Print logo

Interview zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung
Nachhaltige Städte – München im Norden und Kapstadt im Süden

Die globalen Nachhaltigkeitsziele gelten weltweit. Länder, Städte, Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft sollen sich idealerweise einbringen. Lisa Kimmig hat in Südafrika ihr Studium abgeschlossen und verglichen, inwiefern sich München und Kapstadt mit diesen Zielen auseinandersetzen. In unserem Interview schildert sie, was sich daraus lernen lässt.

Lisa Kimmig hat Jura studiert und in der Nähe von Kapstadt (Südafrika) an der Universität Stellenbosch einen Master (LL.M) absolviert.

Lisa Kimmig hat Jura studiert und in der Nähe von Kapstadt (Südafrika) an der Universität Stellenbosch einen Master (LL.M) absolviert.

Ohne Angabe

In ihrer Abschlussarbeit befasste sich Lisa Kimmig mit dem Ziel 11 "Nachhaltige Städte und Gemeinden" der Globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Leitende Frage war, inwiefern sich Städte diesem Ziel verpflichtet fühlen. Als Beispiel verglich sie Kapstadt und München. Aktuell arbeitet sie als Juristin bei der Landeshauptstadt München.

HSS: Sie haben sich intensiv mit dem Ziel „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ der Globalen Nachhaltigkeitsziele auseinandergesetzt. Können Sie kurz erklären, was es damit auf sich hat?

Mit den Globalen Nachhaltigkeitszielen - kurz SDGs - wollen die Vereinten Nationen weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und die natürlichen Lebensgrundlagen auch für die künftigen Generationen sichern. Sie richten sich letztlich an alle Menschen. Die insgesamt 17 Ziele decken eine Vielzahl von Handlungsbereichen ab, angefangen mit Bekämpfung von Armut und Hunger. Das Ziel 11 nimmt die nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden in den Fokus. Dabei geht es zum Beispiel um bezahlbaren Wohnraum, funktionierende Ver- und Entsorgungsstrukturen, aber auch um Zugang zu Mobilität und Grünflächen. Weitere Felder sind zum Beispiel Luftqualität, Katastrophenschutz und Sicherheit. Auch die Stadtplanung an sich ist ein Thema. Gerade in Ballungsräumen verschärfen sich oft Probleme, hier prallen auf engem Raum extreme Unterschiede aufeinander. Für alle Seiten - Bevölkerung, Umwelt und Wirtschaft – müssen Perspektiven geschaffen werden.

HSS: Wie verbindlich sind die Ziele?

Die Ziele sind nicht per se rechtsverbindlich. Aber die meisten Staaten haben Absichtserklärungen abgegeben oder Nachhaltigkeitsprogramme verfasst und sich dadurch eine gewisse Selbstverpflichtung auferlegt. Deutschland zum Beispiel hat bei der Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie die SDGs mit übernommen. Auch viele Städte und Gemeinden weltweit haben sich zu den SDGs bekannt. Letztendlich bleibt aber die Frage, was passiert, wenn die Ziele nicht umgesetzt oder nicht erreicht werden - Sanktionen gibt es nicht. Das ist dann zum Nachteil für alle jene, denen durch die Umsetzung geholfen würde.

Kapstadt ist eine der größten Städte Südafrikas. Jeder einzelne kann zur Nachhaltigkeit beitragen und soll mitwirken. In der Bevölkerung gibt es kreative Ideen, wie im Kleinen gute Fortschritte erzielen können, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Kapstadt ist eine der größten Städte Südafrikas. Jeder einzelne kann zur Nachhaltigkeit beitragen und soll mitwirken. In der Bevölkerung gibt es kreative Ideen, wie im Kleinen gute Fortschritte erzielen können, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Lisa Kimmig

HSS: Sie haben Ihr Studium in der Nähe von Kapstadt, Südafrika abgeschlossen und arbeiten nun als Juristin bei der Bayerischen Landeshauptstadt München. Beide Großstädte setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung ein. Gibt es da Gemeinsamkeiten?

München und Kapstadt bekennen sich beide zu den SDGs und haben sich die Umsetzung auf die Fahnen geschrieben. Die Langzeitziele sind vom Grundsatz her identisch. Die Unterschiede ergeben sich eher aus den unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten und den aktuell anstehenden Bedürfnissen. München will beispielsweise mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und dabei z.B. klimaneutral werden und Baustoffe wiederverwerten. Kapstadt will vor allem die Wohnsituation verbessern. Kapstadt hatte in den vergangenen Jahren immer wieder unter Trockenheit und Wassermangel zu leiden, daher ist neben nachhaltiger Entwicklung auch die „Resilienz“, also der Umgang mit Krisen, ein wichtiges Thema. Hier geht es mehr darum, in allen Stadtteilen für frisches, fließendes Wasser zu sorgen und die Basis für ein sicheres Zusammenleben der Bewohner zu schaffen.

