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Notstand in den USA
Wahlversprechen, nationaler Notstand und Trumps Zwang zum Handeln.

Die innenpolitische Auseinandersetzung in den USA erreicht in den letzten Wochen eine neue Eskalationsstufe. Es treffen nicht nur Ideologien von Trump, den Demokraten und der Grand Old Party aufeinander. Wir erleben einen Streit zwischen den Institutionen und wie die Machtsphäre zwischen Weißem Haus und US-Kongress neu abgesteckt wird. Wird es in diesem Klima über den „Sieg“ eines politischen Lagers hinaus sachorientierte Lösungen im Sinne der Bevölkerung und der Nation geben?

Am Freitag, dem 15. Februar, wurde in den USA der nationale Notstand ausgerufen. Begründet wurde das von Präsident Trump mit einer angeblichen Sicherheitskrise und einer humanitären Krise an der Grenze zu Mexiko. Dort finde eine „Invasion“ des Landes statt und zwar durch Drogenhändler, kriminelle Banden und Menschenschmuggler. 

Bis 2017 sind die Fälle illegaler Grenzübertritte an der us-mexikanischen Grenze von 1,6 Millionen im Jahr 2000 um 90% auf etwa 310.000 Fälle gesunken.

Bis 2017 sind die Fälle illegaler Grenzübertritte an der us-mexikanischen Grenze von 1,6 Millionen im Jahr 2000 um 90% auf etwa 310.000 Fälle gesunken.

Durch die Notstandsbefugnisse kann der US-Präsident bereits vom Kongress bewilligte Gelder nach eigenem Gutdünken umwidmen. Er hofft, so an die nötigen Mittel für den Bau seiner Mauer an der US-Südgrenze zu kommen. Ein historisch einmaliger Vorgang: Das Weiße Haus beschneidet die „Power oft the purse“, die Budgethoheit des US-Kongresses, ein wichtiger Baustein im System der „Checks und Balances“ in den Vereinigten Staaten.

Doch dieses Mal sieht es so aus, als würde die amerikanische Öffentlichkeit Trumps Narrativ nicht einfach für bare Münze nehmen. Umfragen zeigen, dass nur etwa 36% den Beschluss unterstützen. Eine deutliche Mehrheit von 61% lehnt den Notstand ab und glaubt nicht an Trumps Invasion.

Überhaupt ist die Angst der US-Bürger vor illegaler Einwanderung, Berichten des Guardian zufolge, auf dem niedrigsten Stand seit 46 Jahren. Dem Department of Homeland Security nach sind illegale Grenzübertritte seit Jahr 2000 (1.643.679!) bis 2017 um über 90% auf 310.531 Fälle gesunken. Dass die Geschichte von der Krise nur vorgeschoben ist, hat Donald Trump persönlich ausgeplaudert. Auf einer Pressekonferenz sagte er: „Ich könnte die Mauer auch über einen längeren Zeitraum bauen. Ich hätte es nicht so machen müssen, aber ich mache es doch lieber schneller.“

Der nahende Wahlkampf wirft bereits seinen Schatten voraus. Trump will seiner Basis Tatkraft beweisen, auch und gerade gegen die Widerstände des verhassten Establishments. Durch die Erklärung eines nationalen Notstandes ist es dem Präsidenten möglich „Eigentum zu beschlagnahmen, die Produktionsmittel zu organisieren und zu kontrollieren, Waren zu beschlagnahmen, Streitkräfte im Ausland einzusetzen, Kriegsrecht einzuführen, alle Transport- und Kommunikationsmittel direkt zu steuern, den Betrieb von Privatunternehmen zu regulieren und Reisen einzuschränken“ wie es in einem vom Kongress 2007 durchgeführten Report heißt.

Nicht nur zwischen Republikanern und Demokraten, sondern auch zwischen den Institutionen und zwischen den Bundesstaaten und nationaler Ebene kam es zur Auseinandersetzung.

Nicht nur zwischen Republikanern und Demokraten, sondern auch zwischen den Institutionen und zwischen den Bundesstaaten und nationaler Ebene kam es zur Auseinandersetzung.

"Physische Barriere" statt einer Mauer

Der nationale Notstand wurde in den USA seit Einführung des entsprechenden Gesetzes 1976 fast 60 Mal ausgerufen. Nicht nur George W. Bush rief nach den Terroranschlägen des 11. Septembers den Notstand aus, auch Obama hat dies getan, um die damals grassierende Schweinepest effektiver bekämpfen zu können.

