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Debatte über die Ostverträge im Bayerischen Landtag

Die durch die Bildung der sozialliberalen Koalition eingeleitete Ostpolitik und ihre in diesem Zusammenhang geschlossenen Verträge führten zu massiven Debatten und Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit und in den deutschen Parlamenten.

Bereits am 21. Dezember 1971 äußerte die Bayerische Staatsregierung ihre Bedenken gegenüber dem Vertragswerk in einem Beschluss. Darin stellte sie unter anderem fest, dass die vorliegende Form der Verträge sowohl gegen den Artikel 23 (Geltungsbereich) wie auch gegen das Wiedervereinigungsgebot der Präambel des Grundgesetzte verstieß.

Karikatur von Herbert Kolfhaus zur Haltung der Union gegenüber den Ostverträgen, Januar 1972

Karikatur von Herbert Kolfhaus zur Haltung der Union gegenüber den Ostverträgen, Januar 1972

Herbert Kolfhaus; ACSP; NL Strauß Slg. Kray KA 1972: 01

Debatte im Bayerischen Landtag

Am 25./26. Januar 1972 beschäftigte sich auch der Bayerische Landtag mit dieser außenpolitischen Frage, die nach Auffassung der Landtagsopposition eigentlich außerhalb der Kompetenzen eines Landesparlaments lag. In einer Anfrage der CSU-Landtagsfraktion wurde die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, ihre Haltung sowohl im Hinblick auf verfassungsrechtliche Fragen, wie auch auf die politische Beurteilung der Verträge zu erläutern. Damit sollte noch vor der ersten Behandlung der Verträge von Moskau und Warschau im Bundestag die ablehnende Haltung der CSU gegenüber dem Vertragswerk unterstrichen werden.

Vor allem der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß sah darin Versuche der Bundesregierung, die Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis zu lösen und damit Tatsachen zu schaffen, die letztlich den Weg zu einer neutralen gesamtdeutschen Konföderation ebneten. Mit dem von ihm geprägten Ausspruch: " Wir Bayern dürfen uns nicht scheuen, die letzten Preußen zu sein, wenn die Historie es erfordert" brachte er seine Vorbehalte auf eine medienwirksame, griffige Formel. Im Gegensatz dazu verfolgte Ministerpräsident Alfons Goppel eine verbindlichere Strategie. In seiner Antwort signalisierte er zwar Bereitschaft, die von der CSU-Landtagsfraktion geäußerten Bedenken auch im Bundesrat vorzubringen, ließ sich aber nicht auf eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch den Freistaat festlegen.

Die Ostverträge werden ratifiziert

Am 9. Februar 1972 verabschiedete der Bundesrat mit den Stimmen der unionsregierten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein in einfacher Mehrheit eine zwölf Punkte umfassende Entschließung zu den Ostverträgen. Die parallel dazu geführten Beratungen im Bundestag mündeten ebenfalls in eine gemeinsame Erklärung, die die Vorwegnahme eines Friedensvertrages durch die Ostverträge ausschloss. Somit konnten am 17. Mai 1972 die Verträge im Bundestag ratifiziert werden, wobei sich die Mehrheit der Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion der Stimme enthielten. Auch von Seiten des Bundesrats wurden keine weiteren Einwände mehr erhoben.

Für die Verträge von Moskau und Warschau war damit eine parlamentarische Klärung erfolgt, die so für das dritte Vertragswerk, den Grundlagenvertrag mit der DDR vom 21. Dezember 1972, noch nicht vorhanden war. Aus diesem Grund bestand Franz Josef Strauß weiterhin auf einer verfassungsrechtlichen Klärung. Nach seiner Auffassung stand der Vertrag im Widerspruch zu den auf staatliche Einheit ausgerichteten deutschlandrechtlichen und deutschlandpolitischen Aussagen des Grundgesetzes. Nach heftigem innerparteilichem Ringen gelang es ihm, die Bayerische Staatsregierung unter Leitung von Alfons Goppel doch noch zu der bereits im Januar für die beiden Verträge von Moskau und Warschau geforderten Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht zu bewegen. In seinem Urteil vom 31. Juli 1973 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Vertrags, bekräftigte aber zugleich die Wiederherstellung der staatlichen Einheit als politisches Ziel der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland.