dem Ersten Weltkrieg kam er kriegsversehrt zurück. Die Mutter Elisabeth, geborene Wiese, die ihren späteren Ehemann als ehrenamtliche Rot-Kreuz-Helferin im Ersten Weltkrieg kennengelernt hatte, versorgte die Familie, die bis fast zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Münchner Innenstadt lebte. Mathilde hatte keine Geschwister. Nachdem das Wohnhaus der Familie in München 1944 ausgebombt worden war, zog sie in ein schon länger erworbenes Gartenhaus in Stockdorf, das dem gehbehinderten Vater durch die dort anfallende Gartenarbeit bereits viele Jahre einen Ausgleich für seinen aufgrund der Behinderung eingeschränkten Aktionsradius geboten hatte.[2] Dieses im Laufe von vielen Jahren ausgebaute Gartenhaus war auch lebenslang das eigentliche Domizil von Dr. Mathilde Berghofer-Weichner.

Doch obwohl Jahre der Kindheit von Mathilde Weichner von Krieg, Angst und sicher auch Not geprägt waren, konnte sie eine ihrer Herkunft gemäße Schulbildung absolvieren. Von 1937 bis 1941 besuchte sie die Volksschule in München, von 1941 bis 1944 die Oberschule an der Luisenstraße in München. Nach dem zwangsweisen Umzug in das Stockdorfer Gartenhaus 1944 wechselte sie in eine Oberrealschule für Jungen in Gräfelfing, die später in das nach dem Widerstandskämpfer Kurt Huber benannte Gymnasium umgewandelt wurde, wo sie 1949 auch ihre Reifeprüfung ablegte. Dabei fiel ihr Reifezeugnis so gut aus, dass ihr die mündliche Prüfung erlassen wurde.[3] Diese "Bubenschule" vermittelte ihr übrigens für ihre spätere berufliche Laufbahn die wesentliche Erkenntnis, "dass Buben auch nicht gescheiter sind als Mädchen, sondern dass sie manchmal nur ein wenig schneller reden".[4]

Wie sehr sie sich bereits als Schülerin engagierte und für die Belange anderer einsetzte, zeigt die Tatsache, dass sie zur Klassensprecherin gewählt wurde, obwohl sie eines der wenigen Mädchen in ihrer Klasse war. Jahre vor ihrem Abitur, bei Kriegsende, zog sie schon als 14-jähriges Mädchen ihre ganz persönlichen Lehren aus den Schrecken des Krieges, indem sie beschloss, "die Welt aktiv mitzugestalten, um ähnliches zu verhüten".[5] Ein Vorsatz, dem sie als Schülerin im Kleinen folgte, als sie vom damaligen Entnazifizierungsminister Anton Pfeiffer (1888–1957), der während des Krieges auch einer ihrer Lehrer war, eine Schulspeisung und Theaterkarten für Schüler forderte, und den sie auch während ihrer Berufstätigkeit und in ihren politischen Ämtern konsequent umsetzte.[6]

Als es um ihre Berufswahl ging, folgte sie nicht ihrer anfänglichen Neigung, Chemie oder Biologie zu studieren, weil mit diesen Fächern für eine Frau zur damaligen Zeit eigentlich nur das Lehramt in Frage kam. Und Lehrerin wollte sie nie werden, "denn wir waren so schrecklich zu unseren Lehrern gewesen, dass aus unserer Klasse keiner Lehrer wurde".[7] So schloss sie 1953 und 1957 ein Jurastudium in München mit dem ersten und dem zweiten Staatsexamen ab. Doch sie verbrachte ihre Universitätszeit nicht nur in den Vorlesungen und Seminaren der Juristen. Vielmehr war ihr Interesse im Sinne eines Studium generale breit gefächert und so besuchte sie auch die Dogmatikvorlesungen von Michael Schmaus (1897–1993). In die Katholische Studentenverbindung Alemannia war sie bereits während ihres Studiums eingebunden und wurde später auch Bundesdame.[8] Während ihres Jurastudiums war sie als Referendarin in der Verwaltung des Deutschen Bundestages in Bonn tätig und hatte dort Gelegenheit, als junge Frau erstmals ein wenig in politischen Gefilden zu schnuppern. 1957 wurde sie promoviert und trat im selben Jahr als Gerichtsassessorin in den Staatsdienst ein. 1960 wurde sie Staatsanwältin, mit dem Schwerpunkt Jugendstrafrecht. 1963 ernannte man sie zur Landgerichtsrätin und 1966 wurde sie Erste Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft I in München. 1966 erfolgte auch ihre Versetzung vom Justizdienst in das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, wo sie anfangs Oberregierungsrätin war, sowie ihre Beförderung zur Regierungsdirektorin. Vier Jahre später, nach den Landtagswahlen 1970, wurde sie Kultusstaatssekretärin während der Regierungszeit von Ministerpräsident Alfons Goppel (1905–1991). Dieses Amt übte sie bis November 1986 aus. Mathilde Berghofer-Weichner war damit die erste Frau in einer bayerischen Regierung.

1986 erfolgte ihre Ernennung zur ersten Ministerin in Bayern, diesmal im Kabinett von Franz Josef Strauß (1915–1988). 1988 berief der nach dem Tod von Strauß im Oktober neu gewählte Ministerpräsident Max Streibl (1932–1998) sie zu seiner ersten Stellvertreterin. 1993 bildete Edmund Stoiber nach Streibls Rücktritt sein neues Kabinett und berief sie nicht mehr. Stoiber war es auch, der als Ministerpräsident das Bayerische Oberste Landesgericht abschuf.

