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Berufliche Bildung in China
Perspektiven für die Landjugend

Seit 30 Jahren besteht die Kooperation zwischen der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Berufsbildungs- und Berufsfortbildungszentrum Pingdu in China. Zum Jubiläum luden die Kooperationspartner im Frühsommer 2019 zum internationalen Forum „Challenges and Perspectives of Vocational Education for Rural Sustainable Development“ ein. In einem Festakt erhielt das bisherige Fortbildungszentrum der HSS und des Bildungsamts Qingdao an der Berufsschule Pingdu internationalen Status.

Die Verantwortlichen für das trilaterale Projekt mit Laos: Li Min, Direktor des Bildungsamts Qingdao; Klaus Supp, Referatsleiter BMZ; Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der HSS; Dr. Phouvieng Phoumilay, Direktor des laotischen Vocational Education Development Institute (VEDI); Hagen Ettner, Leiter des Deutsch-Chinesischen Zentrums für nachhaltige Entwicklung (ZNE) der GIZ Peking

Die Verantwortlichen für das trilaterale Projekt mit Laos: Li Min, Direktor des Bildungsamts Qingdao; Klaus Supp, Referatsleiter BMZ; Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der HSS; Dr. Phouvieng Phoumilay, Direktor des laotischen Vocational Education Development Institute (VEDI); Hagen Ettner, Leiter des Deutsch-Chinesischen Zentrums für nachhaltige Entwicklung (ZNE) der GIZ Peking

HSS/Pingdu

Innerhalb von 30 Jahren gelang China das Unfassbare: Es entwickelte sich vom ärmsten Land der Welt zur modernen Weltmacht. Eine Entwicklung, der viele von Chinas kleineren Nachbarn gerne folgen würden. Doch in China gibt es noch einige Entwicklungsfelder: Neben den drängenden Fragen des Umweltschutzes geht es vor allem um die Entwicklung der ländlichen, fast immer strukturschwachen Räume. Wer auf dem Land lebt, egal ob im Osten oder Westen des Landes, profitierte deutlich weniger von dem rasanten Aufstieg. Die bekannteste Folge ist die enorme Zahl an Wanderarbeitern: Rund 300 Millionen Chinesen vom Land arbeiten in den Ballungsräumen. Das birgt soziales Krisenpotential. Die „Revitalisierung der ländlichen Räume“ rückte daher im letzten Jahr in den Fokus der chinesischen Regierung.

Kluge Köpfe hatten bereits vor 30 Jahren erkannt, was China bis heute noch fehlt: eine nachhaltige Strategie für die ländlichen Räume und ihre Bewohner. Neben Landmanagement und Bodenpolitik spielt dabei die Berufsaus- und -weiterbildung eine tragende Rolle. So sind die früheren Kooperationsfelder noch immer topaktuell. Mit dem unglaublichen Aufstieg Chinas entwickelte sich das Berufsbildungszentrum Pingdu als Partner der HSS weiter. Heute ist es ein national anerkanntes Bildungs- und Fortbildungszentrum für technische und ländliche Berufe mit einem eigenen ausgefeilten System der dualen Berufsausbildung.

 Bundesminister Dr. Gerd Müller besuchte 2017 das Berufsbildungszentrum Pingdu und interessierte sich für die praktische Ausbildung

Bundesminister Dr. Gerd Müller besuchte 2017 das Berufsbildungszentrum Pingdu und interessierte sich für die praktische Ausbildung

Das Fortbildungszentrum Pingdu

Zum Jubiläum der 30-jährigen Zusammenarbeit gab es das internationale Forum „Challenges and Perspectives of Vocational Education for Rural Sustainable Development“. In diesem Rahmen wurden die Erfolge des Berufsbildungs- und Berufsfortbildungszentrums Pingdu systematisch aufbereitet und die allgemeine Rolle der Berufsschulen in der nachhaltigen ländlichen Entwicklung diskutiert. Eigentlicher Höhepunkt der Veranstaltung war die Bekanntgabe, dass das Zentrum nun seine Kompetenzen weniger entwickelten Staaten zur Verfügung stellt. In einem Festakt wurde es zu einem internationalen Fortbildungszentrum erhoben. Hier werden in Zusammenarbeit mit dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Laotischen Bildungsministerium laotische Lehrer fortgebildet.

„Das ist wirklich das beste Ergebnis, dass aus einem Projekt der Entwicklungszusammenarbeit hervorgehen kann“, lobt Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der HSS, das Projekt und fährt fort: „Die Rolle des Zentrums entwickelte sich vom bilateralen Empfänger zum internationalen Geber.“

Einen ersten Anstoß dazu gab 2017 Bundesminister Dr. Gerd Müller.

