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Die zukünftigen ökonomischen Herausforderungen Deutschlands
Deutschland vor der Wahl – Was ist zu tun?

Wie ist die ausgehende Legislaturperiode in Hinsicht auf die Wirtschaftspolitik zu bewerten? Welche Prioritäten ergeben sich hieraus für die Bundespolitik nach der Wahl im Herbst 2017? Reagieren wir auf die Digitalisierung oder gestalten wir sie?

Gemeinsam mit dem Wirtschaftsbeirat Bayern e.V. lud das Hauptstadtbüro der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. zu einem Hintergrundgespräch mit dem erfahrenen Wirtschaftspolitiker und ehemaligen Staatsminister Dr. Otto Wiesheu, Präsident des Wirtschaftsbeirates Bayern, um diese und weitere Fragen zu erörtern. Geleitet wurde die Diskussion von Dr. Knut Bergmann, Leiter Kommunikation und Hauptstadtbüro, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. In seiner Keynote betonte Wiesheu zunächst, dass die aktuell gute wirtschaftliche Lage in Deutschland – ablesbar an der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der belebten Konjunktur – nicht als selbstverständlich gelten dürfe. Aufgabe der Wirtschaftspolitik sei es weiterhin, die Weichen für ein stabiles Wirtschaftswachstum zu stellen. Hierbei sei es von zentraler Bedeutung, den Wettbewerb national und international zu fördern sowie Innovationen voranzutreiben. Rückblickend auf die Koalitionsregierung der letzten vier Jahre stellte Wiesheu fest, dass die Ziele des Koalitionsvertrages im Bereich der Wirtschaftspolitik, im Vergleich zur Sozialpolitik, nur unzureichend umgesetzt worden seien. Ein Hinweis dafür, dass Deutschland sich nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen könne.

Dr. Otto Wiesheu: Digitalisierung 4.0, Infrastruktur und Datenschutz gehören zu den ökonomischen Herausforderungen für Deutschland.

Dr. Otto Wiesheu: Digitalisierung 4.0, Infrastruktur und Datenschutz gehören zu den ökonomischen Herausforderungen für Deutschland.

HSS

Neue Herausforderungen erkennen

Laut des Präsidenten des Wirtschaftsbeirates Bayern zählen die Themen Digitalisierung 4.0, Infrastruktur, Datenschutz, Steuern sowie Industrie und Energie zu den größten ökonomischen Herausforderungen Deutschlands. Bei seinen Ausführungen wurde deutlich, dass diese Bereiche oftmals eng miteinander zusammenhingen. Zum Beispiel sei ein guter Infrastrukturausbau unumgänglich, um erfolgreich dem Trend der Digitalisierung folgen zu können, so Wiesheu. In diesem Kontext sehe er Nachholbedarf, vor allem wenn es um den Breitbandausbau gehe. Beim Thema Datenschutz wies Wiesheu auf die Problematik hin, dass Unternehmen ihnen nützliche Daten oftmals nicht verwenden dürften. Dies sei ein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit. Eine weitere Herausforderung, insbesondere für die Industrie, ergebe sich aus der Tatsache, dass es seit Jahren weniger Investitionen als Abschreibungen gebe. Wiesheu sprach in diesem Kontext gar von der vermeintlichen Gefahr einer schleichenden De-Industrialisierung. Hinzu komme die schlechte Planbarkeit für deutsche Unternehmen vor dem Hintergrund der Energiewende. Die zu erwartende Versorgungslücke bei gleichzeitig steigendem Energiebedarf, vorangetrieben durch zunehmende Elektromobilität, stelle den Energiesektor und die Energiepolitik vor neue Herausforderungen, so Wiesheu.

Alexander Radwan, Otto Wiesheu, Alexander Wolf, Knut Bergmann

Alexander Radwan, Otto Wiesheu, Alexander Wolf, Knut Bergmann

HSS

Handlungsempfehlungen – Klug entscheiden in der Steuerpolitik

„Mit Steuerpolitik können Wahlen gewonnen werden, denn die Leute und Mittelständler denken vorausschauend“, unterstrich Wiesheu die Bedeutung von Steuerthemen für den Wahlkampf. Als einen wichtigen Schritt in Richtung bessere Steuerpolitik halte es Wiesheu für notwendig, die kalte Progression und damit steuerliche Mehrbelastungen durch einen nicht an die Preissteigerung angepassten Steuertarif abzuschaffen. Daneben könne ein sukzessiver Abbau des Solidaritätszuschlags einen weiteren Beitrag zur Steuersenkung leisten. Dr. Wiesheu sprach sich außerdem für die degressive AfA („Absetzung für Abnutzung“) aus, um Unternehmen zu unterstützen und damit Investitionen anzuregen. Bei der degressiven AfA handelt es sich um eine Abschreibungsmethode, bei der sich die Abschreibungsbeiträge über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes verringern. Auch sei die Bekämpfung „aggressiver Steuerplanung“ von Unternehmen eine notwendige Maßnahme. Die Steuerparadiese mitten in Europa schüfen keinen Steuerwettbewerb, sondern leisteten vielmehr Beihilfe zur Steuervermeidung, kritisierte Wiesheu. Zuletzt verwies er auf die positiven Impulse, welche durch eine Verbesserung steuerlicher Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung möglich wären.

Von Bayern lernen?

In der Diskussionsrunde regte Bergmann unter anderem an, einen genaueren Blick auf Bayern zu richten: Woran liege es, dass deutschlandweit die meisten Patentanmeldungen aus Bayern kommen? Und welche Rolle könnte die ausgeprägte Traditionspflege im Kontext wirtschaftlicher Entwicklungen spielen? Das Innovationsgeschehen in Bayern schrieb Dr. Wiesheu in großem Maße der Wissenschaft und der daraus gewachsenen Kreativität zu. Bayern sei im Bereich Technik sehr gut aufgestellt. Die TU München mit ihren heute 39.000 Studierenden genieße einen hervorragenden Ruf. Die Vernetzung von Universitäten und Betrieben sei gezielt voran getrieben worden. Des Weiteren werde in Bayern dafür Sorge getragen, dass Unternehmertum in der Politik ein hohes Ansehen genieße. Das, so Wiesheu, steigere die Motivation der Unternehmen. Hierzu habe auch der Wirtschaftsbeirat Bayern beigetragen, der als Ansprechpartner für den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft fungiere.

Für die Unionspolitik empfehle er daher, konkrete wirtschaftspolitische Ziele zu formulieren. Investitionen in Hochschulen komme hierbei ein zentraler Stellenwert zu. Konkret empfahl Wiesheu, die Digitalisierung sowie Hightech-Neugründungen stärker voranzutreiben.

Die Veranstaltung schloss mit einem Fazit von Alexander Radwan, MdB, Vorsitzender des Forums Berlin des Wirtschaftsbeirates der Union. Mit Blick auf die Frage, was Deutschland zukünftig in Europa leisten müsse, kritisierte er die Angriffe der Opposition in Deutschland auf Emmanuel Macrons Reformprogramm als „falschen Weg“. Um die Herausforderungen angehen zu können, gelte es insbesondere konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Deutschen Wirtschaft zu ergreifen. Im Hinblick auf die aktuelle Lage innerhalb der EU und auf die neuesten Umfragen zur Bundestagswahl, die aktuell sechs Fraktionen bei sieben Parteien prognostizierten, schloss Radwan, dass Regieren und politische Kompromissfindung nicht leichter würden – ganz im Gegenteil.

Autorin: Paulina Conrad

Hauptstadtbüro
Dr. Alexander Wolf
Leiter
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