1969 heiratete Mathilde Weichner den verwitweten Robert Berghofer,[9] Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts. In den folgenden Jahren musste sie mehrere schwere Schicksalsschläge verkraften, als zunächst ihre krebskranke Mutter starb, sie selbst dann schwer erkrankte und im Oktober 1973 ihr 22 Jahre älterer Mann nach nur vier Jahren Ehe verstarb. Sozial engagierte sie sich im Landesvorstand des Bayerischen Roten Kreuzes und als stellvertretende Landesvorsitzende des VdK.[10] Auch im Pfarrgemeinderat ihrer Heimatpfarrei war sie lange aktiv. Nach ihrem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Ministeramt 1993 widmete sie sich ihrer Volkskunstsammlung und der Orchideenzucht. Am 29. Mai 2008 starb Mathilde Berghofer-Weichner nach langer, geduldig ertragener Krankheit.

Das Leben von Mathilde Berghofer-Weichner war von einer christlichen Grundhaltung geprägt, die ihr dabei half, das Schicksal anzunehmen und zu tragen. Als gläubige Katholikin vereinte sie aus heutiger Sicht für viele sehr Gegensätzliches. So war sie beispielsweise eine vehemente Gegnerin des Schwangerschaftsabbruchs, plädierte aber dafür, Frauen zu Priesterinnen zu berufen. Vor allem hatte sie Humor, wusste sie doch, wie die Reinigung einer Seele gelingen kann: Aus einem Urlaub schrieb sie an Ministerialdirektor Karl Böck im Kultusministerium und bat ihn um einige dienstliche Gefälligkeiten, beendete ihren Brief dann mit den Worten: "So, und nun ziehe ich mich geistig wieder in den Urlaub zurück und ‚halte meine Seele in die Sonne‘ … falls sie scheint, was allerdings überwiegend der Fall ist. Andernfalls halte ich sie eben in den Regen, wovon sie schön weiß wird".[11] Obwohl ihre Eltern nicht übermäßig religiös waren, war für sie der Glaube "eine Existenzgrundlage, ohne die ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen könnte".[12] Der Glaube war auch die wesentliche Basis für ihr politisches Handeln, "denn man geht an die Menschen, wenn sie das Ebenbild Gottes sind, doch anders heran, als wenn sie nur ein Stück Dreck wären".[13]

Vier – ihr wichtige – Grundsätze hatte sie in ihrem Leben befolgt: 1. Selbstbewusstsein. 2. Gelassenheit. 3. Entschiedenheit für eine Sache, einschließlich des damit verbundenen Risikos. 4. Mut, die eigene Entscheidung anderen gegenüber zu vertreten.[14]


[1] S. zu den biographischen Daten den Personalakt aus dem Kultusministerium; BayHStA, MK Auffangbestand 103, Teilband 1 (Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus) und Teilband 2 (Bayer. Staatsministerium der Justiz, Personalakten). S. ebenso den kurzen Lebenslauf BayHStA, StK Bayer. Verdienstorden 2297; ebenso den Lebenslauf im Privatarchiv von Fam. Berghofer. S. a. Hilde Balke: Sie waren die ersten … Frauen im Bayerischen Landtag nach 1945, München 1996, S. 116-131; Ausstellungskatalog "Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!" Frauen gestalten Politik in Bayern, 1946–2016, hrsg. vom Bayerischen Landtag, München 2017, S. 46-47, 114, 133, 144-145.

[2] Dr. Mathilde Berghofer-Weichner, Bayerische Justizministerin a. D., im Gespräch mit Werner Reuß; Bayerischer Rundfunkt, alpha-Forum, Sendung vom 20.06.2000, [S. 4].

[3] Reifezeugnis, Akten über die erste juristische Staatsprüfung; BayHStA, MK Auffangbestand 103, Teilband 5.

[4] Gespräch mit Werner Reuß (wie Anm. 2), [S. 10].

[5] Bayernkurier Nr. 4 vom 24.01.1981, S. 4; Elisabeth Emmerich, Maria Nebl-Krauth: Die erste weißblaue Regierungs-Frau, in: Frau im Leben vom 20./21.12.1975, S. 2829; beide ACSP, IuD Berghofer-Weichner.

[6] Mathilde Berghofer-Weichner, Munzinger Archiv, S. 1; ACSP, PS Berghofer-Weichner.

[7] Gespräch mit Werner Reuß (wie Anm. 2), [S. 5].

[8] S. den Beitrag von Eleonore Zwißler im vorliegenden Band.

[9] BayHStA, MK Auffangbestand 103, Teilband 1, Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Heiratsurkunde.

[10] Die Terminkalender Berghofer-Weichners verzeichnen zahlreiche Termine mit dem VdK-Landesvorstand, die in der Regel mittwochs stattfanden. S. BayHStA, NL Berghofer-Weichner 1, Kalender von 1990.

[11] Schreiben von Mathilde Berghofer-Weichner an Karl Böck vom 11. Juni 1977; BayHStA, Abt. V NL Böck 2.

[12] Gespräch mit Werner Reuß (wie Anm. 2), [S. 4].

[13] Gespräch mit Werner Reuß (wie Anm. 2), [S. 4].

[14] Rudolf Lambrecht: Die Politik läßt meist nur nachts Zeit für das Gewächshaus der Staatssekretärin, Münchner Merkur Nr. 102, vom 02.05.1980, S. 37.

Archiv für Christlich-Soziale Politik (ACSP), Politisch-historische Fachbibliothek
Dr. Renate Höpfinger
Leiterin