Kapstadt bei Nacht. In verschiedenen Stadtvierteln wird stundenweise nach einem bestimmten Zeitplan der Strom abgeschaltet, um Energie zu sparen, das sog. "load shedding".

Kapstadt bei Nacht. In verschiedenen Stadtvierteln wird stundenweise nach einem bestimmten Zeitplan der Strom abgeschaltet, um Energie zu sparen, das sog. "load shedding".

Lisa Kimmig

HSS: Ist die Umsetzung nur Sache der Verwaltung oder zieht da auch die Bevölkerung mit?

Meiner Meinung nach ist die Beteiligung Teil der Lösung für die tatsächliche Umsetzung der SDGs! Es ist wichtig, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass der Beitrag eines jeden Einzelnen eine positive Veränderung bewirken kann. In Kapstadt ist die Unterstützung durch die Bevölkerung von enormer Bedeutung. Hier gibt es kreative Ideen, wie man auch im Kleinen gute Fortschritte bei der Erreichung der Ziele bewirken kann - weil die Bevölkerung mitwirkt. Das hat mich beeindruckt. Ein Beispiel ist die Abfallsammlung. Hier wurde ein Programm entwickelt, das eine Reduzierung von Müll bewirkt und Arbeitsplätze schafft. Auf Stadtteilebene wird der Bioabfall der Haushalte gesammelt,  zu Kompost verarbeitet, der wiederum in Gemüsebeete ausgebracht wird. Das Projekt entlastet die öffentliche Müllsammlung und die vorhandenen Deponien. Außerdem reduziert es die Methan-Emissionen, die ansonsten durch den Bio-Abfall anfallen. In Kapstadt tut sich insgesamt sehr viel. Hier konzentrieren sich viele überregionale Konferenzen, Messen und Fortbildungen, in der sich interessierte Besucher über Nachhaltigkeit informieren und Anregungen einholen können.

HSS: In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie auch die Zusammenarbeit von Stadt und Wirtschaft  untersucht.

Eine solche Zusammenarbeit, auch "Public-Private-Partnership" genannt, ist eine gute Möglichkeit, Strukturen, Knowhow und finanzielle Mittel zu kombinieren und dadurch einen Mehrwert für alle Seiten zu schaffen. Als Beispiel kann der "Klimapakt Münchner Wirtschaft" gelten. Durch die Zusammenarbeit der Stadt mit den Unternehmen vor Ort konnten so Möglichkeiten ermittelt werden, um CO2 einzusparen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Auch in Kapstadt wurde eine Plattform gebildet, um gemeinsam Investitionen in eine Grüne Wirtschaft aufzubauen und zu unterstützen („Green Cape“). 

Die Stadt München strebt an, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. Die Stadtverwaltung ist ambitioniert und soll dieses Ziel bereits bis 2030 erreichen.

Die Stadt München strebt an, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. Die Stadtverwaltung ist ambitioniert und soll dieses Ziel bereits bis 2030 erreichen.

Mit freundlicher Genehmigung von Michael Nagy/Presseamt München

HSS: Uns würde zum Schluss natürlich auch interessieren, ob wir aus dem Nord-Süd-Vergleich voneinander lernen könnten?

Was hier gut funktioniert, kann irgendwo anders möglicherweise völlig ins Leere gehen. Aber es ist immer gut, voneinander lernen zu wollen und Erfahrungen auszutauschen. Kapstadt ist daher bereits seit 20 Jahren mit Aachen in einer „Nord-Süd-Partnerschaft zu nachhaltiger Entwicklung“ verbunden und seit 2013 gibt es die Klimapartnerschaft mit München, im Zuge dessen ein gemeinsames Handlungsprogramm erarbeitet wurde. 

Was mir persönlich an Südafrika gut gefallen hat ist das Bewusstsein, dass alles miteinander verbunden ist und sich gegenseitig beeinflusst und bedingt. Das scheint mir dort ausgeprägter zu sein als bei uns. Und bei der Umsetzung neuer Ideen wird die Einbindung der Bevölkerung sehr wichtig genommen. Vielleicht könnten wir hier noch etwas lernen.

Städte spielen eine wichtige Rolle für die Verwirklichung der SDGs. Aber ihr Engagement muss auf Länderebene auch entsprechend flankiert werden! Die Ziele gelten weltweit. Wir können nur etwas erreichen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Letztendlich profitieren auch alle.

HSS: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Silke Franke

Umwelt und Energie, Städte, Ländlicher Raum
Silke Franke
Leiterin