Eine 45jährige Rechtsanwältin ohne politische Erfahrung und Parteizugehörigkeit wirbelt das politische Tableau der Slowakei heftig durcheinander. Zuzana Čaputová hat einen ungewöhnlich schnellen politischen Aufstieg geschafft.
Die moderat liberale Rechtsanwältin und Antikorruptionskämpferin Zuzana Čaputová wird die erste Staatspräsidentin der Slowakischen Republik und als erste Frau einen Staat der Visegrád-Gruppe (V4-Gruppe) repräsentieren. Die noch vor Monaten unbekannte Rechtsanwältin und alleinerziehende Mutter setzte sich gegen den noch in der UdSSR ausgebildeten EU-Kommissar Maroš Šefčovič durch - und das sogar gegen die Wahlempfehlung aus Kirchenkreisen.
Čaputová wird am 15. Juni 2019 das erste weiblichen Staatsoberhaupt in der Geschichte der Slowakei und innerhalb der mittelosteuropäischen Visegrád-Länder. Sie will künftig eine „Präsidentin für Alle“ sein.
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Zweite Runde – zwei Welten
In der Stichwahl um das Präsidentenamt in Bratislava hatten sich zwei Welten gegenübergestanden: Zuzana Čaputová: zweifache Mutter, geschieden, alleinerziehend, modern in gesellschaftspolitischen Fragen wie Umwelt- und Frauenthemen oder Homosexualität, Rechtsanwältin, Preisträgerin des renommierten Goldman-Umweltschutz-Preises und Bürgerrechtlerin. Die „Proteste für eine anständige Slowakei“ nach dem Journalistenmord hatte sie tatkräftig unterstützt und steht seitdem für jenen Teil der Gesellschaft, der sich gegen die amtierende Regierungskoalition und für eine moderne Slowakei einsetzt. Die amtierende Regierung sehen viele Slowakinnen und Slowaken als verantwortlich für viele Missstände im Land, wie die Verwicklung der Politik und Wirtschaft in Korruption. Die Regierungsumbildung im März letzten Jahres in Folge der größten Massenproteste seit der samtenen Revolution nahmen viele Bürgerinnen und Bürger nur als neue Fassade wahr.
Auf der anderen Seite stand Maroš Šefčovič: renommierter Karrierediplomat, ausgebildet in sozialistischen Kaderschmieden und heute Vizepräsident der Europäischen Kommission. Er präsentierte sich als Bewahrer traditioneller Werte und der klassischen Familie, als gläubiger Christ und slowakischer Patriot. Zwar trat er als unabhängiger Kandidat an, akzeptierte aber die Unterstützung der Partei SMER-SD, die auch seinen Wahlkampf finanzierte.
Čaputová, die weder über politische Erfahrungen noch ein Netzwerk verfügt, konnte diese Nachteile ausgleichen. Erfolgreiche Wahldebatten, der starke Mobilisierungs-Effekt durch die sozialen Medien, aber insbesondere ihre Vertrauenswürdigkeit und Authentizität haben die Kandidatin ins Präsidentenamt gebracht. Ihre Wähler wünschen sich eine andere Slowakei, mehr Gerechtigkeit, mehr Rechtsstaat, weniger Korruption und insbesondere „Anständigkeit in der Politik“.
Ihr Erfolg ist gerade den Stimmen der Anhänger außerparlamentarischer Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft zu verdanken. Aber auch aus dem bürgerlichen Lager stimmten viele für Čaputová. Für die christdemokratische Wählerschaft war die moderat liberale Kandidatin trotzdem die bessere Wahl. Darüber hinaus konnte Čaputová auch die Mitglieder nationaler Minderheiten in der Slowakei erfolgreich ansprechen. Als erste Politikerin in der Geschichte des Landes bedankte sie sich nach ihrem ersten sowie zweiten Wahlsieg in allen Landessprachen, auf slowakisch, ungarisch, deutsch und in romanes, der Sprache der Roma. Bemerkenswert ist Čaputovás Erfolg in den südlichen Regionen mit ungarischer Minderheit, wo sie sich sogar gegenüber den Kandidaten ungarischer Nationalität durchsetzen konnte.
Dieses in der Wahlgeschichte der Slowakei beispiellose Ereiginis deutet auch auf die Protestwahl ungarischer Wähler hin, die Bugár wegen seiner Koalitionsbildung mit Ficos SMER-SD zu bestrafen scheinen.
Šefčovič konnte in der Stichwahl nur die Anhänger rechtspopulistischer und extremistischer Kandidaten für sich gewinnen. Viele Wähler dieser sogenannten „Anti-System-Parteien“ sind im großen Stil den Wahlurnen ferngeblieben. Vor diesem Hintergrund konnte Šefčovič sein Wählerpotenzial nicht ausreichend erweitern, um die populäre Rechtsanwältin zu besiegen.
Der Sieg von Zuzana Čaputová ist ein Sieg der protestierenden Bürgerinnen und Bürger für eine „anständige Slowakei“, die mehr Gerechtigkeit, Transparenz, Glaubwürdigkeit und einen funktionierenden Rechtsstaat ohne Korruption und Machtmissbrauch wünschen. Zugleich steht diese Wahl auch für den abnehmenden Einfluss der Kirche in der Slowakei insgesamt und damit für eine modernere Slowakei. Čaputová wird am 15. Juni 2019 das erste weiblichen Staatsoberhaupt in der Geschichte der Slowakei und innerhalb der mittelosteuropäischen Visegrád-Länder. Sie will künftig eine „Präsidentin für Alle“ sein.
Katarína Korduliaková Kissová, Büroleiterin der HSS in Bratislava und Regionalleiter Martin Kastler.