Viele sehen das Handeln von Trump vor allem darin begründet, dass er nun - nach Angaben des Weißen Hauses - auf Finanzmittel in Höhe von rund acht Milliarden Dollar zurückgreifen kann, um damit den Bau einer Grenzbefestigung zu Mexiko zu veranlassen. Der Kongress hatte, um den „Government Shutdown“ zu beenden, der Regierung 1.375 Milliarden Dollar für eine „physische Barriere“ bewilligt und damit weniger als ein Viertel der von Trump ursprünglich geforderten 5.7 Milliarden Dollar. Dennoch unterschrieb der Präsident den Entwurf. Durch den nationalen Notstand scheint jetzt ein Zugriff auf etwa sechs Milliarden Dollar allein aus dem Haushalt des Verteidigungsministeriums möglich, das den Etat für Baumaßnahmen und Drogenbekämpfung verwaltet. Aber auch Mittel des Finanzministeriums sollen herangezogen werden um ein 230 Meilen langes Teilstück der Mauer zu finanzieren.

Die einzelnen Konfliktlinien um den Notstandsbeschluss entwickelten sich auf verschiedenen Ebenen, entlang der jeweiligen Interessenslagen. Nicht nur zwischen Republikanern und Demokraten, sondern auch zwischen den Institutionen kam es zur Auseinandersetzung und zwischen den Bundesstaaten und nationaler Ebene. Das Weiße Haus verteidigte die Notwendigkeit des nationalen Notstands und versuchte, Trumps widersprüchliche Begründungen zu erklären. „Der Präsident macht seinen Job, der Kongress sollte seinen machen“, sagte Sarah Huckabee Sanders, die Sprecherin des Weißen Hauses. weiter „Er löst sein Versprechen, eine Mauer zu bauen, die Grenzen zu bewachen und unser großartiges Land zu beschützen ein.“

Bis es zu einer Entscheidung des Supreme Courts über den Notstand kommt, wird es länger dauern und wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist keineswegs sicher.

Bis es zu einer Entscheidung des Supreme Courts über den Notstand kommt, wird es länger dauern und wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist keineswegs sicher.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Stephen Miller, Senior Advisor des Präsidenten, sagte in einem Interview mit dem Sender Fox, dass es seit George W. Bush nicht nur zu einer „steigenden Zahl von Einwanderungen“, sondern auch zu „einer gewaltigen Zunahme der Drogentodesfälle“ gekommen sei, zwei Tatsachen die im Übrigen nichts miteinander zu tun haben. Als der Moderator daraufhin mit Statistiken konterte, die das Gegenteil bewiesen, reagierte Miller: „Sie wissen nicht, was Sie nicht wissen und Sie verstehen nicht, was Sie nicht verstehen“, betonte aber im gleichen Zuge nochmals, dass der aktuelle Zustand an der Grenze nicht geduldet werden könne.

Sogar die Republikaner sind in der Frage gespalten, ob die Notstandserklärung legitim ist oder eine unzulässige Machtverschiebung zugunsten der Exekutive darstelle. Ein gefährlicher Präzedenzfall: Präsidenten könnten künftig versucht sein, eigene politische Projekte via Notstandgesetzen am Kongress vorbei zu finanzieren.

Die Demokraten haben bereits am 26. Februar Maßnahmen ergriffen, gegen die Finanzierung des Grenzmauerprojekts durch den nationalen Notstand vorzugehen und das Recht, über den Haushalt zu entscheiden, „Königsrecht“ des Kongresses, zu verteidigen. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer, Minderheitenführer im Senat, sprachen von einem „rechtswidrigen Akt“ und einem „eklatanten Machtmissbrauch“. Die eingereichte Resolution, um eine Aufhebung des Notstandes zu beschließen, wurde im Repräsentantenhaus bereits bewilligt. Anschließend muss nun der Senat den Beschluss bestätigen, wo die Republikaner mit 53 von 100 über eine Mehrheit verfügen. Jedoch sind auch republikanische Mitglieder des Senats besorgt: „Ich glaube es war ein Fehler des Präsidenten. Ein Notstand sollte nicht dafür genutzt werden Milliarden von Dollar außerhalb des normalen Mittelverbrauchs einzusetzen“, sagte Susan Collins, Senatorin für den Bundesstaat Maine und Paul Rosenzweig, Professor an der George Washington University und ehemaliger Homeland Security Beauftragter der George W. Bush Administration schreibt: „Ich erinnere mich, als Republikaner für Rechtsstaatlichkeit, gegen unkontrollierte Exekutivgewalt und für Gewaltenteilung standen “.

