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Ausstieg der Philippinen aus dem Internationalen Strafgerichtshof?
Was sind die Gründe für Dutertes Erklärung?

Autor: Alexander Birle

Seit dem Amtsantritt von Präsident Duterte gehört der Populismus zum politischen Tagesgeschäft auf den Philippinen. Auch international erscheint das Land regelmäßig in den Schlagzeilen. Diese Woche verkündete Präsident Duterte den nächsten Paukenschlag: Die Philippinen werden aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) austreten und damit „ihre Ratifizierung des Römischen Statuts mit sofortiger Wirkung zurückziehen“.

Asiatischer Mann in blauem Polohemd schaut nachdenklich zur Seite

Duterte wurde 2016 zum neuen Präsidenten gewählt. Er ist studierter Jurist und wird sich in Rechtsfragen auskennen.

Ryan Lim; Ryan Lim; Malacañang Photo Bureau

Androhungen von Ausstiegen aus dem Internationalen Strafgerichtshof  (IStGH) sind vor allem auf dem afrikanischen Kontinent bekannt und kommen häufiger vor. Als bisher einziges Land trat im letzten Oktober tatsächlich Burundi aus dem Strafgerichtshof aus. Ein solcher Ausstieg ist allerdings nicht mit sofortiger Wirkung möglich, sondern wird nach Art 127 IStGH-Statut erst ein Jahr nach einer förmlichen Mitteilung an den UN-Generalsekretär wirksam. Das ist bisher noch nicht erfolgt. Die Philippinen könnten insofern frühestens im März 2019 aus dem IStGH austreten.

Der Auslöser für die öffentlichkeitswirksame Absichtserklärung des Präsidenten ist ein nun schon seit einem Monat schwelender Konflikt zwischen dem IStGH und Duterte. Im Februar 2018 kündigte das Gericht an, Vorermittlungen gegen ihn aufgrund möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten.

Zentrale Themen der Regierung Duterte sind Herstellung von Sicherheit und Bekämpfung von Drogenkriminalität. Seit dem Amtsantritt Dutertes sollen nach derzeitigem Stand rund 19.000 Menschen getötet worden sein. Durch  Polizeiaktionen starben bis heute ca. 3.900 Menschen. Deswegen war die Menschenrechtsentwicklung auf den Philippinen in den letzten eineinhalb Jahren vermehrt Gegenstand nationaler und internationaler Kritik. Im Laufe des Konflikts mit dem IStGH ließ Duterte UN-Gesandte zu Terroristen erklären und sprach davon, UN-Ermittler Krokodilen zum Fraß vorzuwerfen. UN-Hochkommissar Zeid Ra’ad Al Hussein legte dem Präsidenten daraufhin nahe, einen Psychiater aufzusuchen.

Zwei über eine Brücke verbundene Hochhäuser

Der Internationale Strafgerichtshof befasst sich mit Völkerstrafrecht und wurde 1998 auf einer Staatenkonferenz in Rom gegründet.

User Hanhil from the Nederlandstalige Wikipedia

Ist der Austritt ein Schuldeingeständnis Dutertes? Kann er damit eine mögliche Verurteilung umgehen?

Formal begründete Duterte seine Austrittsabsicht damit, dass der IStGH politisch motiviert handele und offensichtlich seine Zuständigkeiten überschreite. Denn der IStGH sei nur dann zuständig, wenn die nationale Gerichtsbarkeit nicht gewillt oder in der Lage ist, die tatsächliche Strafverfolgung im Land selber durchzuführen. Eine Anklage Dutertes vor dem IStGH könne danach nur dann erfolgen, wenn philippinische Gerichte de facto nicht in der Lage wären, den Präsidenten wegen vermeintlicher Straftaten zu verurteilen.

Diese Ausführungen zur Zuständigkeit des IStGH sind in der Tat rechtlich zutreffend. 

Nur wird dabei übersehen, dass gerade die Feststellung, ob die nationale Gerichtsbarkeit fähig und willens ist, die Strafverfolgung zu betreiben, zunächst in den Vorermittlungen des IStGH geprüft wird und gegebenenfalls auch später Gegenstand in einem Verfahren ist. Diese Feststellung wird naturgemäß von den Anklägern und Richtern des IStGH selber getroffen und nicht vom Beschuldigten. 

Präsident Duterte erklärte weiter, dass dem IStGH durch einen Austritt der Philippinen ohnehin die Zuständigkeit entzogen sei und auch aus diesem Grund keine Verurteilung stattfinden könne. Auch dieses Argument zieht nicht, da für die Zuständigkeit der Zeitpunkt der Begehung der Straftat maßgeblich ist und nicht der der Gerichtsverhandlung. Andernfalls wäre es für sämtliche Regierungschefs der Mitgliedstaaten des IStGH zu einfach, einer Verurteilung zu entgehen. Sie müssten nur – nach einer durchgeführten Straftat – die Mitgliedschaft kündigen. 

