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Die transatlantischen Beziehungen
Nach Obama

Welche Auswirkung hat Trumps Präsidentschaft auf die transatlantischen Beziehungen? Welche Kurswechsel sind absehbar und was bedeuten diese für die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA? Um diese und weitere Fragen drehte sich die diesjährige Transatlantik-Tagung der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung, die am 24. und 25. November in Kloster Banz stattfand.

 

Personen in einem Seminarraum

Teilnehmer/innen der Transatlantik-Tagung 2016

Für Fragen über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ist die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten höchst brisant. Wahlkampfäußerungen versetzten bereits vor der Wahl Beobachter in Aufruhr, da diese tiefgreifende Veränderungen in der Dynamik der internationalen Beziehungen implizierten. Damals wie heute herrscht jedoch Unsicherheit über Trumps zukünftiges Vorgehen. Die Transatlantik-Tagung der Hanns-Seidel-Stiftung war wesentlich von dieser Unberechenbarkeit des designierten Präsidenten geprägt, der persönlich und politisch aufgrund widersprüchlicher Aussagen schwer einschätzbar bleibt.

Uncle Sam mit Trumps Gesicht und Schriftzug "Really?" darüber

Trumps Wahlkampf und bisherige Personalentscheidungen werfen Fragen auf

Trumps Wahlkampf-Strategie

Mehrere Themen und Szenarien wurden daher im Verlauf der Tagung behandelt. Dazu gehört die Wahlkampagne Trumps, in welcher er geschickt innenpolitischen Problemen außenpolitische Ursachen zuschrieb. Identitätskrise, Kriminalität und finanzielle Engpässe wurden auf Verbündete, Handelspartner und Immigranten zurückgeführt. Der Wahlkampf verband wirtschaftliche, identitäre und ideologische Elemente miteinander, die sich aus bestehender Polarisierung und zunehmender Diversifizierung der Gesellschaft speisen. Besonders die Abstiegsängste der Mittelschicht wurden dadurch angesprochen. Trumps Strategie führte durch dynamische Anpassung an die Wähler und teilweise ungeschicktem Agieren Clintons („basket of deplorables“) zur Solidarisierung mit den Wählern. Bedeutende Wählergruppen stellten dabei die Christliche Rechte und die „Alt-Right“-Bewegung dar. Umstritten blieb jedoch, ob es sich bei dieser Kampagne um einen Versuch der Umschichtung von Wählerstrukturen handelt, welche auch zukünftige Wahlen prägen werden, oder ob Trump intuitiv handelte.

Des Weiteren beruhte die Entscheidung der Wähler nicht auf Nostalgie, sondern auf strukturellen Veränderungen der globalen Wirtschaft. Auch wenn die Globalisierung oft vergessene alltägliche Vorteile mit sich bringt und das globale Wohlstandsniveau angehoben hat, unterteilt sie Branchen, Länder, Regionen und gesellschaftliche Schichten strukturell in Gewinner und Verlierer. Daraus entstehende Probleme der „Modernisierungsverlierer“, welche in den 50er/60er Jahren noch damit rechnen konnten, als Arbeitende dem Mittelstand anzugehören, müssen durch die Innenpolitik gelöst werden. Diese Konstellation gibt es auch in Europa und es wurde argumentiert, dass zur Überwindung ein Ausbrechen aus normativen Denkmustern stattfinden müsse, um Herausforderungen wie dem negativen Nationalismus begegnen zu können, welcher die eigene Nation als anderen überlegen ansieht. Trumps Vorschläge, besonders mit Blick auf Jobs in der Kohleindustrie, sind insofern nicht geeignet, da sie keine zukunftsfähigen Arbeitsplätze schaffen und einen Versuch darstellen, die Globalisierung umzukehren. Als nicht gänzlich unvernünftig seien hingegen Trumps Forderungen nach Steuersenkungen, Änderungen der Unternehmenssteuer und Infrastrukturinvestitionen zu bewerten. Letztere bergen jedoch die Gefahr eines „geborgten“ Aufschwungs mit Anpassung der Geld- und Zinspolitik, d.h. die Schaffung eines wirtschaftlichen Aufschwungs durch Inkaufnahme massiver Haushaltsdefizite. In der Vergangenheit wurde so die Basis für die Finanzkrise 2007 geschaffen. Eine erneute Krise dieser Art könnte das Vertrauen in das System weiter erschüttern.

zwei diskutierende Personen

Diskussionbedarf angesichts der innen- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen

