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Podiumsdiskussion
Bedrohte Demokratie: Aktionisten, Autokraten, Aggressoren

„Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.“ Gemäß dieser selbstkritischen Worte George Bernard Shaws diskutierten Vertreter aus Journalismus und Wissenschaft mit der Berliner Öffentlichkeit die neu erschienene Publikation „Bedrohte Demokratie: Aktionisten, Autokraten, Aggressoren – Welche Antworten haben die Demokraten?“

Staatsministerin a.D. Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung

Staatsministerin a.D. Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung

Anlässlich der Veröffentlichung des Sammelbandes „Bedrohte Demokratie: Aktionisten, Autokraten, Aggressoren – Welche Antworten haben die Demokraten?“, erschienen im Verlag Duncker & Humblot, lud das Hauptstadtbüro der Hanns-Seidel-Stiftung am Abend des 08. September 2016 zur Diskussion über Zustand und Wert der Demokratie.

Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse aus Mecklenburg-Vorpommern widmeten sich sowohl die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Staatsministerin a.D. Prof. Ursula Männle, in Ihrer Begrüßung als auch Podium und Publikum dem Erstarken der AfD als neuer Kraft in der deutschen Parteienlandschaft. Welche Entwicklungen sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands liegen diesem neuen populistischen Phänomen zugrunde? Kommt es einem gesellschaftlichen Fieber gleich?

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Mit einem Zitat von George Bernard Shaw eröffnete Dr. Alexander Wolf, Leiter des Hauptstadtbüros der Hanns-Seidel-Stiftung und Moderator der Veranstaltung, die Diskussion: „Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.“ Hieße dies, dass sich Protestwählerinnen und -wähler, die für die AfD stimmten, vielmehr selbst als nur den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassten?

Beitzer konnte diese These nicht teilen, dafür sei der Schaden, welche die Wahl der AfD erzeugte, zu groß. Hirscher erläuterte, dass sich die aktuelle Politikverdrossenheit und entsprechende Unterstützung der AfD in einer diffus empfundenen Angst großer Bevölkerungsteile begründe. Dieses Unbehagen wiederum, ergänzte Varwick, rühre von den Eindrücken der Globalisierung und ihren Auswirkungen her. Demnach lassen sich nur unter Berücksichtigung der internationalen Dimension Ursachen für die politische Lage auch in Deutschland ausmachen.

So brachte Braml vergleichend die US-amerikanische Perspektive ein, wo der republikanische Präsidentschaftskandidat Trump symptomatisch für eine größere Erosion des liberalen Modells stehe. In der Tat als Fieber zu beschreiben, das zurzeit viele moderne demokratische Gesellschaften erfasst habe und nach der Analyse Bramls nun seinen Ausdruck in populistischen Bewegungen finde.

Johannes Varwick, Alexander Wolf, Ursula Männle, Gerhard Hirscher, Hannah Beitzer, Josef Braml

Johannes Varwick, Alexander Wolf, Ursula Männle, Gerhard Hirscher, Hannah Beitzer, Josef Braml

Hier konnte Hirscher jedoch mit einer optimistischen Überlegung anknüpfen: Bezogen auf Deutschland verstehe er den Einzug der AfD in die Parlamente als nötigen Schritt, um einerseits deren populistische Haltung im parlamentarischen Alltag zu entzaubern. Zudem könnten die anderen Parteien der AfD dort nicht mehr aus dem Weg gehen, sondern müssten sich der direkten Auseinandersetzung stellen. Der bisherige Umgang mit der AfD habe gezeigt, dass keine Kommunikation auch keine Lösung sei.

Als Journalistin habe Beitzer bereits Erfahrungen im direkten Gespräch mit Anhängern der AfD sammeln können und schilderte, wie wenig die dort vertretenden Positionen auf Fakten basierten. Auf die Sympathien der AfD für den russischen Präsidenten Putin angesprochen, habe sich bspw. herausgestellt, dass diese Haltung jeglicher Kenntnis über die Lage Russlands entbehre.

Doch wie ein Blick in die Welt zeige, so Wolf, erscheine der Wunsch nach starken Männern weit verbreitet. Varwick ordnete diese Beobachtung in einen größeren Zusammenhang ein. Demnach verschlechtere sich die Problemlösungsfähigkeit von Multilateralismus zusehends und im Systemwettbewerb scheinen autokratische Tendenzen gegenüber demokratischen Strukturen auf dem Vormarsch. Während sich liberale Staaten auf Grund des Souveränitätsgebots mit ihrer „Responsibility to Protect“ schwer täten, würden autoritäre Regierungen bspw. Russlands oder Chinas ihre eigenen Interessen im Zweifelsfall über den völkerrechtlichen Status Anderer stellen. Deshalb appellierte Varwick für einen verantwortungsethischen Pragmatismus in der deutschen Außenpolitik, der weltbürgerlichen Verpflichtungen und eigenen Sicherheitsinteressen gleichermaßen nachkomme. Entsprechend komplexe Lösungen seien nötig, die nicht durch die einfachen Antworten der Populisten gefunden würden.

Wie aber, fragte Wolf, könnten die Bürgerinnen und Bürger hiervon überzeugt werden?

Man dürfe Mehrheiten nicht hinterherrennen, mahnte Varwick ein falsches Verständnis von politischer Führung an. Die beste politische Bildung, fügte Hirscher hinzu, sei gute praktische Politik. Dabei, so Beitzer, müsse das Verständnis für Politik, ihre Strukturen und Entscheidungsfindungsprozesse stetig gefördert werden. Es gelte, wieder den Spaß am Politischen zu wecken. Als Transatlantiker regte auch Braml an, positiv in die Zukunft zu schauen und statt des davon fahrenden Zuges das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Von den Autorinnen und Autoren waren Hannah Beitzer, Süddeutsche Zeitung, Prof. Dr. Johannes Varwick, Universität Halle-Wittenberg, Dr. Josef Braml, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, und Dr. Gerhard Hirscher, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., vor Ort, um die Publikation vorzustellen. Diese präsentiert die Ergebnisse zweier Workshops der Hanns-Seidel-Stiftung, in denen nationale sowie internationale Herausforderungen unserer Demokratie diskutiert worden waren.

Die Publikation „Bedrohte Demokratie: Aktionisten, Autokraten, Aggressoren – Welche Antworten haben die Demokraten?“ mit den Beiträgen der o.g. sowie weiterer Autorinnen und Autoren wie Gitta Connemann, MdB, Florian Hahn, MdB, und Dr. Jasper von Altenbockum ist im Verlag Duncker & Humblot erhältlich.

Hauptstadtbüro
Dr. Alexander Wolf
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