Duterte ist selber Jurist. Man kann daher davon ausgehen, dass ihm diese rechtlichen Rahmenbedingungen des IStGH bekannt sind. Er steht kurz vor seinem 73. Geburtstag und über seinen Gesundheitszustand wird immer spekuliert. Verfahren vor dem IStGH dauern, auch aufgrund der Schwierigkeit der Beweisführung, sehr lange. Den Vorermittlungen des IStGH würde ein offizielles Ermittlungsverfahren und erst dann die Verhandlung folgen. In den 16 Jahren seiner Existenz hat der IStGH erst vier Urteile gesprochen. Duterte scheint auf Verzögerung zu setzen.
Es macht insofern wenig Sinn, den Austritt zum jetzigen Zeitpunkt zu verkünden, um tatsächlich einer Verurteilung zu entgehen. 

Mann versteckt seinen Kopf in einer Kapuze und hält eine Spritze in der Hand.

Die sogenannte Antidrogenkampagne Dutertes hat viele zivile Opfer gefordert.

Liegen die Gründe für seine Erklärung in der philippinischen Innenpolitik?

Schon in der Vergangenheit setzte Duterte bei innenpolitischen Diskussionen gezielt populistische Töne gegen das Ausland ein, um von Krisen abzulenken. Innenpolitisch wird der Präsident daran gemessen, ob er tatsächlich die Sicherheit im Land verbessern kann. Die Drogenkriminalität ist das große Problem auf den Philippinen – vor allem in der Hauptstadt Manila, in der nachts ganze Stadtviertel aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden müssen. Die Bekämpfung dieser Drogenkriminalität ist das zentrale Versprechen Dutertes.

Bereits seit Amtsantritt präsentierte die Regierung immer wieder sehr öffentlichkeitswirksam sog. „Narco-lists“, Listen mit Namen vermeintlicher Drogenkrimineller. Erst vor wenigen Tagen wurde eine Liste mit den Namen von 9.000 Gemeindevorstehern („barangay chiefs“) veröffentlicht, die im Drogenmilieu aktiv sein sollen. Letztendlich findet hierdurch eine Vorverurteilung statt. Hiermit will die Regierung verdeutlichen, dass sich ihr „Kampf gegen den Drogenhandel“ auch gegen große Namen richtet und sich nicht auf den „kleinen Drogendealer auf der Straße“ beschränkt. Zu den ersten „großen Namen“ gehörten der chinesisch-stämmige Geschäftsmann Peter Lim und der Sohn eines Bürgermeisters einer mittelgroßen Stadt, Kerwin Espinosa. Sie wurden beschuldigt führende Köpfe von Drogenkartellen zu sein. Wie nun erst am 12.03. bekannt wurde, hatte die Staatsanwaltschaft bereits am 20.12.2017 die Verfahren gegen Espinosa, Lim und 20 weitere Beschuldigte aus Mangel an Beweisen eingestellt. 

Die innenpolitischen Reaktionen hierauf waren verheerend. Es wurde die gesamte Drogenpolitik der Regierung in Frage gestellt: 

  • „Weshalb erfährt die Öffentlichkeit erst drei Monate nach der Freilassung der Beschuldigten davon?
  • Welche anderen Personen wurden noch zu Unrecht der Drogenkriminalität beschuldigt und inhaftiert?
  • Richtet sich der „Kampf gegen den Drogenhandel“ in Wahrheit doch nur gegen die kleinen Leute?
  • Wie ist es möglich, dass mutmaßliche Drogenkriminelle wieder auf freiem Fuß sind?“

Auch der Rücktritt des Justizministers wurde gefordert. Dieser hat mittlerweile bekannt gegeben, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingehend überprüfen zu wollen. Der zuständige Staatsanwalt wurde bereits im Januar von Präsident Duterte persönlich zum Richter ernannt und somit befördert. 

Austritt soll von Diskussion über die Drogenpolitik der Regierung ablenken

Diese innenpolitischen Diskussionen über die Drogenpolitik der Regierung, die ein „gefundenes Fressen“ für die Opposition waren und die in den sozialen Medien ausuferten, endeten nach zwei Tagen abrupt, als Duterte ankündigte, aus dem IStGH auszutreten. Die Berichterstattung in den Medien kennt seit dem nur noch dieses Thema. Die innenpolitische Kritik ist so zur Ruhe gekommen. Genau dies dürfte auch der wahre Grund für die Absichtserklärung zum Austritt aus dem IStGH gewesen sein. Ob dieser tatsächlich erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Die Vergangenheit zeigte, dass schon einige Länder mit dem Austritt drohten, diesen dann aber nicht vollzogen. Für den IStGH, der von einigen Ländern massiv aufgrund seiner vorgeworfenen Ineffizienz in der Kritik steht, wäre der Austritt der Philippinen mit seinen 105 Mio. Einwohnern in jedem Fall eine Schwächung. 

 

Süd-/Südostasien
Stefan Burkhardt
Leiter