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Kolumbien
Der Friedensprozess geht weiter

Mit der Beendigung des mehr als 50 Jahre andauernden innerstaatlichen bewaffneten Konflikts hat sich die Regierung von Staatspräsident Juan Manuel Santos ein anspruchsvolles Ziel gesetzt. Nun geht es darum, den Friedensbeschluss mit der FARC umzusetzen. Inzwischen wird auch mit der ELN, einer weiteren kolumbianischen Guerilla, über ein Friedensabkommen verhandelt.

Im Jahr 2016 erhielt Präsident  Santos den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz, Frieden in Kolumbien zu schaffen

Im Jahr 2016 erhielt Präsident Santos den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz, Frieden in Kolumbien zu schaffen

HSS

Seit Ende 2012 wurden in Havanna offizielle Friedensgespräche mit der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), einer Guerillaorganisation in Kolumbien, geführt. Am 26. September 2016 konnte ein Friedensvertrag unterzeichnet werden.

Das Abkommen wurde zunächst in einem Referendum am 2. Oktober 2016 mit 50,2 Prozent der Stimmen abgelehnt – ein herber Rückschlag im Ringen um Frieden. Knapp zwei Monate später kam eine in wesentlichen Punkten überarbeitete Vereinbarung zustande. Über die neue Version stimmte nicht mehr die Bevölkerung ab, sondern deren verfassungsmäßiger Vertreter, der Kongress. Am 30. November 2016 trat der modifizierte Vertrag mit seiner Ratifizierung durch das Repräsentantenhaus in Kraft. Wenige Tage darauf wurde Staatspräsident Juan Manuel Santos mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Tom Koenigs, Juan Mayr Maldonado und Pia Castro erörtern, wie die Inhalte des Friedensschlusses umgesetzt werden können

Tom Koenigs, Juan Mayr Maldonado und Pia Castro erörtern, wie die Inhalte des Friedensschlusses umgesetzt werden können

HSS

Umsetzung des Friedensabkommens mit der FARC

Der Weg der Regierung Santos ist zweifelsohne richtig, aber lang und steinig. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

  •  Wird der kolumbianischen Gesellschaft die Umsetzung des Friedensvertrages mit der FARC gelingen?

  • Wird man auch demnächst mit der ELN (Ejército de Liberación Nacional), der im Vergleich zur FARC kleineren Guerilla, zu einem Friedensschluss kommen?

Mitte November 2017 führte die Hanns-Seidel-Stiftung in Kooperation mit der Botschaft der Republik Kolumbien in Berlin eine Tagung durch. Hier diskutierten Juan Mayr Maldonado, Mitglied der mit der ELN verhandelnden Gruppe der kolumbianischen Regierung, und Tom Koenigs, Beauftragter des Bundesaußenministers zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien. Die Konferenz moderierte Pia Castro, eine argentinische Journalistin, die für die Deutsche Welle tätig ist. Mehr als 80 überaus kompetente und diskussionsfreudige Teilnehmer erfuhren im Wesentlichen Folgendes:

Die FARC-Guerilleros haben bereits, wie im Friedensvertrag vorgesehen, ihre Waffen abgegeben. Sie unterliegen nicht der normalen, sondern einer speziellen Gerichtsbarkeit (Jurisdicción Especial para la Paz), die sich an internationalem Recht orientiert. Sofern sie ihre Verbrechen gestehen, können sie in der Regel mit vergleichsweise milden Strafen rechnen. Mindestens 30.000 derartige Fälle sollen vor Gericht verhandelt werden. Die sogenannte Übergangsjustiz muss unter anderem auch vom kolumbianischen Kongress gebilligt werden und das ist zumindest bis jetzt noch nicht sicher.

Die während des bewaffneten Konflikts aus ihren Dörfern Vertriebenen sollen dorthin zurückgeführt, die FARC-Kämpfer in die kolumbianische Gesellschaft integriert werden. Die Gefahr, dass sich Guerilleros in signifikanter Anzahl dem Frieden versagen und weiterkämpfen, wird im Vergleich zu ähnlichen Friedensprozessen in anderen Ländern als gering eingeschätzt.

Mittlerweile konvertierte die FARC zu einer politischen Bewegung mit dem Namen Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común (FARC). Im Friedensvertrag wurden der Bewegung für die nächsten zwei Legislaturperioden fünf Sitze im Senat und fünf Sitze im Repräsentantenhaus zugebilligt.
Da die traditionellen kolumbianischen Parteien viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben, ist damit zu rechnen, dass die politische Bewegung FARC auch langfristig in beiden Kammern des kolumbianischen Kongresses vertreten sein wird. Stimmen statt Kugeln (balas por votos) lautet die Devise.

Prof. Dr. Klaus Binder, Leiter des Referatsleiter Lateinamerika (HSS), Tom Koenigs und Juan Mayr Maldonado sprechen über die Entwicklung in Lateinamerika

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HSS

Verhandlungen mit der ELN

Die kolumbianische Regierung führt in Quito nun auch Friedensgespräche mit der ELN. Dass es der ELN mit dem Frieden ernst ist, kann man daran erkennen, dass sie ihre Geiseln sukzessive freiließ. Außerdem bat sie um Verzeihung für das von ihr verursachte Massaker von Machuca, bei dem etwa 80 Menschen ihr Leben ließen.
Andererseits stellt sich die Frage, wer für die jüngsten Morde an sozialen Führern und Menschenrechtsaktivisten verantwortlich zeichnet.

Sollten die Zugeständnisse an die FARC im Friedensvertrag nicht umgesetzt werden, ist ein Scheitern der Friedensgespräche mit der ELN vorprogrammiert. Von der Regierung Santos wurden die haushalttechnischen Voraussetzungen geschaffen, damit auch spätere Regierungen den Friedenprozess fortsetzen können. Der ehemalige Präsident Álvaro Uribe und seine Oppositionspartei Centro Democrático zählen zu den stärksten Kritikern der Friedenspolitik von Santos. Uribe droht, alles in seiner Macht Stehende unternehmen zu wollen, um den Friedensprozess scheitern zu lassen.

Engagiert und fachkundig diskutierten die Konferenzteilnehmer über die Perspektiven in Kolumbien

Engagiert und fachkundig diskutierten die Konferenzteilnehmer über die Perspektiven in Kolumbien

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Einfluss von Kirche und Universitäten

Die katholische Kirche spielt im kolumbianischen Friedensprozess eine tragende Rolle. Beispielsweise setzt sich der Jesuitenpater Francisco De Roux ein für den Frieden mit den FARC.
Die ELN forderte, die katholische Kirche möge sich doch an den Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung beteiligen. Neben der katholischen Kirche sind aber auch die Universitäten für den Aufbau einer friedvollen Gesellschaft von großer Bedeutung. Auch bleibt Kolumbien bezüglich des Friedensprozesses auf die Mithilfe der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen.

Autor: Prof. Dr. Klaus Binder