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Interview mit Klaus Holetschek, Bayerischer Bürgerbeauftragter
Vom Einsatz für Land und Kommune

Welchen Einfluss hat ein Stadt- oder Kreisrat? Was kann ein Bürgermeister bewirken? Der Bürgerbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Klaus Holetschek, hat in sich in vielen verschiedenen Ämtern für seine Heimat eingesetzt. Jetzt soll er Staatssekretär im Bayerischen Bau- und Verkehrsministerium werden. Im Interview berichtet er vom Einsatz für andere.

HSS: Sehr geehrter Herr Holetschek, Sie waren von 2002 bis 2013 Bürgermeister von Bad Wörishofen. Seitdem hat sich sehr viel verändert, oder?

Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mit Leib und Seele Bürgermeister war. Während dieser Zeit konnte ich im guten Miteinander mit Stadtverwaltung und Stadtrat viel bewegen. Seit 2013 ist die Politik sicherlich noch ein wenig schnelllebiger geworden.

Ein freundlich lächelnder Mann mit Brille und Kinnbart

Klaus Holetschek begann seine politische Karriere bei der JU-Unterallgäu, war zwischen 1996 und 2002 Stadtrat in Bad Wörishofen und bis 2014 Kreisrat im Unterallgäu. Das Amt des Bürgermeisters von Bad Wörishofen hatte er von 2002 bis 2013 inne. Der Vater von zwei Kindern war in der Legislaturperiode 2008/2012 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit 2013 ist er Mitglied des Bayerischen Landtages und seit 2017 Kreisvorsitzender der CSU Memmingen. 2018 hat er die Aufgaben des Bürgerbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung übernommen. Demnächst wird er Staatssekretär im Bayerischen Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.

Roland Schraut; Bayerischer Landtag

HSS: Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?

Die Bürgerbeteiligung war und ist mir ein zentrales Anliegen, genauso wie die Stärkung des Ehrenamts. In meiner Zeit als Bürgermeister habe ich den Wirtschaftsstandort gestärkt, durch Ansiedelung eines großen und weiterer mittlerer und kleiner Betriebe sowie durch die Errichtung des interkommunalen Gewerbeparks an der A 96. Stolz bin ich auf die Einrichtung eines Mehrgenerationenhauses in Bad Wörishofen und, dass ich bis heute Schirmherr der Tafel vor Ort bin.

HSS: Bei den möglichen Anfeindungen und Bedrohungen, denen gerade Kommunalmandatsträger heute im Internet und mittlerweile auch ganz real ausgesetzt sind: Wie machen Sie denen Mut? Und warum ist ein kommunales Mandat nach wie vor erstrebenswert?

Zunächst einmal: Anfeindungen und Drohungen gegen wen und in welcher Form auch immer – analog oder digital – sind inakzeptabel und nicht hinnehmbar. Wir alle müssen uns dieser bedenklichen Entwicklung entgegenstellen, hier ist die gesamte Gesellschaft gefragt. Wir brauchen wieder mehr Respekt, Anerkennung und Wertschätzung für die vielen oftmals ehrenamtlichen Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte. Es ist jedoch auch – das will ich ganz klar betonen – höchst befriedigend zum Beispiel als Bürgermeister Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen und sich um die örtlichen Angelegenheiten zu kümmern. Kommunalpolitik kann unmittelbar vor Ort etwas bewegen, eine Kommune weiterentwickeln, sie liebens- und lebenswert gestalten. Darüber hinaus lebt Demokratie vom Mitmachen.

HSS: 2018 wurden Sie erster Bürgerbeauftragter des Freistaats. Was macht eigentlich ein Bürgerbeauftragter? Und warum wurde diese Funktion überhaupt geschaffen?

Als Bürgerbeauftragter bin ich in erster Linie als Vermittler zwischen Bürgern und Behörden aufgetreten. Als Ansprechpartner für Anliegen in Lebenssituationen aller Art habe ich zugehört, erklärt und Lösungswege mit den Beteiligten erörtert.
Der Ministerpräsident, Dr. Markus Söder, wollte mit der Ernennung eines Bürgerbeauftragten bewusst eine Anlaufstelle schaffen, die dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder näher an die politische Entscheidungsfindung herangeführt werden und dadurch die Politik verständlicher und greifbarer wird. In anderen Bundesländern und in unseren europäischen Nachbarländern gibt es diese Institution schon länger.

