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Themenquartal Energie
Herausforderungen, Perspektiven und Lösungen: Erneuerbare Energien

Autor: Ramona Fruhner

Erneuerbare Energien leisten einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz und einer nachhaltigen Lebensart. Gleichzeitig können sie zur Versorgungssicherheit beitragen. Dennoch stockt die "Energiewende" trotz verstärkter Aufmerksamkeit, zuletzt hervorgebracht durch den Ukraine-Krieg. In unserer Reihe "Energie" beleuchten wir das Thema aus mehreren Perspektiven in unseren Online-Seminaren bis Weihnachten, immer mittwochs um 19:30 Uhr.

Im November und Dezember dreht sich bei uns alles rund um die Energiewende. Die Schwerpunkte des kommenden Online-Seminars sind neben dem aktuellen Stand der Energiewende im Dezember: Reallabore als Katalysator Richtung Klimaneutralität und das Best-Practice laufender Reallabore.

Zur Anmeldung : "Reallabor Energiewende" am 14. Dezember 2022 

Alle Videos der Diskussionen rund um Erneuerbare Energien finden Sie auch auf unserem YouTube-Kanal.

 

Aktuelles Video unserer Online-Reihe:

Für Geothermie wird die Energie aus der Tiefe verwendet, welche durch radioaktiven Zerfall in etwa 6400 km unter uns entsteht. Um diese zu nutzen, bleibt man auf der Oberfläche der Erdkruste. Wie genau Energie aus Geothermie gewonnen werden kann erklärt Dr. David Bertermann, Leiter der Arbeitsgruppe Oberflächennahe Geothermie vom GeoZentrum Nordbayern.

©HSS

Interview mit Dipl.-Ing Dr. Josef Hochhuber

Dr. Josef Hochhuber ist am bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie als stellvertretender Referatsleiter im Grundsatzreferat für erneuerbare Energien tätig. Die Ausführungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder.

Dr. Josef Hochhuber ist am bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie als stellvertretender Referatsleiter im Grundsatzreferat für erneuerbare Energien tätig. Die Ausführungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder.

HSS: Gefühlt ist das Thema Erneuerbare Energien (EE) ja schon seit den 90er Jahren immer wieder in aller Munde. Fukushima hat dazu geführt, dass es wieder verstärkt Aufmerksamkeit erfuhr, dann war ein großer Hype um die Erneuerbaren Energien und jetzt hat man das Gefühl, allzu Vieles hat sich nicht getan. Spätestens durch den Ukraine-Krieg sind die Regenerativen Energien, ist das Thema Energieversorgung wieder präsent wie nie zuvor. Wieso dauert es so lange, bis wir auf Erneuerbare umsteigen?

Dr. Josef Hochhuber: Es ist kein Geheimnis, dass wir uns viel zu lang einer ganzen Reihe von Illusionen hingegeben haben; Angefangen vom blinden Vertrauen auf einen oder einzelne Energielieferanten und in die dauerhafte Verfügbarkeit billiger fossiler Energie, über die angebliche Klimaverträglichkeit von Erdgas, bis hin zur Hoffnung, dass der Klimawandel schon nicht so schlimm wird. Andererseits führen uns nun die explodierenden Energiepreise und die drohende Verknappung vor Augen, wie trügerisch diese Naivität war. Während Strom aus Erdgas heute ca. 50 ct/kWh kostet, haben PV- und Windstrom in Bayern Gestehungskosten von 6-9 ct/kWh. Auch wenn noch Kosten für deren Systemintegration hinzukommen, sind PV- und Windstrom deutlich günstiger als Strom aus fossilen Quellen.

Für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gilt es jedoch, zahlreiche Hürden zu überwinden. Dies fängt an bei der Schaffung von Akzeptanz für die Anlagen, vor allem für die besonders sichtbaren Windkraftanlagen. Die finanzielle Beteiligung der Anwohner an den Anlagen könnte ein Schlüssel dazu sein. Es endet nicht zuletzt bei der Straffung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und einem weiterentwickelten Verständnis von Naturschutz (Artenschutz statt Individuenschutz).

Was sind die größten Herausforderungen beim aktuellen Thema?

Das Handeln sollte sich grundsätzlich am energiepolitischen Zieldreieck orientieren. (Sicherheit, Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit), ergänzt um den Aspekt Akzeptanz. Kurzfristig gilt es, in den künftigen winterlichen Engpasszeiten die Energieversorgung in ausreichendem Maß sicherzustellen, die Menschen zu einem sparsamen und effizienten Energiegebrauch möglichst ohne wesentliche Komforteinschränkung zu motivieren, und vor allem die sozial Schwächeren der Gesellschaft gezielt zu unterstützen.

