Im Fokus der US-Administration stehen Arbeisplätze, Wirtschaftswachstum und Investitionen. Den Weg dahin sieht sie in Deregulierungsmaßnahmen, einer besseren Infrastruktur und Steuererleichterungen für Unternehmen. Während Firmen mit Standorten in den USA gute Jahre auf sich zukommen sehen, ruft die Politik der US-Regierung auch viele Kritiker auf den Plan.
Ausländische Wirtschaftskreise in Washington werfen dem US-Präsidenten vor, dass er globale Wertschöpfungsketten missachte und somit einem falschen Verständnis von einem territorial definierten Produktionsstandort anhänge. Außerdem blende Donald Trump Investitionsströme aus, die in eine Handels- und Leistungsbilanz auch einfließen sollten, so die weitergehenden Einschätzungen. Er vermische voneinander getrennte Politikfelder, nämlich Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik:
China wird als Währungsmanipulator bezeichnet und illegaler Handelspraktiken bezichtigt, damit es nicht aus der internationalen Drohkulisse gegen Nordkorea ausschert, so das verbreitete Denken in Washington. Mexiko hält man den mangelnden Grenzschutz vor, um Zugeständnisse beim NAFTA-Abkommen zu erreichen. Die angedrohten hohen Importzölle für Stahl und Aluminium aus Deutschland werden im Kontext der deutschen Verteidigungsausgaben gesehen.
“In Amerika finanziert man die Idee, nicht wie in Deutschland den Erfolg“ (Daniel Andrich, Direktor der Representation of German Industry and Trade).
Insgesamt verlassen die USA zusehends das Leitbild offener Märkte und multilateraler Handelsabkommen. Trotz dieser schwierigen Gemengelage dürfe man aber nicht die Stärken der US-Wirtschaft aus den Augen verlieren, so die Experteneinschätzungen an der Deutschen Botschaft und beim Büro der Deutschen Industrie. Im Rahmen von Industrie 4.0 sind die USA bei Business-to-Business Anwendungen viel weiter und das Start-up Klima ist dynamischer.
Die zahlreichen Wechsel im außenpolitischen Team des Präsidenten sorgen für ständige Unruhe in der US-Außenpolitik. Beobachter klassifizierten die US-Politik mal als nationalistische America-First-Politik, mal als militärischen Unilateralismus, mal als Realismus mit Prinzipien, mal als Neo-Isolationismus.
Unabhängig davon stehe es außer Frage, so das übereinstimmende Fazit führender außenpolitischer Berater im Senat und Repräsentantenhaus, dass das primäre Ziel heute laute: Sicherheit zuerst / Safety First! Nordkorea und Iran seien die größten Bedrohungen Amerikas. Eigene Sicherheitsinteressen werde man nicht mehr in fremde Hände legen. Der Aggressivität des Mullah-Regimes im Iran müsse man dezidiert in Form eines neuen Abkommens oder eines neu verhandelten Abkommens entgegentreten. Die Hoffnungen auf eine strategische Partnerschaft mit Russland seien gleich null. Daher sei es ein No-Go für Amerikas Außenpolitiker, wenn sich Deutschland und Europa über North Stream II in eine noch größere Energieabhängigkeit von Russland begäben. Europas Initiativen zu mehr Effizienz in der Verteidigungspolitik werden in Amerika zwar grundsätzlich begrüßt, schließlich freue man sich in Washington über jedwede Art von Militärausgaben in Europa, PESCO (Permanent Structured Cooperation; Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik) dürfe aber nicht zu einer Abwendung von der NATO führen. Erst komme die NATO, dann die EU. Das gab man der deutschen Delegation im Kongress unmissverständlich zu verstehen.
Trotz aller Kritik an Deutschland: Deutschland ist für die USA ein besonderer Partner und eine besondere Führungsmacht. Nur unter Freunden könne man Meinungsverschiedenheiten so offen ansprechen. Auf diesen Hinweis legte man im US-Außenministerium wie im US-Innenministerium großen Wert.
In zahlreichen Round-Table-Runden mit führenden Experten beim Pew Research Center, beim International Republican Institute und bei der U.S. Association of Former Members of Congress wurde die aktuelle Lage in Amerika im Vorfeld der Midterm-Wahlen am 6.11. analysiert. Die allseits festgestellte Polarisierung in Politik und Gesellschaft ist eine seit den 1960-er Jahren spürbare Entwicklung. Für parteiübergreifende Zusammenarbeit bleibt immer weniger Raum. Die Midterm-Wahlen im November könnten zu deutlichen Gewinnen bei den Demokraten führen. Zwischen einem Repräsentantenhaus mit einer möglichen neuen demokratischen Mehrheit und einem republikanischen Präsidenten im Weißen Haus wird sich dann der politische Konflikt zuspitzen.
Neben der politischen Polarisierung sind auch die durch die Decke schießenden Wahlkampfkosten ein strukturelles Problem. Gegen den ständig wachsenden Fundraising-Druck auf die Kongressabgeordneten empfahl der langjährige frühere Kongressabgeordnete Bob Walker, dass die Parteien eine stärkere Rolle bei der Wahlkampffinanzierung übernehmen sollten. Aber allzu viel Hoffnung, dass diese Forderung umgesetzt wird, versprühte Bob Walker nicht.
„Amerika ist ein gespaltenes Land. Viele nahmen das Risiko Donald Trump in Kauf, damit es kein Weiter-so gibt“ (Jan Surotchak, Europa-Direktor des International Republican Institute).
Gegenstand vieler Gespräche war auch der grassierende Populismus. Die politische und wirtschaftliche Elite an der Westküste, an der Ostküste und in Washington hat häufig den Bezug zur Lebensrealität im Landesinneren verloren. Das Anti-Washington-Motiv war ein wesentlicher Faktor der Wahlentscheidung für Donald Trump. Es wäre daher zu kurz gegriffen, die Trump-Wähler als ungebildete Rassisten abzuqualifizieren. Vielmehr hätten sie eine bewusste Wahl gegen ein Weiter-so getroffen, denn mit Hillary Clinton wäre kein Wandel verbunden gewesen.
Die Zeichen in Washington stehen weiter auf Sturm. Die Demokraten wollen Trumps Impeachment auf die Agenda setzen, der Präsident arbeitet währenddessen auf seine Wiederwahl hin. Die Zerrissenheit des Landes zeigt sich an vielen Punkten. Manches entzieht sich einer eindeutigen Analyse. „Aber dank der Reise habe ich jetzt so manches besser verstanden“, so der EU-Parlamentsmitarbeiter Benjamin Bögel.
Autor: Christian Forstner, HSS