Bereits am Tag seiner Amtseinführung ließ der neue US-amerikanische Präsident Donald Trump keinen Zweifel daran aufkommen, dass er an seinem zentralen Wahlkampfthema als Ausgangspunkt seiner anvisierten Politik festhalten wolle: „America First“, also ein Ende des in seinen Augen voranschreitenden US-amerikanischen Niederganges durch eine Rückbesinnung auf Amerikas Kerninteressen und die nationale Sicherheit anstelle des bisher breitgefächerten internationalen Engagements. Diese fortdauernden nationalistischen und isolationistischen Töne des neuen Präsidenten beunruhigen vor allem Amerikas traditionelle Partner in Europa und Asien.
Aus diesem Anlass waren u.a. Dr. Hans Binnendijk von der Johns Hopkins University, Washington D.C., Dr. Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Politics, Washington, D.C., zusammen mit Prof. Dr. Koji Murata von der Doshisha University in Kyoto, sowie der japanische Generalkonsul Hidenao Yanagi und Dr. Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik im Konferenzzentrum der HSS in München zusammengekommen. Im Rahmen eines internationalen Experten-Workshops diskutierten sie mit Vertretern aus Wissenschaft, Medien und deutschen Think Tanks (u.a. die Stiftung Wissenschaft und Politik, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und das ifo Institut für Wirtschaftsforschung) die Frage, wie sich die internationale Gemeinschaft angesichts eines zunehmend selbstbezogenen Amerika neu orientieren könnte.
Im Zentrum der Diskussion standen einerseits die sicherheits- und verteidigungspolitischen Konsequenzen für Europa und Asien, andererseits mögliche wirtschafts- und fiskalpolitische Veränderungen unter Präsident Trump. Am Abend wurden die Ergebnisse des Workshops in einer öffentlichen Podiumsdiskussion zugänglich gemacht und mit dem Münchner Publikum erörtert. Bereits während des Wahlkampfes hatten Äußerungen Trumps bezüglich der NATO und der US-amerikanischen Schutzgarantien gegenüber asiatischen Staaten das Vertrauen in die langjährige sicherheitspolitische Zusammenarbeit auf Seiten der Verbündeten unterminiert. Zwar haben Trump und Angehörige seiner Administration zwischenzeitlich Aussagen (z.B. die NATO sei heutzutage obsolet) revidiert und ein Festhalten Washingtons an den bestehenden Allianzen versichert. Allerdings müssten sich die Bündnispartner nichtsdestoweniger darauf einstellen, dass sich die USA international weniger engagieren würden. Daher müsse man sich in Brüssel, Berlin und Tokio nach dem Wechsel im Weißen Haus mit Trumps außenpolitischen Grundsätzen auseinandersetzen: Trumps Weltbild ist von realistisch-hobbesianischer Natur und begreift die internationale Politik als Nullsummenspiel.
Er stellt den Nationalstaat ins Zentrum des außenpolitischen Handelns, weshalb er multilateralen Ansätzen mit Skepsis entgegensieht. Daher ist zu erwarten, dass Trump auf einen personalisierten Außenpolitikstil und bilaterale Verhandlungen zurückgreifen werde. Zudem lassen seine bisherigen Ausführungen auf keine großangelegte außenpolitische Strategie schließen. Vor dem Hintergrund der US-amerikanischen strategischen Überdehnung („strategic overstretch“), die bereits Präsident Obama zu mindern versuchte, definiert Donald Trump seinen Ansatz „America First“ bislang vor allem in Form von Arbeitsplätzen („job creation“) und dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Für die europäischen und asiatischen Partner hat dies zur Folge, mehr in die eigene Sicherheit und Verteidigung investieren und dem in Außenpolitik bislang unerfahrenen Präsidenten die Vorzüge der bisherigen Partnerschaften (z.B. geopolitische Einflussmöglichkeiten) näherzubringen zu müssen. Zudem müsse man gemeinsame Interessen und Betätigungsfelder identifizieren, in denen auch die USA auf Kooperation angewiesen sein könnten.
Gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung gebe es Anknüpfungspunkte. Obgleich auf die Kontinuität der US-amerikanischen Verteidigungspolitik verwiesen wurde, die auch Präsident Trump nicht ohne Weiteres radikal ändern kann, mahnten die Experten/innen an, dass sich die europäischen und asiatischen Länder darauf vorbereiten müssten, in etwaigen Konflikten der USA mit China oder Russland Stellung zu beziehen. Ähnlich wie im sicherheitspolitischen Bereich blicken Beobachter nervös auf Trumps wirtschafts- und fiskalpolitischen Programmpunkte, allen voran seine avisierte und durch Protektionismus gestützte Abkehr vom globalen Freihandel. Auch Handelsfragen betrachtet Trump durch die Nullsummenspiel-Brille. Demnach würde er in bilateralen Verhandlungsrunden auf zukünftige Abkommen abzielen, in denen die USA aufgrund ihres ökonomischen Gewichtes eine bessere Verhandlungsposition gegenüber kleineren Wirtschaftsmächten innehaben. So möchte Trump das bestehende Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada (NAFTA) neu verhandeln und gegebenenfalls aufkündigen. Amerikas Beteiligung an der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) hat er in einer seiner ersten Amtshandlungen bereits zurückgezogen. Auf EU-Seite wurden die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) indes auf Eis gelegt.
Obgleich die Experten/innen empfahlen, die weltwirtschaftliche Rolle der USA nicht nur an der Person Trump, sondern an den strukturellen Rahmenbedingungen zu bemessen, warnten sie auch vor den möglichen globalen Auswirkungen etwaiger Handelskriege, die die USA mit China austragen könnten. In geopolitischer Hinsicht könnte vor allem China von dem Vakuum im asiatisch-pazifischen Raum profitieren, das die USA mit ihrem Rückzug hinterlassen. Neben einer möglichen Beteiligung Chinas an TPP – die nicht zuletzt zu Chinas Eindämmung verhandelt wurde – ist Pekings Alternativangebot eines Handelsabkommens, die sogenannte „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP), bereits im Gespräch. Für Asien und die EU könnten sich demnach neue sowohl profitable als auch konfliktreiche Handelskonstellationen mit und gegenüber China ergeben.
Autorin: Andrea Rotter, HSS