Langfristig geht es darum, die nötige energiewirtschaftliche Transformation zur Klimaneutralität so volkswirtschaftlich effizient und kostengünstig wie möglich umzusetzen. Das bedeutet vor allem auch, alle Maßnahmen vom Ziel her zu planen und zu vermeiden, dass eine geringe Kosteneinsparung heute zu massiven Mehrkosten für künftigen Generationen führt. Die Energiepolitik sollte dabei möglichst faktenbasiert und frei von Lobbyismus und Ideologie ausgestaltet sein.

Zu sehen sind vier nebeneinanderstehende Fotos mit verschiedenen Möglichkeiten von erneuerbaren Energien, wie Windräder oder Raps.

Reihe von alternativen Möglichkeiten zur Energiegewinnung

GetYourPic; HSS; istock

Grundsätzlich ist zu bedenken, dass keine Energieform wirklich umweltneutral ist. Der Umweltnutzen entsteht auch nicht durch die Erzeugung erneuerbarer Energie, sondern erst, wenn man damit „schmutzige“ bzw. fossile Energie ersetzen kann. Es kommt daher nicht nur auf den Ausbau, sondern auch die Integration der erneuerbaren Energie an. Die sauberste Energie ist zudem die, die man (z.B. durch Steigerung der Energieeffizienz) erst gar nicht braucht. Dennoch stellt die umweltverträgliche Erzeugung erneuerbarer Energien einen Schlüssel zur erfolgreichen Energiewende dar.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat aber auch viele Gegner, die sich nicht scheuen, Falschdarstellungen und Übertreibungen zu verbreiten. Viele Windenergiegegner, die sich nie für Naturschutz interessiert haben, werden plötzlich zu Rotmilan-Schützern, wenn es darum geht, Stimmung gegen Windkraft zu machen. Dabei hatte z.B. eine aktuelle EU-Studie ergeben, dass Windkraftanlagen bei den Todesursachen von Rotmilanen erst an siebter Stelle liegen, noch hinter dem Eisenbahnverkehr.

Ähnlich ist es beim Thema Schwefelhexafluorid (SF6), von dem ca. 3 kg in einer Windkraftanlage vorhanden sind. Ein SF6-Molekül ist 23.500 mal treibhauswirksamer als ein CO2-Molekül. Würden nun die ganzen 3 kg durch einen – sehr unwahrscheinlichen - Defekt freigesetzt, entspräche das etwa 75 Tonnen CO2. Das ist etwa so viel, wie ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit „fossiler“ Heizung in weniger als 10 Jahren ausstößt. Demgegenüber spart eine große Windenergieanlage im Laufe ihrer Betriebszeit weit über 100.000 t CO2 ein.

 

Allerdings sind die Betreiber zur SF6-Rückgewinnung gesetzlich verpflichtet. Die europäische F-Gase-VO Nr. 517/2014 sieht bei allen Anlagen, auch Kälteanlagen mit fluorierten Treibhausgasen, eine Rückgewinnung durch sachkundiges Personal verpflichtend vor. Nach Abschätzung des Umweltbundesamtes werden daher in Deutschland pro Jahr weniger als 20 kg SF6 aus allen Schalteinrichtungen zusammen freigesetzt, an denen Windenergieanlagen nur einen kleinen Anteil haben. Laut offiziellen Statistiken werden heute die größten Mengen SF6 in Trafostationen eingesetzt und die mit Abstand größten Emissionen kommen aus der Entsorgung von Schallschutzfenstern, in denen sie früher eingesetzt wurden. Windkraftanlagen spielen hier also praktisch keine Rolle. Konsequente Klimaschutzpolitik heißt aber auch, SF6 in allen technischen Bereichen, auch bei Windkraftanlagen, zu vermeiden. Alternativen sind vorhanden, auch wenn sie teilweise etwas teurer sind.

Hier muss man zwischen der technischen und der ökonomischen Beurteilung unterscheiden. Wenn alles ideal läuft, der Winter nicht zu streng wird, erhebliche Anstrengungen zum Stromsparen unternommen werden, und in kritischen Situationen Teilabschaltungen in Kauf genommen werden, dürfte auch ohne Kernenergie die Stromversorgung im Winter gesichert sein.

