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Europäisch-ukrainische Konferenz
Wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine und liberale Werte

Die Ukraine erlebt aktuell wieder eine Verschärfung der militärischen Auseinandersetzung mit den Separatistengebieten im Osten des Landes. Auch zwei Jahre nach Minsk II sind wesentliche Elemente dieses Vertrages nicht umgesetzt, allem voran der Waffenstillstand. Durch eine Blockade von Eisenbahnlinien in die von Separatisten kontrollierten Gebiete lenken Aktivisten die Aufmerksamkeit auch auf die wirtschaftlichen Aspekte der Situation im Osten des Landes.

 

Podiumsdiskussion mit Markus Ferber, Iegor Soboliew, Steven Blockmans, Kristin Schreiber und Oleh Bereyzuk über die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine

Podiumsdiskussion mit Markus Ferber, Iegor Soboliew, Steven Blockmans, Kristin Schreiber und Oleh Bereyzuk über die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine

Vor diesem Hintergrund bot die Konferenz der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel "Die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine und liberale Werte" am 27. Februar 2017 europäischen und ukrainischen Experten eine Plattform, um die aktuelle politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stimmung des Landes zu diskutieren und Lösungsansätze zu suchen.
Der stellvertretende Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung und Europaabgeordnete Markus Ferber führte einleitend aus, dass die Ukraine aus europäischer Perspektive 2013/2014 schon fast am Ziel angekommen sei - die Annäherung an Europa schien mit dem Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union auf einen vorläufigen Höhepunkt zuzusteuern. Aber die Weigerung des damaligen Präsidenten Janukowitsch - in einem dramatischen außenpolitischen Kurswechsel hin zu Russland - das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen, führte erst zu Protesten auf dem Maidan in Kiew, die in Straßenkämpfen mit über einhundert Toten mündeten, dann zu dem Separatistenkrieg im Donbass und der russischen Annexion der Krim. Trotz alledem - oder gerade deswegen - sei die Ukraine nach wie vor der gewichtigste Nachbar in der östlichen Partnerschaft der EU. Allerdings scheine derzeit weder in Europa, noch der neuen US-Administration wirklich klar zu sein, wie mit der Ukraine umgegangen und wie die komplexe geopolitische Situation aufgelöst werden könne. Daher, so Ferber, seien Veranstaltungen wie die aktuelle Konferenz und die damit zusammenhängende Delegationsreise von Vertretern der Samopomitsch (Selbsthilfe)-Fraktion im ukrainischen Parlament ein wichtiges Instrument des Austauschs und der Standortbestimmung aller Beteiligten.

Oksana Syroid setzt sich für die gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine ein

Oksana Syroid setzt sich für die gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine ein

Oksana Syroid, stellvertretende Präsidentin des ukrainischen Parlaments, dankte der Hanns-Seidel-Stiftung als einer der wenigen internationalen Partnerorganisationen, die jenseits der offiziellen Politiken Lösungsansätze suche und unterschiedliche Kommunikationskanäle unterstütze. Bereits die bisherigen Gespräche in Brüssel hätten gezeigt, dass die Ukraine nicht nur eine wirtschaftliche Größe für Europa darstelle, sondern auch als Schlüsselregion der aktuellen europäischen Sicherheitsarchitektur fungiere.
Dabei sei der Krieg, den die Russische Föderation im Osten der Ukraine führe, nicht hybrid, sondern sehr real. Nahezu 10.000 Tote sind seit dem Ausbruch der Kampfhandlungen zu beklagen. Positiv - wenn man in einer solchen Situation von Positivem reden könne - sei zu bewerten, dass das russische Kalkül 2014 nicht aufgegangen war. Es sei offensichtlich, dass die russische Führung erwartet habe, dass weitaus größere Teile der Ostukraine die russischen Insurgenten unterstützen würden. Dass mit Teilen der Gebiete Lugansk und Donezk nur rund 13 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes unter die Kontrolle der Separatisten gefallen sei, müsse als offensichtliches Bekenntnis zum ukrainischen Staat und einem selbstbestimmten und freien Gesellschaftsmodell verstanden werden.
Allerdings müsse der ukrainische Staat noch deutlich mehr tun, um durch einen verstärkten Kampf gegen Korruption und bessere institutionelle Entwicklung dieses Bekenntnis zu würdigen. Damit die gesellschaftliche, staatliche und wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine gefördert werde, sei es dringend geboten, den Konflikt im Donbass zu isolieren, um zu verhindern, dass die russische Kontrolle dort die weitere Entwicklung der Ukraine insgesamt torpediere. Die derzeitige Blockade von Eisenbahnlinien in das Separatistengebiet, das auch von Abgeordneten der Samopomitsch-Fraktion unterstützt werde, bringe dieses Thema stärker in das öffentliche Bewusstsein.

