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Dr. Hopp aus Cham berichtet
Landtagsabgeordnete in besonderen Zeiten

Wie verändert die Corona-Krise die Arbeit der Bayerischen Landtagsabgeordneten? Ausschussarbeit in der Videoschalte, Bürgersprechstunden am Telefon und der diffizile Umgang mit Fundamentalkritik: Einblicke in die Arbeit des Landesparlaments.

Die Corona-Pandemie verändert viel – natürlich auch die Arbeit der Bayerischen Landtagsabgeordneten. Sie müssen einschneidende Entscheidungen treffen für Leute und Land, gerade weil der lebendige Föderalismus den einzelnen Bundesländern große Regelungsspielräume gibt. Regelungsspielräume, die Bayern bisher sehr gut ausgefüllt hat.

Den Bürgerinnen und Bürgern stehen die Abgeordneten als ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter bei diversen An- und Nachfragen Rede und Antwort. Und das Informationsbedürfnis ist groß, viel größer als sonst. Die Abgeordneten müssen sich auch selber auf völlig veränderte Arbeitsbedingungen einstellen: keine Plenarsitzungen mit allen Landtagsabgeordneten mehr, Ausschüsse mit digitaler Fernteilnahme, keine kurzen persönlichen Absprachen und Sachverhaltsklärungen mehr, keine Großveranstaltungen und öffentlichen Auftritte vor Ort und mit großem Publikum.

Wir haben den Landtagsabgeordneten Dr. Gerhard Hopp aus dem Stimmkreis Cham gefragt, wie er die Zeiten der Corona-Krise selber erlebt.

Ein telefonierender Mann an seinem überfüllten Schreibtisch. Geschäftige Atmosphäre.

Dr. Gerhard Hopp, ist seit 2013 Mitglied des Landtags, u.a. Mitglied des Präsidiums und des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie des Medienrates. Außerdem ist er Vorsitzender der Jungen Gruppe der CSU-Landtagsfraktion.

Dr. Gerhard Hopp

HSS: Sehr geehrter Herr Dr. Hopp, mal ganz generell am Anfang: Wie geht es einem Abgeordneten in der Corona-Krise?

Dr. Gerhard Hopp: Die Arbeit ist in den letzten Monaten natürlich auch bei uns von den besonderen Herausforderungen der Pandemie geprägt. Reihen sich in normalen Zeiten Veranstaltungen, Absprachen und Termine nahtlos aneinander, so musste auch unsere Arbeit als Abgeordnete im Parlament ganz neu organisiert werden. Im Präsidium des Landtages haben wir uns aber ganz früh darüber unterhalten, wie wir die Handlungsfähigkeit des Parlaments auch in Corona-Zeiten aufrechterhalten können. Für Vollversammlungen und Ausschüsse wurden Regelungen mit den Fraktionen getroffen, dass mit reduzierter Anzahl der Abgeordneten getagt werden kann beispielsweise. Auch bei den Ausschüssen wurden Regelungen getroffen. Die Aufmerksamkeit richtet sich in Krisenzeiten zwar naturgemäß stärker auf die Regierung, das Parlament tagt und arbeitet aber weiterhin fleißig. Vieles konnte beispielsweise mit neuen Medien sogar besser, schneller und zielgerichteter organisiert werden. So können Arbeitskreise vieles mit Videokonferenzen klären und wir haben sogar die Möglichkeit geschaffen, dass Kollegen zu Ausschuss- oder Präsidiumssitzungen virtuell zugeschaltet werden können. Das klappt sehr gut.

HSS: Wenn die Ausschüsse mit weniger Ausschussmitgliedern besetzt sind – sind da auch in diesen besonderen Zeiten die entsprechenden Kräfteverhältnisse im Landtag, zu beachten?

Ja, das war ein wichtiger Punkt, dass sich die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse auch in den Ausschüssen und im Plenum wiederspiegeln bzw. von den Fraktionen akzeptiert werden. In Krisenzeiten ist so Handlungsfähigkeit im Parlament und notwendige Diskussion möglich. Das klappt sowohl im Ausschuss als auch bei den Plenarsitzungen sehr gut. So sind beispielsweise bei Sitzungen, die haushaltspolitische Fragen betreffen, zu großen Teilen auch die Fachpolitiker vertreten. Unsere Fraktion achtet aber auch darauf, dass selbstverständlich jeder Kollege oder jede Kollegin an den Sitzungen teilnehmen kann, wenn er oder sie es wünscht.

HSS: Die Arbeit ist jedenfalls nicht weniger geworden, oder?

Es ist in vielen Fällen anders als vor der Krise, aber bei weitem nicht weniger. Viele Punkte der Krisenbewältigung müssen geklärt, vorbereitet und entschieden werden. Beispielsweise im Haushaltsausschuss des Landtages, in dem ich Mitglied bin. Der Staat schultert einen noch nie da gewesenen Kraftakt, um sowohl die Gesundheit als auch die Wirtschaft zu bewahren. Da waren und sind intensive Sitzungen notwendig. Im Stimmkreis ist man zwar weniger "draußen" unterwegs, aber umso mehr telefonisch und per Videokonferenz gefordert. Umso schöner ist es natürlich auch für uns Abgeordnete, wenn mit den Lockerungen der Maßnahmen auch wieder vor Ort-Termine möglich werden. Auch die kommunalen Gremien wie die Kreistage, in denen ja alle von uns auch Mitglied sind, haben ihre Arbeit aufgenommen und sich konstituiert. Demokratie lebt auch und gerade in Krisenzeiten, wie es Landtagspräsidentin Ilse Aigner so treffend formuliert hat.

