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Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Digitales im Interview
"Turbo für die Staatsregierung"

Autor: Dr. Maximilian Rückert

Judith Gerlach führt das erste Bayerische Ministerium für Digitales. In keinem anderen Gebiet sei die Geschwindigkeit der Entwicklung so rasant, deshalb ist für Gerlach gute Koordinierung der Prozesse besonders wichtig. Wie sie in der Staatsregierung den digitalen "Turbo" zünden will, erklärt sie im HSS-Interview:

HSS: Frau Staatsministerin, würden Sie uns schildern, warum wir ein Bayerisches Staatsministerium für Digitales brauchen?

Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Digitales: Die Digitalisierung bestimmt unser aller Leben. So hat auch jedes Einzelministerium in Bayern zu Recht seine eigenen digitalen Themen. Aber es muss einen geben, der die volle Aufmerksamkeit auf die Digitalisierung und die weiteren Entwicklungen legt. Auf keinem Gebiet ist die Geschwindigkeit der Entwicklungen so enorm wie hier. Und man kann sie nicht als Summe von Teilbereichen sehen. Es braucht einen Koordinator und "Turbo" für die gesamte Staatsregierung.

"Wir müssen Mädchen möglichst früh für digitale Themen begeistern." (Judith Gerlach)

"Wir müssen Mädchen möglichst früh für digitale Themen begeistern." (Judith Gerlach)

Witte; HSS


HSS: Aktuell sind alle politischen Koordinierungsstellen für die Gestaltung der digitalen Transformation auf Landes- und Bundesebene mit Frauen besetzt: Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt oder Prof. Dr. Kristina Sinemus, Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung in Hessen. Auf den Fachpanels finden sicher aber genauso selten Frauen wie in den Auditorien? Woran liegt das?

Die Zahlen sprechen hier wirklich eine klare Sprache: nur rund 20 Prozent der Informatik-Studierenden und nur 17 Prozent der Akademiker in IT-Kernberufen sind Frauen. Wir müssen Frauen und Mädchen möglichst frühzeitig für digitalen Themen begeistern. Daher habe ich auch nach nur einem Monat im Amt hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt und die Initiative "Bayerns Frauen in Digitalberufen - Fit für den digitalen Wandel", kurz "BayFiD" gestartet. Wir wollen langfristig jedes Jahr 50 Frauen zwischen 18 und 30 für jeweils zwei Jahre bei ihrem Weg in digitale Berufe begleiten und unterstützen. Dabei helfen auch weibliche Vorbilder in technischen oder digitalen Berufen, die mich bei BayFiD unterstützen. Für mich ist ein wesentlicher Punkt: Je mehr Frauen in Digitalberufen oder im technischen Bereich Führungspositionen erlangen, desto mehr fühlen sich junge Frauen und Mädchen motiviert, ebenfalls diese Richtung einzuschlagen.


HSS: BayFiD ist ein gutes Beispiel für die breite Förderungslandschaft im Freistaat. Es gibt Austauschplattformen, Fachforen, Cybercluster und staatliche Initiativen zur digitalen Transformation. Gerät dabei nicht die „Hands-On“ -Mentalität und die eigentliche Kernarbeit aus den Augen - die Fachkräfteakquise zum Beispiel?

Klar ist, dass das eigentliche Ziel - mehr Frauen in Unternehmen zu bringen - nicht aus den Augen verloren wird. Sonst geht uns enorm viel Potential an digitaler Frauenpower verloren. Daher konzipieren wir BayFiD auch so, dass wir nicht nur beim tatsächlichen Weg in digitale Berufe unterstützen, sondern auch früh für das entsprechende Interesse sorgen. Die Unternehmen müssen sich aber auch bewusst darüber sein, dass wir in vielen Bereichen in Deutschland heutzutage einen Bewerbermarkt haben und die Unternehmen sich daher kreative Möglichkeiten überlegen müssen, wie sie sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv machen können.

Gerlach will besonders den kleinen und mittelständischen Unternehmen bessere Cyber-Sicherheit bieten. Um das zu erreichen, sollen die Behörden auch untereinander besser vernetzt werden.

Gerlach will besonders den kleinen und mittelständischen Unternehmen bessere Cyber-Sicherheit bieten. Um das zu erreichen, sollen die Behörden auch untereinander besser vernetzt werden.

