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Digitalisierung in Bayern und den USA
Können wir da mithalten?

Die digitale Revolution erfasst alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche, von Social Media über private Bestellungen bis zum 3D-Druck und Industrie 4.0. Amerika setzt voll auf Big Data, Start-Ups schießen aus dem Boden, die Tech- und Online-Giganten wachsen weiter und ihren Gründern mitunter über den Kopf, wie Mark Zuckerberg bei seiner Anhörung vor dem Senat in Washington jetzt zugab. Aber auch bei uns geht es voran: Bayern kann im digitalen Wettbewerb gut mithalten. Solide Staatsfinanzen, hohe Ingenieurskunst und die eingeleitete digitale Offensive sind die besten Voraussetzungen, um die Chancen der digitalen Revolution zu nutzen.

Das Spektrum der digitalen Leistungsfähigkeit in Amerika ist breit. Großunternehmen wie Facebook und Amazon haben eine marktbeherrschende Stellung und sind Quasi-Monopolisten. Daneben schießen dank schneller Finanzierungsvarianten, unkomplizierter Genehmigungsverfahren und des sprichwörtlichen Unternehmergeistes der Amerikaner täglich tausende klein- und mittelständische Start-Ups aus dem Boden. Mit zahlreichen Vertretern großer und kleiner High-Tech- und New-Tech-Unternehmen traf sich der Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags in San Francisco, im Silicon Valley und in New York.

 

Zwei Handys, halb durchsichtig, vor dem verfremdeten Bild zweier Städte, die sich durch Technologie näher kommen.

Bayern muss sich nicht verstecken: Eine wachsende digitale Startup-Szene, ein starker Mittelstand mitten im digitalen Wandel und Großunternehmen auf der Höhe der technischen Entwicklung ergänzen klassische Standortvorteile wie moderne Industriebetriebe, hochqualifizierte Arbeitskräfte und das duale Ausbildungssystem.

geralt; CC0; pixabay

“Die Musik der Zukunft spielt in Amerika“, so der Ausschussvorsitzende Erwin Huber nach fünf Tagen intensiver Meetings an der West- und Ostküste. „Doch Bayern braucht sich nicht zu verstecken“, ergänzte optimistisch der CSU-Generalsekretär und Digitalexperte Markus Blume. Denn in Industrie, Ingenieurskunst und dualer Ausbildung setze Bayern den globalen Maßstab.

Experten-Roundtable zu Wirtschaft und Handel

Die Plätze beim Experten-Roundtable des Bayernbüros in New York und der Hanns-Seidel-Stiftung waren voll besetzt, als Erwin Huber den Weg Bayerns vom rückständigen Agrarstaat zum heutigen Vorzeigeland für moderne Industrien und Dienstleistungen skizzierte. Mit einer Exportquote von 50% an der Produktion liege es auf der Hand, dass Bayerns Wohlstand von offenen Märkten abhänge, so der frühere Wirtschafts- und Finanzminister. Die imposanten Wachstumszahlen Bayerns hingen auch mit den gesunden öffentlichen Finanzen zusammen. Nur durch die richtige Balance aus privaten und staatlichen Investitionen werde man die technologische Revolution erfolgreich gestalten. Markus Blume führte die New Yorker Gäste in die Details der digitalen Offensive Bayerns ein. Maßgebliche Pfeiler seien das „Zentrum Digitalisierung.Bayern“ mit der Schaffung von 20 Lehrstühlen an Hochschulen, der Innovations- und Wachstumsfonds zur Unterstützung von Start-Ups und der Breitbandausbau.

Erwin Huber, schon älter und mit schütterem Haar, lacht ausgelassen, an einem Tisch sitzend. In der Hand ein Mikro.

Der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber (Mitte) sieht Deutschland und Bayern als Partner der USA, nicht nur bei der Digitalisierung.

HSS

Über 6 Milliarden Euro würden in den nächsten Jahren in die digitale Modernisierung fließen, um die europäische Spitzenstellung Bayerns zu halten. Die industrielle Stärke Bayerns sei die ideale Ausgangsposition, um im Rahmen von Industrie 4.0 die Chancen der digitalen Revolution für mehr Arbeitsplätze, optimale Arbeitsbedingungen und höhere Produktivität zu nutzen. In Amerika hingegen verzeichne man die Tendenz, dass durch die digitalen Veränderungen wie beim Autofahren, bei der Hotelbuchung, bei der Taxibestellung oder im Mediensektor neue Plattformen mit marktbeherrschender und marktverdrängender Macht entstünden.