Hopp im Anzug allerdings ohne Krawatte aber mit Mund-Nasenschutz auf seinem Platz im Bayerischen Landesparlament

"Der Staat schultert einen noch nie da gewesenen Kraftakt, um sowohl die Gesundheit als auch die Wirtschaft zu bewahren." (Dr. Gerhard Hopp, MdL, im Bayerischen Landtag)

Dr. Gerhard Hopp

HSS: Wie erfolgt denn derzeit der Kontakt mit den Menschen?

Auch in normalen Zeiten ist es so, dass ein großer Teil der Arbeit als Stimmkreisabgeordneter nicht im Plenum des Parlaments stattfindet, sondern viele Gespräche und Termine vor Ort im Landkreis erfolgen, bei denen Anliegen diskutiert werden oder Themen bearbeitet werden. Jeder Stimmkreisabgeordneter ist ja quasi für alle Themen in der eigenen Region erster Ansprechpartner und kümmert sich. Dieser ständige Austausch ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit, bei dem ich absolut merke, dass die Menschen Vertrauen und Hoffnung in "ihren" Abgeordneten setzen. Seit dem ersten Tag im Bayerischen Landtag bzw. streng genommen schon vorher im Wahlkampf 2013 habe ich mit meinem "Ideenrucksack" vor Ort und online darauf gesetzt, mit regelmäßigen persönlichen Sprechstunden im ganzen Landkreis, in allen 39 Gemeinden im Landkreis Cham, immer ein Angebot zu machen, direkt zu mir zu kommen. Dieses offene Ohr will ich auch und gerade in diesen Zeiten weiterhin anbieten. Da es in den letzten Monaten ja leider weniger mit persönlicher Präsenz vor Ort ging, habe ich wöchentliche Telefonsprechstunden gemacht, die total gut angenommen wurden. Man könnte auch sagen, die Menschen im Landkreis waren es gewohnt, mich bei Sprechstunden zu treffen. Und jetzt macht man es halt per Telefon oder Online-Schalte.

HSS: Welche Anliegen werden da an Sie herangetragen?

Das ist ganz unterschiedlich. Aber man kann schon sagen, dass in den ersten Wochen der Krise viele Einzelfragen zu den Ausgangsbeschränkungen und zu den damals ja noch ganz neu aufgelegten staatlichen Hilfsprogrammen bei mir ankamen. Da konnte man schnell informieren, aufklären und in manchen Fällen auch direkt helfen. Die Antragsmodalitäten haben sich ja immer wieder etwas geändert und da hat der kurze Draht in die Ministerien gut geholfen, um zeitnah aktuelle Infos geben zu können.

HSS: Was bewegt die Menschen besonders?

Mich hat tief beeindruckt, wie solidarisch und diszipliniert die Menschen die Maßnahmen, die leider notwendig waren, mitgetragen haben. Alle haben gerade nach den Bildern von Italien oder Frankreich verstanden, dass gehandelt werden und das öffentliche Leben über eine gewisse Zeit eingeschränkt werden muss, um die Pandemie einzugrenzen. Das ist uns in Deutschland wirklich hervorragend gelungen, dank der Solidarität der Menschen. Je länger die Maßnahmen andauerten, umso mehr habe ich gespürt, dass es ganz wichtig bleibt, permanent über den aktuellen Stand zu informieren und auch bereit zu sein zu diskutieren. Natürlich gibt es Nachfragen zur einen oder anderen Maßnahme. Aber Demokratie darf auch in Krisenzeiten keine Pause machen, sondern wir müssen unterschiedliche Meinungen aushalten und auch ausdiskutieren. Daher habe ich das Gespräch auch gezielt gesucht und auch kritische Maßnahmen beispielsweise von Impfgegnern beantwortet und mich gestellt. Wichtig finde ich auch zu sagen, dass nicht nur Corona die Menschen beschäftigt. Anfragen bezogen sich beispielsweise auch auf Umweltschutz, Hilfen bei der Rentenversicherung oder ganz konkret zum Ehrenamt. Hier freut es mich, wenn man immer wieder direkt helfen kann, beispielsweise mit der Vermittlung von Spenden an die Tafeln, die nicht nur derzeit eine ganz, ganz wertvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten.

HSS: Apropos Impfgegner. Wie sehen Sie die aktuellen Proteste und die Stimmung?