Etwas Anderes ist die ökonomische Seite. Der Strompreis hat heute nie gekannte Spitzen erreicht. Isar 2 hat im Winter einen Anteil am bayerischen Stromverbrauch von ca. 12 %. Wenn in der Grundlast kostengünstiger Strom fehlt, muss dies durch andere teurere Kraftwerke oder Stromimport ausgeglichen werden. Nach Berechnungen unterschiedlicher Forschungsinstitute würde ein Streckbetrieb von Isar 2 die Stromkosten senken (z.B. nach Berechnung des IFO-Institutes um ca. 4 %) und zudem in der Tendenz die Versorgungssicherheit erhöhen. Es ist auch ein nicht unwichtiges Signal an die europäischen Partnerstaaten, die durch eigene Einsparungen eine auskömmliche Energieversorgung in Deutschland mit unterstützen sollen.

Neben dem Streckbetrieb der laufenden Kernkraftwerke müssen kurzfristig alle verhaltensabhängigen und geringinvestiven Maßnahmen angegangen werden, die uns bereits im kommenden Winter helfen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Preise möglichst niedrig zu halten. Einzelne Energieträger gegeneinander auszuspielen, hilft nicht weiter.

Langfristig gilt es, sowohl von fossilen Energieträgern als auch von Ländern mit autokratischen Regimen unabhängig zu werden. In der Stromwirtschaft gilt die sog. „n-1-Regel“, die so große Reserven vorsieht, dass trotz des Ausfalls irgendeiner Systemkomponente der ungestörte Weiterbetrieb des ganzen Systems gesichert ist. Analog dazu dürfen wir nie wieder von einem Land oder einer Energiequelle so abhängig sein, dass wir nicht im Krisenfall jederzeit darauf verzichten könnten.

Hier muss man zwischen kurzfristigen und langfristigen Ansätzen unterscheiden. Eine Faustregel sagt, dass kurzfristig in fast allen Bereich durch energiebewusstes Verhalten ca. 20 % Energie ohne Komfort- oder Produktivitätsverlust einsparen könnte. Allein z.B. durch falsch eingestellte Heizungen und falsches Lüften geht viel Heizenergie im Winter verloren. Die aktuelle Initiative www.Heizungsoptimierung.Bayern zeigt hier eine Vielzahl von Maßnahmen auf, die jeder Einzelne schnell und ohne großen Kostenaufwand durchführen kann.

Langfristig kommt es vor allem darauf an, durch konsequente Investitionen in energieeffiziente Techniken den Stromverbrauch zu verringern. Sowohl in der Industrie als auch im Haushalt hat es in den letzten Jahren massive Fortschritte bei Anlagen und Elektrogeräten gegeben. Gerade bei Neuanschaffungen gilt es, sich grundsätzlich für das effizienteste Gerät zu entscheiden. Moderne Beleuchtungstechnik kommt heute z.B. mit bis zu 90 % weniger Strombedarf aus wie vor 20 Jahren. Zahlreiche konkrete Tipps gibt es z.B. im Energie-Atlas Bayern (www.energieatlas.bayern.de).

In der Tat ist der Wärmesektor der Schlüsselsektor für das Gelingen der Energiewende. Ähnlich wie im Verkehrssektor gab es hier die letzten Jahre nur wenig Fortschritte. Hier gibt es eine ganze Reihe von Hemmnissen, die es zu überwinden gilt. Diese reichen vom hohen Finanzmittelbedarf bei einer energetischen Haussanierung über Vorbehalte gegenüber Fassadendämmung und Lüftungsanlagen bis hin zu Interessenskonflikten (Mieter-Vermieter-Dilemma) und Fehl-Lenkung durch veraltete Baunormen.

Im Energiebereich lässt sich der Mensch auch leicht bezüglich Größenordnungen täuschen. Mit den 3.000 Litern Heizöl, die in einem typischen Einfamilienhaus im Jahr verheizt werden, könnte man mit einem sparsamen 3-Liter-Auto 100.000 km weit fahren. Mit der Energie, die man bei 10 Minuten Duschen verbraucht, könnte man einen Raum mit einer sparsamen LED-Lampe 300 Stunden, d.h. fast zwei Wochen beleuchten. 

Mit den heute verfügbaren Techniken im Bereich Energieeffizienz, erneuerbare Energien oder Speichertechnologien ist dieses Ziel grundsätzlich tatsächlich erreichbar. Dies würde aber im Vergleich zu heute eine massive Erhöhung der dafür erforderlichen Anstrengungen und Maßnahmen bedeuten. Beispielsweise müsste die Zahl der verfügbaren kompetenten Handwerker für Gebäudesanierung signifikant steigen. Die Quote für ambitionierte Sanierung müsste von heute unter 0,5 % auf über 5 % steigen.