Witte; HSS


HSS: Staatliche Regulierung sieht oft ein wenig hilflos dabei aus, die digitale Transformation zu koordinieren. Die Menschen in Deutschland und Bayern wünschen sich aber einen starken Staat, der ihre Rechte auch Online schützt und Digitalmonopole sprengt. Welche Gestaltungsspielraum hat Bayern?
 

Gerade in einer globalisierten Welt muss gelten: Unsere Märkte, unsere Regeln! Wer diesen Anspruch aufgibt, hat schon verloren. Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat ihre Rechte auch online schützt und digitalen Monopolen rechtsstaatliche Grenzen setzt. Dabei spielt gerade auch der Freistaat eine aktive Rolle, zum Beispiel im Bereich Cybersicherheit. Wir haben kürzlich hierzu in Bayern mit "Online - aber sicher!" eine breit aufgelegte Initiative der gesamten Staatsregierung zur Stärkung der Cybersicherheit gestartet. Besonders wichtig ist uns dabei die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für das Thema Datensicherheit, unter anderem über den neuen Passwort-Check auf der Homepage meines Ministeriums, eine noch engere Kooperation unserer Cybersicherheitsbehörden sowie die Stärkung und bessere Vernetzung speziell unserer kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade letztere rücken verstärkt in das Visier von Angreifern. Ebenso wichtig ist es, dass Bund, Länder und Union hier gemeinsam, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten effektiv zusammenarbeiten. Im Bereich der Cybersicherheit fordern wir daher vom Bund, dass das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0 die Belange der Länder ausreichend berücksichtigt.


HSS: Bürgerkommunikation wäre in Zeiten der digitalen Transformation so einfach: eine kurze Meinungsumfrage in der Bürger-App wie der Stadtpark gestaltet werden soll, eine kurze Info über die dritte Startbahn und Einladung zur Diskussion. Das könnte die politische Diskussionen aus toxischen digitalen Bubbles befreien und echte Bürgerbeteiligung. Die Bayerische Staatsregierung setzt aber immer noch auf Top-Down-Informationsweitergabe und Servicetelefone. Wird sich das ändern?

Digitale Teilhabe der Bürger und ein offenerer digitaler Datenzugang sind für mich wichtige Zukunftsthemen. Bayern hat hier schon wichtige Schritte getan, etwa mit der Verankerung eines allgemeinen Auskunftsanspruchs aller Bürger im bayerischen Datenschutzgesetz. Außerdem binden wir die Bürger bei der Digitalisierung unserer Verwaltungsleistungen im "Digitallabor Bayern" aktiv mit ein. Denn die digitale Verwaltung von morgen muss vor allem eins sein: Nutzer- und Anwenderfreundlich. Wir wollen aber inhaltlich und auch bei digitalen und mobilen Angeboten in Zukunft noch deutlich weitergehen. Gerade das Thema "Bürger bzw. Verwaltungs-Apps" steht für mich ganz oben auf der Agenda. Gute Lösungen müssen hier aber auch vernünftig konzipiert und programmiert werden. Hier sind für mich überzeugende Lösungen angesagt, keine Schnellschüsse.



HSS: Social Media sind längst politische Plattformen. Staatsministerin Dorothee Bär hält auch mit privaten Glamour-Instagram-Fotos gekonnt gegen Trolle und Shitstorms stand. Wie sieht Ihre eigene Social Media Strategie als Politikerin aus?

Ich überlege mir sehr genau, was ich poste. Die vermeintliche Anonymität im Netzt sorgt an manchen Stellen schon dafür, dass der Umgangston etwas rauer ist. Dabei sind die Umgangsformen in der digitalen Welt genau so entscheidend, wie in der analogen. Netiquette ist mehr als ein Kofferwort. Für mich sind die sozialen Netzwerke schon ein sehr wichtiges Medium für die direkte Kommunikation. Auf Twitter setze ich auf politische Botschaften, während Instagram eher die Plattform für Bilder ist. Facebook sehe ich als Mischung aus beidem. Das Feedback in den sozialen Netzen ist zudem recht differenziert, also mehr als nur ein "Daumen hoch". Es kommen immer wieder Nachfragen oder auch mal Anregungen, die mich in meiner Arbeit weiterbringen.


HSS: Frau Staatsministerin, wir danken Ihnen für das Gespräch.