Wir erleben ja nicht erst seit Corona, dass von verschiedener Seite mit Desinformation und Fake News gearbeitet wird, um Europa und Deutschland zu beeinflussen oder gar zu destabilisieren. Meine Erfahrung ist, dass hier vor allem das Gespräch und die permanente Diskussion helfen. Genauso wichtig ist, auf Medien- und Informationskompetenz hinzuarbeiten. Wir alle müssen kritisch hinterfragen. Das gilt selbstverständlich für die Regierung, die wir als Parlament ja kontrollieren. Aber das gilt mindestens genauso auch für diejenigen, die die Gesellschaft mit allzu einfachen Botschaften oder gefährlichen Halbwahrheiten spalten wollen. Das bleibt eine Daueraufgabe, der wir uns stellen müssen.

HSS: Als Haushaltspolitiker – die Wirtschaft leidet gewaltig unter der Krise. Das hat auch Auswirkungen auf den Haushalt. Einerseits gut, dass Bayern seit Jahren einen ausgeglichenen Haushalt hat, der gerade jetzt Spielräume eröffnet. Von der sogenannten „Schwarzen Null“ werden wir uns aber verabschieden können, oder?

Man sieht jetzt in der Krise, wie wichtig es war, dass wir in Deutschland und in Bayern ganz besonders auf gute Haushaltspolitik geachtet haben. Dadurch haben wir jetzt die Möglichkeiten, kraftvoll dagegen zu halten und in der Wirtschaftskrise mit Konjunkturprogrammen dagegenzuhalten. Dennoch warne ich als Haushaltspolitiker und dazu als Vertreter der jüngeren Generation davor, eine Vollversorgungs- oder gar Vollkaskomentalität zu haben. Der Staat kann, insbesondere bei sinkenden Steuereinnahmen, gar nicht alle Einnahmeausfälle auf Dauer ausgleichen. Daher ist nach meiner Überzeugung bei aller Notwendigkeit der Rettungsschirme genau abzuwägen, wo wir in die Zukunft investieren. Und das ist besonders Innovation, Bildung und Wissenschaft. Hier muss ein Schwerpunkt in der Zukunft sein. Und dann ist das auch gut angelegtes Geld, selbst wenn die „Schwarze Null“ derzeit nicht in Sicht ist.

HSS: Gerade Corona hat dazu geführt, dass digitale Kommunikationswege, Medien und Formate wie z.B. Webinare und „Homeschooling“ noch einmal an Fahrt aufgenommen haben. Was einerseits gut und richtig ist, birgt aber auch Gefahren. Gerade als Chef der Jungen Gruppe der CSU-Landtagsfraktion: Die Welt ist nicht nur digital, sondern auch real, oder? Aber in den Sommerferien werden wohl viele Zeltlager, (Sport-)Camps und Ferienfreizeiten ausfallen. Haben Sie einen Rat für die Jugendlichen?

Für Kinder und Jugendliche war es eine besonders schwere Zeit jetzt. Während Berufstätige doch in der einen oder anderen Form soziale Kontakte hatten, war dies immer stärker eingeschränkt, je jünger man war. Die Lockerungen, die es jetzt gibt, waren daher auch unter diesem Aspekt notwendig. Ich bin daher froh, dass es wieder Unterricht gibt – auch real und nicht ausschließlich digital. Auch der Sport hat wieder vorsichtig an Fahrt aufgenommen. Ich hoffe, dass wir hier im Sommer ein Stück weiter sein können. Alle Maßnahmen und Lockerungen müssen unter dem Vorbehalt der Entwicklung der Pandemie stehen. Dies wird uns begleiten, bis ein Impfstoff gefunden ist. Ich hoffe aber auch, dass Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Familien die Möglichkeiten nutzen können, die es gibt. Sich also auch virtuell verabreden und austauchen, aber nicht nur. Sich treffen, Sport treiben und Ausflüge machen. Aber eben nicht in der ganz großen Gruppe, sondern in kleinerer Zahl. Aber dennoch will ich Mut machen. Auch mit Vorsicht und Zurückhaltung ist Kontakt möglich, kann in kleineren Gruppen Sport betrieben und Spaß gehabt werden. Die Freude darf und wird uns nicht verloren gehen. Dafür ist unsere Gesellschaft viel zu stark, da bin ich sicher.

HSS: Letzte Frage: Wie geht es Ihnen denn persönlich in diesen Krisenzeiten?

Als Familienvater mit zwei Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter kann man viele Sorgen der Familien sehr gut nachvollziehen und erlebt auch selbst, wie der Spagat zwischen Familie und Beruf mit Corona aussieht. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen und haben als Politik die Aufgabe, nicht nur die Bewältigung von Corona jetzt, sondern auch das Leben "mit" Corona in den nächsten Monaten und die Perspektive für danach im Blick zu haben. Gerade für unsere Kinder, denen wir ja auch ein Land mit Zukunft und nicht nur mit hohen Schulden hinterlassen wollen. Das motiviert und treibt an, ebenso wie das kollegiale Miteinander in der Landtagsfraktion, die in diesen schwierigen Zeiten gut zusammenhält.

HSS: Herr Dr. Hopp, wir danken Ihnen für das Interview!

 

Das Interview führte Thomas Reiner für die HSS.

Leiterin Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Onlineredakion

Susanne Hornberger