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Abenteuer Tondrahtdigitalisierung
So ein Drahtsalat!

Autor: Katharina Köhn, M.A.

Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, dem Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung Material, das seit fast 70 Jahren nicht mehr nutzbar war, wieder zugänglich gemacht zu haben. Günter Marschall

Drahtknäuel

Drahtknäuel

Günther Marschall; Günther Marschall; ACSP

Tondraht im Bestand des Archivs für Christlich-Soziale Politik (ACSP)

Seltene Medien im Bereich Ton und Film stellen Archive stets vor neue Herausforderungen. Das seltene Format muss zunächst einmal erkannt, nach Möglichkeit mit der geeigneten Technik zum Laufen gebracht und im Anschluss natürlich in ein archivfähiges Langzeitformat umgewandelt werden. Ein solch seltenes Format ist Tondraht, auch als Drahtton bekannt. Vereinfacht ausgedrückt: Hier werden Schallgeräusche auf magnetisierte Drähte übertragen, die anschließend mit der entsprechenden Technik wieder abgespielt also hörbar gemacht werden können. Diese Form der Tonaufnahme wurde von etwa 1900 bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg praktiziert.

Im Nachlass des CSU Mitbegründers Josef Müller, auch als „Ochsensepp“ bekannt, befinden sich acht solcher Tondrahtaufnahmen. Historisches Interesse an diesen Aufnahmen aus der Frühzeit der CSU und konservatorische Gründe veranlassten das ACSP, u.a. beim Deutschen Museum in München und dem Phonoarchiv in Wien nach Abspielmöglichkeiten nachzufragen. Es wurde darüber hinaus wiederholt aber leider vergeblich bei professionellen Anbietern für die Digitalisierung von alten Audio- und Filmformaten nach der Möglichkeit zur Bearbeitung der Tondrähte recherchiert. Über Jahre fand sich keine Möglichkeit, die Aufnahmen hörbar zu machen.

Technische Herausforderungen

Günter Marschall von marschall-media griff die Problematik der Überspielung der acht Spulen Tondrahtschließlich auf. Durch seine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart hatte er Erfahrung im Umgang mit diesem Medium. Es gelang ihm, ein Abspielgerät ausfindig zu machen und erste Tests durchzuführen. Im ersten Versuch waren die Aufnahmen noch durch starke Störgeräusche verzerrt. Doch es ist der Hartnäckigkeit von Günter Marschall zu verdanken, dass er mit einem zweiten Abspielgerät und einigen Modifikationen die Störgeräusche quasi eliminieren konnte. Übrig blieben Tonschwankungen, die schon beim Erzeugen der Aufnahmen entstanden waren, zum Beispiel durch falsche Bedienung des ursprünglichen Aufnahmegerätes.


Eine ausführliche Schilderung von Günter Marschall über den Digitalisierungsvorgang finden sie hier.

Bei der Analyse der Spulen fielen Günter Marschall bereits einige Brüche bei den 70 Jahre alten Tonträgern auf, trotzdem überstanden sieben der acht Spulen die Digitalisierung unbeschadet. Trotz dieser Erfolge wird klar, dass selbst an vermeintlich widerstandsfähigen Materialien der Zahn der Zeit nagt, dass Abspielgeräte schlichtweg verschwinden und mühsam nachgebaut werden müssen. Es lohnt sich also, sich mit Geduld und Hartnäckigkeit regelmäßig auf die Suche nach Möglichkeiten zur Digitalisierung zu machen.

Eine Hörprobe

Das folgende Hörbeispiel verdeutlicht sehr anschaulich, das bei schon bei der Entstehung der Aufnahmen handwerkliche Fehler einen erheblichen einfluss auf die Qualität haben. Dazu zählen Straßenlärm der durch geöffnete Fenster in den Aufnahmeraum dringt, klingelnde Telefone und Gesprächspartner die sich vom Mikrophon wegbewegen, diese Fehler können während der Digitalisierung nur minimal behoben werden.


Josef Müller

Josef Müller

ASCP; ACSP, Ph P Müller Josef 1-2

Das Hörbeispiel aus einer der Tondrahtaufnahmen beinhaltet ein Interview vom 11. Juni 1952. Josef Müller berichtet aus seiner Zeit im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Konkret geht es im Hörbeispiel um die Frage, ob Josef Müller den Papst über etwaige Attentatspläne auf Adolf Hitler informiert hätte. Josef Müller hatte enge Kontakte im Vatikan bis hinauf zu Papst Pius XII., und spielte daher eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung von kirchlichem und militärischem Widerstand.

Das Hörbeispiel finden sie hier.



 

 

 

 

Mehr Informationen über Josef Müller und den Vatikan im Widerstand gegen den Nationalsozialismus erhalten sie in der Publikation "Die Spione des Papstes: Der Vatikan im Kampf gegen Hitler" von Mark Riebling.