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Emmanuel oder Marine?
Frankreich vor der Stichwahl um den Elysée-Palast

Frankreich bestimmt sein neues Staatsoberhaupt. In der Stichwahl stehen sich der parteilose Emmanuel Macron und Marine Le Pen (Front National) gegenüber. Demoskopen sehen den 39-jährigen Macron im Vorteil. Obwohl dieser sich deutlich zu Brüssel bekenne, bleibe die konkrete Umsetzung seiner Politik derzeit noch eine „Blackbox“, so Markus Ferber (MdEP).

 

Emmanuel Macron: Sozial- und wirtschaftsliberaler Vositzender seiner Bewegung "En Marche". Auf Europaebene möchte er ein eigenes Parlament für die Eurozone mit eigenem Budget und Wirtschafts- und Finanzminister.

Emmanuel Macron: Sozial- und wirtschaftsliberaler Vositzender seiner Bewegung "En Marche". Auf Europaebene möchte er ein eigenes Parlament für die Eurozone mit eigenem Budget und Wirtschafts- und Finanzminister.

Copyleft; CCO; WikiCommons

Emmanuel Macrons Positionen zur Europa- und Außenpolitik

Das Wahlprogramm des ehemaligen Wirtschaftsministers hat eine klare pro-europäische Ausrichtung. Im Kern befürwortet Macron eine politische Stärkung der Euro-Zone. Dafür schlägt er zwei Maßnahmen vor. Zum einen möchte Macron für die Euro-Zone feste Institutionen schaffen. Dazu gehört für ihn ein Parlament mit Abgeordneten derjenigen 19 EU-Staaten, die den Euro als Gemeinschaftswährung nutzen. Außerdem sieht sein Programm für die Euro-Zone einen eigenen Wirtschafts- und Finanzminister vor, der die Aufgabe haben soll, die Steuer-, Sozial- und Energiepolitik zu koordinieren. Dieser Minister wäre nach der Vorstellung Macrons zudem ein Bindeglied zwischen der 19-köpfigen Euro-Gruppe und dem „ECOFIN“, also derjenigen Institution, welche die Wirtschafts- und Finanzminister aller 27 EU-Mitgliedsstaaten (ohne das Vereinte Königreich) umfasst. Zum anderen will Macron die Euro-Zone mit einem eigenen Haushalt ausstatten; das Budgetrecht würde beim neu zu schaffende Parlament liegen. Für die Umsetzung dieser Reformpläne kommt der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle zu. Macron möchte das gegenseitige Vertrauen zwischen Paris und Berlin festigen. Er möchte vermeiden, dass die Menschen in Deutschland das Gefühl haben, sie müssten „für alle zahlen“. Gleichzeitig nimmt der ehemalige Wirtschaftsminister die Perspektive vieler Franzosen ernst, die finden, dass Berlin die EU-Politik dominiert und in Brüssel seine eigenen Interessen zielstrebig durchsetzt.  Macron möchte den Schutz der EU-Außengrenzen verstärken und dafür ein ständiges Kontingent von 5.000 Grenzsoldaten bilden. Zudem spricht er sich für eine EU-Verteidigungspolitik aus. Er befürwortet harte Brexit-Verhandlungen; Zugeständnissen an London zu Lasten von Brüssel erteilt er eine Absage. Ferner sieht er die Aufnahme weiterer Staaten in die Europäische Union kritisch; die aktuellen Entwicklungen in der Türkei würden eine Fortführung der Beitrittsgespräche unmöglich machen. Macron fordert einen gemeinsamen EU-Energiemarkt. Was die Politik gegenüber Russland betrifft, so sollen die Sanktionen bestehen bleiben, solange das Minsker Abkommen nicht erfüllt ist.

Marine Le Pen: Die Rechtsanwältin ist seit 2004 Mitglied des Europaparlaments, steht aber für Euro- und Europaskepsis, Protektionismus sowie strikte Abschottung gegenüber Flüchtlingen.