Das Kabinett

Trumps personelle Entscheidungen haben enorme Bedeutung für die Gestaltung der transatlantischen Beziehungen. Durch Agenda-Setting können Berater Trumps Politik bezüglich Europa prägen, indem sie seinen Fokus setzen und lenken. Ein möglicher Zugang zu Entscheidungsprozessen fände sich also einerseits bei den Beratern, andererseits im Senat, dessen wichtige Ämter von Transatlantikern besetzt sind. Die Experten sprachen bei den Personalentscheidungen zum einen von dem Versuch, die zuvor kritisierte Parteielite einzubeziehen, wie die Ernennung des Stabschefs Reince Priebus zeige, zum anderen davon, die Wählerschaft durch unorthodoxe Ernennungen wie beispielweise die von Chefberater Stephen Bannon zu bedienen. Ähnlich könne die Ernennung von General Michael T. Flynn zum Nationalen Sicherheitsberater, der aufgrund seiner Ansichten über den Islam eher dem rechten Rand der republikanischen Partei zuzuordnen ist, als Versuch angesehen werden, die zerstrittenen Flügel der Partei zu versöhnen.

vier Personen auf Podium

Die Experten/innen des Panels über US-amerikanische Außenpolitik und transatlantische Beziehungen

Außen- und Handelspolitik

Eine Versöhnung mit der Partei wird in Freihandelsfragen jedoch vermutlich nicht stattfinden. Teil des Strategiewechsels des designierten Präsidenten ist die Ersetzung multilateraler durch bilaterale Abkommen. Diesem Vorgehen wohne durchaus eine gewisse Logik inne, denn in bilateralen Gesprächen werde durch die Abhängigkeit des Verhandlungspartners die Verhandlungsposition der USA gestärkt. Die Aussetzung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), dem Handelsabkommen der USA mit dem asiatisch-ozeanischen Raum, birgt allerdings Gefahren – besonders aufgrund von Chinas Gegenangebot in der Region, der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), welche die USA ausschließt. Als wichtiger Importeur genießt China darüberhinaus weitgehende Verhandlungsmacht. Der sog. „Washington Consensus“, das Wirtschaftsprogramm, welches Regierungen bei der Schaffung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum unterstützten soll, könnte also zunehmende Konkurrenz von einem „Beijing Consensus“, dem am Wachstum Chinas orientierten Wirtschaftsmodell, bekommen. Politisch-militärisch sei ein Rückzug der USA aus Asien unwahrscheinlich. China würde in das entstehende Machtvakuum vordringen und Asien damit von einer den USA potenziell feindlich gesinnten Regionalmacht beherrscht werden. Weiterhin sprächen die Vorfälle im Südchinesischen Meer gegen einen Rückzug, da fehlende Eskalationskontrollen und gefährliche Zwischenfälle zu einer unvorhergesehenen Verwicklung der USA in der Region führen könnten.

Im Nahen Osten wurde von einer „neither fix, nor leave“-Situation gesprochen, in welcher die größeren Probleme in der Region nicht gelöst werden könnten und weshalb die USA dort festsäßen. Die zukünftige Dynamik werde von vergangenen Entscheidungen wesentlich geprägt und damit seien Kurswechsel unwahrscheinlich. Auch einem Deal zwischen Trump und Putin bezüglich Syriens wurde wenig Erfolg in Aussicht gestellt, da Russland neben einer Aufgabe der strategischen Partnerschaft mit dem Iran wenig anzubieten habe. Zusätzlich sei die Gestaltung der russisch-amerikanischen Beziehungen unter Trump zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Erst die amerikanische Reaktion auf eine prognostizierte russische Provokation, die der Einschätzung des neuen Präsidenten dienen soll, stelle einen Anhaltspunkt für künftige Interaktion dar. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die europäischen Staaten in Zukunft mehr in ihre eigene Sicherheitsarchitektur und die der NATO investieren müssen. Denn die unter Präsident Obama begonnene Umorientierung der USA und der damit verbundene Rückzug der USA aus Europa wird voraussichtlich unter Trump  fortgesetzt werden.

Ähnlich fiel das Ergebnis der Diskussion bezüglich Einschätzungen der übrigen Politik Trumps aus. Diese müssten auf den Entscheidungen nach der Inauguration basieren, denn zu bedenken bleibe, dass im Vorfeld er Wahl begangene Prognosefehler nicht wiederholt werden dürften. Dazu gehöre zum einen die Verpflichtung, den designierten Präsidenten ernst zu nehmen, und zum anderen, Sein und Sollen in Analysen nicht zu vermengen, wie es zuvor breitflächig in den Medien geschehen war. Nur so seien verlässliche Rückschlüsse auf Trumps Politik möglich.

Leiterin Akademie für Politik und Zeitgeschehen

Prof. Dr. Diane Robers