Panel mit Markus Ferber, Iegor Soboliew, Steven Blockmans, Kristin Schreiber und Oleh Bereyzuk

Panel mit Markus Ferber, Iegor Soboliew, Steven Blockmans, Kristin Schreiber und Oleh Bereyzuk

In der anschließenden Podiumsdiskussion gingen Oleh Bereyzuk, Fraktionsvorsitzender der Samopomitsch im ukrainischen Parlament, Iegor Soboliew, Vorsitzender des Anti-Korruptionsausschusses im ukrainischen Parlament, Kristin Schreiber, Direktorin für kleine und mittelständige Unternehmen (KMU) in der Generaldirektion Wachstum der Europäischen Kommission, und Markus Ferber detaillierter auf die Fragen nach der wirtschaftlichen Entwicklung der Ukraine und den Möglichkeiten der Unterstützung durch die EU ein.
Die Diskussion behandelte insbesondere die Frage, ob es "unterhalb" der sogenannten Oligarchen Chancen für die Entwicklung eines Mittelstandes gebe, in dem kleine und mittelständische Unternehmen Transformationsmotoren und Innovationsträger sein können. Obwohl die derzeitige Wirtschaftsstruktur des Landes als schwierig und nur teilweise frei eingeschätzt werden muss, sind die Förderinstrumente der EU in der Lage, auf Basis des 2016 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens Impulse zu geben und KMU bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Insbesondere das COSME Programm (Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für KMU) und das Mentoren-Programm "ERASMUS für Jungunternehmer" der Europäischen Union sind neue und noch relativ wenig bekannte Programme, die auch mit Blick auf die Ukraine aufgelegt wurden.

Delegationsteilnehmer: Daniel Seiberling, Iegor Soboliew, Joseph Daul (Präsident der Europäischen Volkspartei), Oksana Syroid, Oleh Bereyzuk und Dr. Markus Ehm (HSS Brüssel)

Delegationsteilnehmer: Daniel Seiberling (Repräsentant der HSS in der Ukraine), Iegor Soboliew, Joseph Daul (Präsident der Europäischen Volkspartei), Oksana Syroid, Oleh Bereyzuk und Dr. Markus Ehm (HSS Brüssel)

Dezentralisierungsansätze in der Ukraine fördern ebenfalls die Entwicklung von KMU, die auch in der Ukraine im Grunde - so Markus Ferber - nur Rechtssicherheit und eine verlässliche Erbringung staatlicher Dienstleistungen für ihr Vorankommen benötigten.

Am Rande der öffentlichen Konferenz nutzten die Vertreter der Samopomitsch-Partei ihren Aufenthalt in Brüssel für politische Gespräche. Gegenüber den Vertretern der europäischen Institutionen stellten sie die aktuelle politische Situation im Land dar, diskutierten mit Vertretern der NATO die sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Ostukraine und tauschten sich mit dem Präsidenten der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul, über die zukünftige Zusammenarbeit beider Parteien aus.

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