HSS: Was sind in Ihrer Erfahrung die Themen, die die Menschen in Bayern bewegen?

Mich erreichen Anliegen aus allen erdenklichen Lebenssituationen. Auffällig ist, dass es oft an der Kommunikation hapert. Die Bürger verstehen Bescheide oder Schreiben von Behörden nicht mehr und fühlen sich dadurch nicht mehr ernst genommen.
Natürlich schlagen auch Themen, die landespolitisch diskutiert werden, wie beispielsweise das Landespflegegeld, Windkraft oder Altersarmut bei meinen Fallzahlen besonders auf. Allein im Jahr 2019 habe ich mit meinem Team rund 1.000 neue Bürgeranfragen bearbeitet.

HSS: Wie schwierig ist es, Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung auf eine Kommunikationsebene zu bringen?

Tatsächlich kann ich in rund 60% der Fälle erfolgreich unterstützen, den Sachverhalt verständlich erläutern oder vermitteln. Dabei ist insbesondere der persönliche Kontakt mit Antragsstellern aber auch Behördenmitarbeiter hilfreich und wichtig. Manchmal ist es einfacher und schneller, einen Bescheid „vom Schreibtisch aus“ zu versenden. Dies verursacht dann aber Unverständnis und Unzufriedenheit auf der anderen Seite und führt zu Auseinandersetzungen. Daher versuche ich dafür zu sensibilisieren, zunächst den direkten Kontakt zu suchen, bevor man eine Entscheidung trifft. So lässt sich auch ein etwaiges Ermessen immer besser ausüben.Beispielsweise konnte ich einer MS-Patientin zum Merkzeichen „aG“ verhelfen, so dass sie künftig Schwerbehindertenparkplätze nutzen kann. Bei einer Schülerin, die aufgrund verwahrloster Schultoiletten nicht mehr in die Schule gehen wollte, habe ich eingegriffen und dafür gesorgt, dass schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wurde. Auch ein Bauherr, der eine falsche Dachziegelfarbe verwendet hatte, hat sich an mich gewandt. Am Schluss hat die Kommune die Dachziegelfarbe zugelassen.

HSS: Künftig werden Sie als Staatsekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr tätig sein. Das wird kein einfacher Job, oder?

Auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen freue ich mich. Dabei kann ich auch gut meine Erfahrungen als Bürgerbeauftragter einbringen. Die Politikfelder im Bauministerium sind von zentraler Bedeutung für die Menschen in Bayern, daher müssen wir an guten und schnellen Verbesserungen arbeiten – und das werden wir auch!

HSS: Gegen die Wohnungsknappheit gerade in den Ballungszentren hilft eigentlich nur bauen, bauen, bauen. Damit gehen jedoch auch Probleme einher, da Nachverdichtung und Versiegelung in den Städten oft auch sehr kritisch gesehen werden. Außerdem leidet die Natur in der Stadt, wenn z.B. Frischluftschneisen oder Grünflächen dem Wohnungsbau geopfert werden. Wie wollen Sie für einen Ausgleich der oft widerstreitenden Interessen sorgen?

Hier muss man die widerstreitenden Interessen gut moderieren und mit Maß und Mitte eine Lösung finden. Ich bin zuversichtlich, dass wir – die neue Ministerin und das gesamte Team im Bauministerium – intelligent, kreativ und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl an diese Themen herangehen werden.

HSS: Auf dem Land gibt’s oft ganz andere Probleme, z. B. Leerstände, mangelnde Infrastruktur, Zersiedelung, Flächenverbrauch. Der Freistaat hat die Aufgabe, für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu sorgen. Bei dem erwarteten Zuzug von 500.000 Menschen nach Bayern in den nächsten knapp 20 Jahren wird sich die Lage wohl noch verschärfen. Wie wollen Sie das alles managen?

Auch hier gibt es keine einfache Antwort. Aber ich meine, dass beispielsweise mit der vom Ministerpräsidenten angekündigten zweiten Phase der Behördenverlagerung bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht wurde. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind nicht umsonst in der Verfassung verankert. Allerdings bin ich mir auch darüber bewusst, dass gerade das Thema „Mobilität“ eine große Herausforderung darstellen wird.

HSS: Herr Holetschek, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Thomas Reiner für die HSS.

Leiterin Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Onlineredakion

Susanne Hornberger