Marine Le Pen: Die Rechtsanwältin ist seit 2004 Mitglied des Europaparlaments, steht aber für Euro- und Europaskepsis, Protektionismus sowie strikte Abschottung gegenüber Flüchtlingen.

LanNguyen; CCO; WikiCommons

Marine Le Pens Positionen zur Europa- und Außenpolitik

Die Bewerberin des Front National fordert das Ende der Europäischen Union als politisches bzw. juristisches Gemeinschaftswerk. An deren Stelle könnte allenfalls eine lockere Assoziation treten. Den Euro lehnt sie ab und möchte die Franzosen darüber abstimmen lassen, ob er weiterhin in Frankreich als Zahlungsmittel gelten soll. Die EU-Fahne will sie von öffentlichen Gebäuden entfernen; nur mehr die französische Trikolore soll dort hängen. In der internationalen Politik will Le Pen aktuelle Bündnisse lösen und neue knüpfen. Die französische NATO-Mitgliedschaft müsse überdacht werden.  Die Kandidatin, die nach dem ersten Wahlgang den Parteivorsitz, den sie seit 2011 inne hatte, überraschend niederlegte, strebt eine bedeutende Erhöhung des Verteidigungsbudgets an (auf 3,0% der französischen Staatsausgaben insgesamt; 2016: 2,3%). Die nationalen Grenzen will sie dauerhaft schließen. Waren aus (EU-)Staaten, demnach auch deutsche, möchte Le Pen mit hohen Einfuhrzöllen belegen, um französische Produkte zu bevorzugen. Für Deutschland hegt sie keine besondere Sympathie, im Gegenteil. Sie behauptet, Paris unterwerfe sich blind einer Politik, die in Berlin, Brüssel oder Washington gemacht werde. Überhaupt dominiere Deutschland die Europäische Union. Zur Finanzierung ihres Wahlkampfs erhielt sie von der russischen staatlichen Sberbank einen Kredit. Le Pen befürwortet eine strategische Annäherung an Russland. Sie unterstützt die Aufhebung der Sanktionen, die Brüssel 2014 in Folge der Krim-Annexion und der militärischen Einflussnahme Moskaus in der Ostukraine verhängt hat.

Bewertung

Selbst die geringe Möglichkeit eines Wahlsiegs von Marine Le Pen muss in Berlin große Besorgnis hervorrufen, gilt in Deutschland die Europäische Union als diejenige Errungenschaft, die dem Kontinent den Frieden gebracht hat. Stellungnahmen von der Bewerberin des Front National, die diese Einschätzung teilen, fehlen. Ganz im Gegensatz dazu stehen die Äußerungen von Emmanuel Macron. Er kündigt für den Falle seines Wahlsiegs an, seinen ersten Auslandsbesuch in Berlin zu absolvieren. Ob sich daraus tatsächlich ein dauerhafter europapolitischer Impuls, noch dazu basierend auf dem deutsch-französischen Tandem, ergibt, muss die Zukunft zeigen.  

So bezeichnet der Stv. Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung Markus Ferber das europapolitische Programm von Emmanuel Macron als eine „Blackbox“. Nach seiner Auffassung ist sehr unklar, wie sich Macrons pro-europäisches Bekenntnis in konkrete Politik übersetzen lässt. Darüber hinaus werde es für ihn sehr schwierig sein, große europapolitische Initiativen durchzusetzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, so die Prognose Ferbers, werde Macrons Bewegung „En Marche“ (deutsch: „Los geht’s!“) eine Parlamentsmehrheit bei den im Juni stattfinden Wahlen weit verfehlen, was die Handlungsspielräume eines Präsidenten Macron erheblich einschränken würde. Der CSU-Europaabgeordnete bringt seine Meinung auf den Punkt: „Dass ein Präsident Macron zum europapolitischen Impulsgeber wird, ist damit sehr unwahrscheinlich.“

Herzlichen Dank an Frau Sophie von Stralendorff für die Unterstützung bei der Erstellung des Beitrags.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter