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Mit Daten umgehen lernen
Entern oder Kentern?

Entern oder Kentern? Das war die Frage für die Stipendiaten auf dem diesjährigen Fachforum Medien vom 1. bis 3. September 2014 zum Thema „Journalismus zwischen den Wogen der Datenflut“. In Hamburg betraten sie das virtuelle Piratenschiff und segelten von der Community-Welt der sozialen Netzwerke zu den Büros des „Spiegels“ bis zum Dschungel der Datenjournalisten und Analytiker.

In Hamburg betraten die Stipendiaten der Hanns-Seidel-Stiftung das virtuelle Piratenschiff und segelten von der Community-Welt der sozialen Netzwerke zu den Büros des „Spiegels“ bis zum Dschungel der Datenjournalisten und Analytiker. Wie ein Journalist beruflich und auch privat mit seinen Daten und denen des Lesers umgehen sollte, erklärten erfahrene Referenten.

Im ersten Vortrag brachte die Promotionsstipendiatin Ines Drefs den Teilnehmern den Umgang mit Social Web-Kommentaren näher. Unter dem Titel „Overtrolled and underliked?“ stellte sie das Potenzial aber auch die Schwierigkeiten durch die Beteiligung der Nutzer auf Facebook, YouTube und Co. dar. In ihrer Promotion fand sie heraus, wie viel die sozialen Netzwerke für die klassischen Medien an Bedeutung gewinnen. Dieser Ausspielungskanal, um Nutzer zu erreichen, wird immer wichtiger. Vor allem die mobile Nutzung – Nachrichten übers Smartphone oder Tablet abzurufen – nimmt zu. Dort können sich Leser austauschen und das Thema weiterentwickeln. Der Journalist ist somit nicht mehr Gatekeeper, sondern Gatewatcher. Er beobachtet, wie sein Thema angenommen und diskutiert wird. Jeff Jarvis definierte das als „Process Journalism“ – es entsteht ein Prozess und Kontakt zum Leser. Wie soll der Journalist damit umgehen?

Schnell entstanden hitzige Diskussionen in der Runde: Sollten Journalisten die Kommentare zu ihren Artikel verfolgen, in sie eingreifen? Ines Drefs stellte ihre Analyse in Kooperation mit der Deutschen Welle vor. Einige erfahrende Journalisten seien genervt von den vielen negativen oder nicht konstruktiven Kommentaren, sie wollen sich nicht mit dem „Spielplatzzank“ auseinander setzen. Trotzdem ist es auch wichtig zu entscheiden, welche Kommentare erst einmal freigeschaltet werden dürfen. Das ergibt für die zuständigen Community-Journalisten oft eine Gratwanderung zwischen Moral und Meinungsfreiheit. Wie weit dürfen sie als Zensor über die Zensur des Lesers entscheiden, wie weit soll das Spiel der Meinungen seinen Lauf nehmen? Auch die Frage ob die Verwaltung der Kommentare von Maschinen übernommen werden sollte, führte zu weiterem Diskussionsstoff.

Besuch beim „Spiegel“

Isabel Küfer

Am nächsten Morgen stand ein ganz spezieller Anlegepunkt auf dem Forumsprogramm: Quadratisch, leuchtend und mit rotem Schriftzug an der Fassade stand der riesige Glasbau der „Spiegel“-Redaktion vor den Stipendiaten. Wirtschaftsredakteurin und Altstipendiatin Maria Marquart führte durch den Komplex in der Hamburger Hafencity und zeigte die beeindruckende Architektur. Im 13. Stock erzählte sie über ihren Alltag als Journalistin bei „Spiegel Online“ und beantwortete auch die Fragen der Stipendiaten. Sie sprach zudem die aktuellen Herausforderungen im Verlag, die Print- und Online-Redaktionen zusammenzubringen, an.

Im Anschluss hielt Spiegel-Redakteurin Christina Elmer einen Vortrag über ihre Arbeit als Datenjournalistin. Sie stellte einige Beispiel aus der Praxis vor, in denen sie aus Datensätzen wie zum Beispiel Wahlergebnissen, eine veranschaulichende Grafik mit hilfreichen Informationen für den Leser entwickelte. Sie ist (noch) die einzige Datenjournalistin beim Spiegel, was zeigt, dass dieses Feld noch viel Potenzial vorweist.

Am Nachmittag tauchten die Stipendiaten tiefer in das Thema Datenschutz und Verschlüsselungstechniken ein. Zeit Online-Journalist Patrick Beuth referierte über die digitale Selbstverteidigung im Netz. Er stellte die Gefahren und Hintergründe wie auch die Programme für den eigenen Schutz vor. Im anschließenden Workshop versendeten die Teilnehmer ihre ersten verschlüsselten E-Mails.

Am letzten Tag schloss Björn Wagner von Zeit Online mit seinem Vortrag über Audience Development das Programm des Fachforums Medien ab. Er präsentierte die Grundlagen der Werkzeuge im Online-Journalismus und erklärte, welche Klicks und Views seine Redaktion beeinflussen. Dabei stellte sich heraus, dass nicht mehr nur die Anzahl der Aufrufe entscheiden, sondern in Zukunft weitere Messgrößen wie Verweildauer oder Scroll-Verhalten gebraucht werden. Wagner zeigte, dass das ständige Austesten von Artikelformen oder Darstellungsweisen das Online-Geschäft ausmacht. Auch über die generelle Diskussion, ob Bezahl-Inhalte oder Free Content, tauschten sich die Stipendiaten mit ihrem Referenten aus.

Lisa Fritsch

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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