Fast 15 Jahre ist es jetzt her – im Herbst 2005 - da traf ich Joseph Vilsmaier zum ersten Mal an einem Samstagmorgen im damals neuen Konferenzzentrum der Hanns-Seidel-Stiftung – mit etwas klopfendem Herzen – einen „Landsmann,“ Niederbayer wie ich und trotzdem fremd.
Artur Kolbe (links) mit Joseph Vilsmaier. "Ich bin dankbar für jede Minute, die ich in den letzten 15 Jahren mit ihm verbringen durfte." (Kolbe)
©HSS
Zwar hatte ich mich als „Filmreferent“ gut eingelesen und vorbereitet, „Herbstmilch“ als Buch nochmal überflogen, mir den Film nochmal reingezogen und mich mit Vilsmaiers Bio- und vor allem Filmographie vertraut gemacht…trotzdem beschlich mich ein ungutes Gefühl: einen ganzen Tag sollte ich mit dem berühmten Regisseur verbringen und ich wusste - auch zum ersten Mal – nicht, wie ich ihn ansprechen und wie ich als Tagungsleiter das Thema „Die 30er-Jahre im Film“ souverän über die Bühne bringen sollte; ich hoffte, mich auf meine Moderatorin verlassen zu können.
Zudem hatten wir – dem Anspruch einer politischen Stiftung entsprechend – zwei Filme gewählt, die auch international große Beachtung fanden: „COMEDIAN HARMONISTS“ (1997), über den Aufstieg des legendären jüdischen Vokal- Ensembles und dessen Scheitern in der Nazi-Zeit, und „LEO UND CLAIRE“ (2001), ein auf Tatsachen beruhendes Drama über den jüdischen Schuhfabrikanten Leo Katzenberger.
Ich wusste wenig bis gar nichts über die Hintergründe unserer Filme, wollte mir aber auf keinen Fall eine Blöße geben! Ja, und dann? Plötzlich steht im Foyer, pünktlich zum Seminarbeginn um 9 Uhr, ein Vilsmaier vor mir, ich stelle mich vor und er … „I bin da Joseph!“ und dann lief „alles…“ – wie beim alten HB-Männchen in der Werbung – „wie von selbst!“ Seine unkonventionelle Art, die ich heute als souverän und sehr bayerisch bezeichnen möchte, sprach alle an.
Ich hatte ja schon viele von Vilsmaiers Kollegen bei Filmseminaren im Hause erlebt: die Oscarpreisträger Volker Schlöndorff, Florian Gallenberger, Caroline Link – alle Top! Aber alle mit einer gewissen würdevollen Distanz, die einem Joseph Vilsmaier gänzlich fremd war!
Bei einem Vilsmaier–Seminar im Sommer 2019 im Kloster Metten, wo ich vor 200 Teilnehmern mit Vilsmaier seinen letzten Doku-Film „BAYERN SAGENHAFT“ zeigte, der übrigens auch mehrere Passagen des Klosterlebens mit den Mönchen „live in action“ darstellt, war natürlich auch der H.H. Abt Wolfgang M. Hagl als Hausherr aber auch als „Schauspieler“ im Vilsmaier-Film anwesend. Während ich als Tagungsleiter, der Bürgermeister von Metten und der Landrat von Deggendorf den hochwürdigen Vater Abt ehrfürchtig als solchen begrüßten, meinte Vilsmaier nur: „… ja Wolfgang, Du bist aa do!“
Ein paar Stunden später, beim Mittagessen im Refektorium, konnte ich miterleben, dass aus den Dreharbeiten zum Film eine herzliche Freundschaft zwischen Regisseur und dem Vater Abt entstanden war! Beim Essen planten wir (Joseph, der Abt, der Bürgermeister und ich für die Hanns-Seidel-Stiftung) die Premiere Vilsmaiers neuen Films, der gerade erst fertig geworden war: „DER BOANDLKRAMER UND DAS EWIGE LEBEN“ für April 2020 im Klosterhof Metten – wieder als Kooperation mit meiner Stiftung; das wird wohl jetzt vorerst nichts werden.
Was viele nicht wissen bzw. wussten: Vilsmaier hat erstmal einen technischen Beruf erlernt, dann Musik studiert, war Jazzmusiker, dann Kameramann (u.a. bei zahlreichen Tatorten der 70er in Essen mit H. J. Felmy) und dann erst Regisseur. So schrieb ich 2018 mal in ein Programm: „Joseph Vilsmaier, Techniker, Musiker, Kameramann und Filmregisseur“.
Aber was er wirklich war: Ein bezaubernder sympathischer Mensch, den jeder gern haben musste, der das Glück hatte, mit ihm reden zu können. Das kann man in kein Seminarprogramm schreiben.
Ich bin froh, dieses Glück gehabt zu haben und dankbar für jede Minute, die ich in den letzten 15 Jahren mit ihm verbringen durfte. Er wird mir sehr fehlen.