„Pingdu ist ein Leuchtturm, der auf dem Land der Jugend eine Zukunft geben kann“,

äußerte er nach seinem Besuch am Berufsschulzentrum. Der Minister war von dem Besuch dermaßen beeindruckt, dass er die Schule als Stützpunkt für trilaterale Fortbildungen im Rahmen der Aktivitäten des chinesisch-deutschen Zentrums für Nachhaltige Entwicklung (ZNE) vorschlug, dass er zuvor in Peking eröffnet hatte. So waren beim Festakt auch Vertreter aus BMZ und GIZ anwesend.

„Nach fast vierzig Jahren vertrauensvoller und erfolgreicher bilateraler Zusammenarbeit, in denen Deutschland China auf seinem Weg begleitete, kommen wir schließlich als gleichberechtigte Partner zusammen, um voneinander zu lernen und an gemeinsamen Projekten zu arbeiten“,

würdigte Ministerialrat Klaus Supp, zuständiger Referatsleiter des BMZ, die Entwicklung.

So begann es:
„In einem kalten Winter vor rund 30 Jahren fand unsere Zusammenarbeit hier ihren Anfang“, erinnert sich Prof. Holger Magel, der 1989 als Regierungsdirektor am Aufbau der Partnerschaft der chinesischen Provinz Shandong mit Bayern beteiligt war. Ausgewählt wurden damals zwei Kooperationsfelder: Ländliche Entwicklung und Berufsbildung. Für den Bereich Berufsbildung schlossen die Hanns-Seidel-Stiftung und das Bildungsamt Qingdao eine Kooperationsvereinbarung zum Aufbau der Berufsschule Pingdu nahe Qingdao, an der chinesischen Ostküste nach deutschem dualen Vorbild.

„Die Stadt an sich erkennt man heute freilich nicht wieder“, bemerkt Prof. Magel, der das internationale Forum zum 30-jährigen Kooperationsjubiläum eröffnete.

Die erste Gruppe aus Laos ist zur Fortbildung im Berufsbildungszentrum Pingdu eingetroffen. Im Weingarten informiert sie sich über die Kultivierung der Reben

Die erste Gruppe aus Laos ist zur Fortbildung im Berufsbildungszentrum Pingdu eingetroffen. Im Weingarten informiert sie sich über die Kultivierung der Reben

HSS/Pingdu

Erste Fortbildung für laotische Lehrer

Dabei verlangt die Kooperation vor allem den Partnern aus dem Reich der Mitte einiges ab: Rund 15 eher kleine Berufsschulen für ländliche Berufe gibt es in Laos. „Die Lehrerfortbildungen können nur in den Ferien stattfinden“, erklärt einer der chinesischen Verantwortlichen. „Würden 20 laotische Berufslehrer während der Schulzeit nach China reisen, wären nicht mehr genug Kollegen in Laos übrig um den regulären Unterricht zu gewährleisten.“ Das sind für die Berufsschule Pingdu mit ihren rund 900 Mitarbeitern und 5.000 Schülern ungewohnte Größenordnungen und Schwierigkeiten.

Auch wenn China zunehmend Verantwortung in der Welt übernehmen will, lässt sich die Erfolgsformel des chinesischen Aufstiegs nicht ohne weiteres exportieren. Es wird eine große Transferleistung nötig sein, um das Know-how auf laotische Verhältnisse zu übertragen und anwendbar zu machen. Die Hoffnung des Dreiecksprojektes beruht vor allem darauf, dass es leichter sein sollte, das Wissen, das chinesische Experten in Deutschland gewonnen und an ihre Bedingungen angepasst haben, auf laotische Verhältnisse zu übertragen, als der direkte Transfer von Deutschland nach Laos.

Prof. Holger Magel eröffnet die Konferenz zum 30jährigen Jubiläum

Prof. Holger Magel eröffnet die Konferenz zum 30jährigen Jubiläum

HSS/Pingdu

Als erstes Zielland der trilateralen Kooperation kann Laos in jedem Fall besonders profitieren. Die Bevölkerung ist sehr jung, doch meist ohne höheren Schulabschluss. Im ländlichen Raum gibt es wenig Chancen auf Arbeit oder ein gutes Leben. Das Land lebt vom Export seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Eine Weiterverarbeitung findet dabei nur selten statt. So entsteht eine hohe Abhängigkeit von Importen. Ein Teufelskreis, der wie in Laos, in vielen Ländern eine Entwicklung hemmt. Der Schwerpunkt der Fortbildungstätigkeit liegt daher neben der Agrarwissenschaft in der Veredelung von Produkten zu Wein, Bränden, Fleisch- und Backwaren. Diese Berufszweige haben, wie keine anderen, das Potenzial, den Menschen auf dem Land ein gutes wirtschaftliches Auskommen zu sichern und lokale sowie nationale Wertschöpfung zu fördern. Die Vision von Minister Müller kann somit nun über die Grenzen Chinas Realität werden und Pingdu den jungen Menschen auf dem Land eine bessere Zukunft geben.
 Autor: Sebastian Kade

 

 

Dr. Michael Klaus
Projektleitung
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