Gegen einen durchaus wahrscheinlichen Widerspruch im Senat, könnte der Präsident wiederum sein Veto einlegen. Um dieses abermals zu überstimmen, bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit von 60 Stimmen im Senat. Diese Marke scheint trotz allem schwer erreichbar.

Zunächst aber wird der Konflikt auf einer anderen Ebene ausgetragen. Am Montag, 18. Februar, haben 16, zum Großteil demokratisch geführte, Bundesstaaten Klage, vor dem Bundesgericht in Kalifornien, gegen den Notstand eingereicht, darunter die bevölkerungsreichen Staaten Kalifornien und New York. Xavier Beccara, der Generalstaatsanwalt Kaliforniens, sieht darin eine „Schädigung des Volkes“. Der Präsident stehle Geld, das den Bundesstaaten für andere Zwecke bereitgestellt worden sei.

Doch mit harten politischen und juristischen Auseinandersetzungen war von Beginn an gerechnet worden. Trump selbst vermutete, dass der Rechtsstreit bis vor den Obersten Gerichtshof kommen werde. Dort existiert seit der umstrittenen Berufung von Brett Kavanaugh im Oktober letzten Jahres inzwischen eine konservative Mehrheit.

Es verfestigt sich der Eindruck, dass es Trump in erster Linie darum geht sein zentrales Wahlversprechen, den Mauerbau, zu erfüllen. Dafür scheint er gewillt, auf alle ihm möglichen Mittel zurückzugreifen. Auf Twitter änderte er bereits seinen Wahlspruch von „Build the wall“ zu „Finish the wall“, um sich medienwirksam als einsamer Kämpfer im Sinne der Sache zu präsentieren. Der Präsident zielt darauf ab, seine Basis noch stärker an sich zu binden indem er entweder sein Wahlversprechen umsetzt oder, im Falle einer Niederlage vor Gericht, den Demokraten die Verantwortung für das Scheitern zuschiebt. Er kämpfe schließlich gegen Drogendealer und Menschenschmuggler, während die Demokraten die Sicherheit der USA und seiner Bürger leichtfertig aufs Spiel setzten.

Was der Präsident bereits als eine Art Pyrrhussieg verbuchen kann ist, dass ein Teil seiner Strategie, die verschiedenen Institutionen gegeneinander auszuspielen, derzeit erfolgreich zu sein scheint. Es ist nun ein Wettlauf gegen die Zeit angebrochen: Während die Klage der 16 Bundesstaaten bei Gericht in San Francisco liegt und auf eine Entscheidung wartet, kann Trump, nachdem die Vorschläge aus den betroffenen Behörden vorliegen, am Kongress vorbei auf Finanzmittel zugreifen und die Mauer (weiter)bauen lassen. Die Fortschritte würden dann via Twitter auf die Smartphones der Trump-Basis getragen werden. Gegen jeglichen Beschluss des Gerichts wird dann wohl wiederum Einspruch durch die unterlegene Seite eingelegt werden. Bis es am Ende zu einer Entscheidung des Supreme Courts kommt, wird einige Zeit ins Land gehen und wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist keineswegs sicher. Denn obwohl dort eine konservative Mehrheit herrscht, die Trump eventuell gewogen sein könnte: eine Entscheidung zugunsten des Präsidenten würde weitreichende Folgen mit sich bringen. Die auf Lebenszeit ernannten Richter werden sich für Bewahrung von Rechtsstaatlichkeit einsetzen und die Auslegung der Verfassung hier sorgfältig abwägen. Das Urteil würde sich nämlich nicht nur auf den Bau der Mauer auswirken. Auch künftige Präsidenten könnten sich des Notstandsgesetzes bedienen, um zum Beispiel den im Moment diskutierten „Green New Deal“  zu finanzieren. Wahrscheinlicher ist, dass auch in dieser Instanz den Klägern recht gegeben wird und sich Trump erneut als einsamer Kämpfer für Gerechtigkeit und Sicherheit inszenieren kann, dem mutwillig Steine in den Weg gelegt werden. Armer Präsident, arme USA.

Autorin: Katharina Kommer