Ideal sei es, wenn deutsche Ingenieurskunst sich mit Amerikas digitaler Power verbinde. Allerdings sei derzeit solch eine transatlantische Win-Win-Situation nicht absehbar. Vielmehr unterziehe US-Präsident Donald Trump die deutsch-amerikanischen Beziehungen einem Härtetest. Er differenziere nicht zwischen Partnern und Gegnern, ignoriere die überragende Bedeutung Deutschlands als US-Truppenstationierungsplatz und blende die gemeinsame Werte- und Interessenbasis aus.

Skyline von ... Shanghai?... hohe Türme, Wolkenkratzer und ein spektakulärer Fernsehturm hinter einem Wasser.

Garantieren die USA fortan nicht mehr den freien, regelbasierten Welthandel, würde das China den Raum geben, sich als internationale Führungsmacht für Freihandel und offene Märkte zu positionieren.

Red_Raccoon; CC0; Pixabay

Spannungen in der Handelspolitik

Die Spannungen in der Handelspolitik illustrierte Peter Rashish, Direktor für globale Wirtschaftsfragen beim American Center for Contemporary German Studies. Während die USA über Jahrzehnte eine regelbasierte globale Handelspolitik angestrebt und sich zusammen mit Europa konstruktive Freihandelsabkommen zum Ziel gesetzt hätten, rückten wesentliche Teile der Trump-Administration zusehends vom Leitbild offener Märkte ab.

Die Gründe für diese Abkehr seien vielfältiger Natur, wie Peter Rashish ausführte. Das handelspolitische Weltbild in weiten Kreisen Washingtons sei geprägt von Wettbewerb, nicht von Kooperation. Im Weißen Haus sei man der Überzeugung, dass die WTO kein stabiler Rahmen für die Handelspolitik sei, da dort die Handelsprobleme mit China nicht angesprochen, geschweige denn gelöst würden. Und in den Augen des US-Präsidenten seien durch Globalisierung und internationale Wertschöpfungsketten viele Leute in Amerika marginalisiert und wirtschaftlich zurückgelassen worden.

Russisches Kriegerdenkmal

Was geschieht, sollten die USA ihre Rolle als Schutzmacht einer wertebasierten internationalen Ordnung aufgeben? Russland könnte versuchen, in die Lücke zu stoßen.

Arcaion; CC0; Pixabay

Mit dem Wahlsieg Donald Trumps wurden jedenfalls die Sorgenfalten im transatlantischen Verhältnis nicht kleiner. Aus den Gesprächen mit Top-Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik in New York nahm die bayerische Delegation mit, dass Einschätzungen zu Amerika heute im höchsten Maße ambivalent sind. Den positiven Effekten der Steuerreform stehen das wachsende Haushaltsdefizit und die Inflationsrisiken gegenüber. Insgesamt steigt aber das Vertrauen der Wirtschaft und der Privathaushalte, so dass von einer positiven Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren ausgegangen werden kann.

Donald Trump: lokales Erdbeben oder Paradigmenwechsel?

Politisch ist die große Frage, ob die Präsidentschaft von Donald Trump ein begrenztes politisches Erdbeben ist. Oder ob Donald Trump und erst recht nach seiner durchaus realistischen Wiederwahl einen Paradigmenwechsel weg von einer normenbasierten globalen Ordnungspolitik hin zu einem militärischen Unilateralismus und nationaler Interessenpolitik einleitet. Wenn Trump mit seinem konfrontativen erpresserischen Politikstil Erfolg hat - und einige Deals deuten ja schon darauf hin -, könnten andere Länder folgen mit der Konsequenz einer globalen Welle zur Schwächung internationaler Organisationen. Das würde dann China den Raum öffnen, um sich als internationale Führungsmacht für Freihandel und offene Märkte zu positionieren. Und in die Lücke transatlantischer Risse in der Sicherheitspartnerschaft würde Russland stoßen.

Die Gefahr ist groß, der Ausgang offen.

 

Autor: Christian Forstner, HSS