Noch schwieriger ist die Situation im internationalen Kontext. Gerade angesichts des Ukraine-Kriegs ist es schwer vorstellbar, wie Länder wie Russland oder die großen Ölförderstaaten dazu motiviert werden können, ihre fossilen Energiereserven ungenutzt im Boden zu lassen und auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Auch wenn Deutschland weniger als 2 % zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beiträgt, besteht unser großer globaler Hebel darin, innovative Techniken und Marktmodelle zu entwickeln und dieses weltweit zu verbreiten. Ein gutes Beispiel war das weltweite Hochfahren der Photovoltaik und der Windenergie, gestützt durch die deutsche Nachfrage. Eine ebensolche Wirkung könnten wir z.B. beim energieeffizienten Bauen oder bei CO2-armer Mobilität entfalten, wenn wir tragfähige Techniken und Modelle entwickeln, wie sich die Maximierung des (Wohn-)komforts mit der Minimierung des Energieverbrauchs intelligent verbinden lässt. Diese neuen Technologien und Konzepte müssen dann dort Anwendung finden, wo in Zukunft die großen Bauvorhaben stattfinden, vor allem in China oder den großen Schwellenländern Indonesien, Brasilien oder Ägypten.

Was nutzt es in Summe tatsächlich, wenn Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, aber die deutlich größeren Weltmächte daran festhalten?

Bis vor dem Ukraine-Krieg haben ca. 80 % der Deutschen den Kernenergieausstieg befürwortet. Hauptgründe waren/sind das extrem geringe, aber dennoch nicht ganz ausschließbare Restrisiko eines Atomunfalls und die ungelöste Frage der dauerhaften Lagerung von Atommüll. Hinzu kommt, dass die Lebensdauer der Kernkraftwerke (KKW) begrenzt ist und der Neubau von Kernkraftwerken hohe Investitionen erfordert.

Auf der anderen Seite ist unumstritten, dass die Versorgung mit kostengünstigem Grundlaststrom aus der Kernenergie vor allem im Winter einen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung und Reduzierung der Strompreise leisten würde, zudem einen Teil der Gasverstromung ersetzen würde. Der nun vorgesehene Streckbetrieb der KKW wird in der Bevölkerung weitgehend befürwortet. Für die Strom- und Gaskunden, insbesondere auch für die Wirtschaft, dürfte es absehbar eine nicht unerhebliche Kostendämpfung bedeuten. Keinesfalls darf aber der Druck zum Umbau des Energiesystems sinken.

Welcher der beiden Aspekte nun in Summe überwiegt (im Hinblick auf die Fragestellung), unterliegt eher der individuellen subjektiven Bewertung. Die Bedeutung Deutschlands ergibt sich im internationalen Kontext nicht aus dem absoluten Beitrag, sondern aus der Vorbildwirkung.

Das Interview führte HSS-Kommunalreferentin, Ramona Fruhner, Master of Science in Umweltplanung und Ingenieurökologie. 

Weitere Videos unserer Online-Reihe:

Zum Auftakt unserer neuen Online-Reihe "Erneuerbare Energien" verschaffen wir uns einen Überblick über die Herausforderungen und Lösungsansätze der Energiewende. Der Schlüssel liegt vor allem auch in Energieeffizienz und einer gelingenden systemverträglichen Sektorenkopplung. Für eine funktionierende Umsetzung braucht es Flexibilität von Seiten der Verbraucher und ausreichende Netzkapazitäten. Referent Dr. Josef Hochhuber ist stellvertretender Referatsleiter beim Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie.

©HSS

Der Weg der bayerischen Energieversorgung blickt auf eine lange Zeit zurück. Angefangen von der Wasserkraft und der Verbrennung von Holz über den Abbau von Kohle und den fossilen Energieträgern wie Öl und Gas im Zuge der Industrialisierung. Um 1950 wurde auf Atomenergie und russisches Gas gesetzt, ehe in den 70er Jahren Photovoltaik, Windkraft und Biogas als Wegbereiter aufkamen. Erst der Vorreiter des Erneuerbaren-Energien-Gesetz, das Stromeinspeisegesetz brachte 1991 den langersehnten Durchbruch für die Erneuerbaren Energien. Der Landesvositzende der Erneuerbare Energien von Bayern, Raimund Kamm, zeigt auf, wie sich Bayerns Energiemarkt entwickelt hat.

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Leiterin: Ramona Fruhner
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