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Vor 50 Jahren
Das erste Umweltministerium – eine Pionierarbeit

Bayern hat vor 50 Jahren Pionierarbeit geleistet: Am 8. Dezember 1970 beschloss der Bayerische Landtag die Gründung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen. Es war das erste Umweltministerium in Deutschland und Europa, wenn nicht sogar weltweit.

Deutschland, das Wirtschaftswunderland: In der Nachkriegszeit erholte sich die Wirtschaft in Deutschland erstaunlich schnell. Industrieregionen mit ihren unzähligen, unablässig rauchenden Schloten waren gleichsam das Symbolbild dieser Dynamik.

Der CSU-Politiker Max Streibl bekam 1970 von Ministerpräsident Alfons Goppel das neue "Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen" übertragen. Streibl sollte sich als ein Politiker mit Weitblick erweisen.

Der CSU-Politiker Max Streibl bekam 1970 von Ministerpräsident Alfons Goppel das neue "Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen" übertragen. Streibl sollte sich als ein Politiker mit Weitblick erweisen.

Winfried Rabanus; HSS

Die Bevölkerung konnte sich mit zunehmenden Wohlstand immer mehr Konsumgüter leisten. Doch bald wurden auch die Folgen dieser Entwicklung immer deutlicher, etwa zunehmende Luftverschmutzung, Flüsse, die mit Abwässern so stark belastet waren, dass Fische starben, Abfall jeglicher Art, der in Hausmülldeponien, oft aber auch einfach auf „wilden Müllkippen“ entsorgt wurde und das Grundwasser belastete. Auch die zum Teil rigorosen Eingriffe in Natur und Landschaft im Zuge der Modernisierung und Technisierung des Landes gefielen nicht jedem. Nach und nach keimte ein entsprechendes Problembewusstsein auf. Wichtige Anstöße für das Interesse auch jenseits der Fachwelt lieferten Tier- und Naturschützer wie Horst Stern, Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann oder Hubert Weinzierl.

Umweltschutz kommt auf die internationale Agenda. Und Bayern legt vor!

Die frühen 1970er Jahre gelten als Geburtsstunden der Umweltpolitik und starten mit einem vom Europarat ausgerufenen „Naturschutzjahr“. In ganz Europa fanden das ganze Jahr über zahlreiche Aktionen statt. Zur Eröffnung wurde eine Europäische Konferenz mit hochrangigen Teilnehmern abgehalten, die in einer Deklaration fordern, dass der „vernunftgemäße Gebrauch und die Planung der natürlichen Ressourcen“ in der Politik höchsten Vorrang genießen und gleichberechtigt finanziert werden sollen.

Auf den Kopf gestellt: ein Marienkäfer auf dem Großen Wiesenknopf - übrigens Blume des Jahres 2021. Die Entwässerung von Feuchtwiesen und intensive Weidewirtschaft sowie Mahd zu einem ungünstigen Zeitpunkt können die Bestände gefährden.

Auf den Kopf gestellt: ein Marienkäfer auf dem Großen Wiesenknopf - übrigens Blume des Jahres 2021. Die Entwässerung von Feuchtwiesen und intensive Weidewirtschaft sowie Mahd zu einem ungünstigen Zeitpunkt können die Bestände gefährden.

S.Franke

Ein Anliegen, dass Bayern umsetzte, indem es dem Thema Umwelt eine eigene Rolle im Kabinett zugeschrieb-  Am 8. Dezember 1970, direkt nach der Landtagswahl - bei der die CSU mit 56,4 % der Stimmen eine Mehrheit auf sich vereinigen konnte - legte Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel (CSU) dem Bayerischen Landtag einen Vorschlag zur Neuorganisation der Staatsregierung vor und erklärte dabei, dass ein „Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen“ errichtet werden soll. Seine Begründung: „Die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen durch die zunehmende Technisierung der Welt und den unkontrollierten Egoismus der einzelnen lässt es nicht zu, den Umweltschutz heute noch von den Ministerien gesondert unter den verschiedensten Teilaspekten wahrzunehmen.“ Der Landtag stimmte zu. Und so entstand das erste Umweltministerium in Deutschland, ja sogar das erste in Europa und womöglich weltweit. Zum Vergleich: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurde erst 1986 gegründet.

Überzeugungs- und Pionierarbeit

Alois Glück,, der als Abgeordneter und Staatssekretär selbst die Umweltpolitik von Anfang an mitprägte, erinnert sich, dass dies so selbstverständlich nicht war. Einige Kollegen hielten es für eine falsche Konzession an den Zeitgeist. Doch der damalige Generalsekretär Max Streibl hatte sehr wohl die Bedeutung erkannt und in vielen Gesprächen Überzeugungsarbeit geleistet – und wurde der erste Umweltminister.

Wie folgende Tabelle zeigt, stand das Bayerische Umweltministerium 1970 bis 2018 unter der Führung von Ministern und Staatsekretären aus den Reihen der CSU-Fraktion. Umweltpolitik hat allerdings nicht immer einen prominenten Stellenwert. Oft sind es Katastrophen oder herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse, die Umweltthemen wieder stärker in das Bewusstsein von Gesellschaft und Politik rücken. Der ehemalige Bundesabgeordnete Josef Göppel, ebenfalls ein Urgestein der Umweltpolitik, zeichnet in Interviews hier gern das Bild von „kurzen Wellen, die wieder abebben“.

Dr.h.c. Max Streibl  (1970-1977), CSU

 

70er Jahre

Umweltprobleme, wie das Fischesterben im Rhein oder das Chemieunglück in Seveso (Italien);

Großereignisse, wie das erste Europäisches Naturschutzjahr oder die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Stockholm;

Buch von Dennis Meadows: „Die Grenzen des Wachstums“;

Gründung der Partei „Die Grünen“

Alfred Dick (1977-1990), CSU

 

80er Jahre

Umweltprobleme, wie „saurer Regen“ und Waldsterben“, „Treibhausgase und Ozonloch“ und das Reaktorunglück von Tschernobyl;

Proteste gegen Großinfrastrukturmaßnahmen, wie Rhein-Main-Donau-Kanal oder Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf;

Buch von Frederic Vester „Unsere Welt, ein vernetztes System“

Die Grünen ziehen 1983 in den Bundestag und 1986 in den Bayerischen Landtag ein

Dr. Peter Gauweiler (1990-1994), CSU

 

90er Jahre

Großereignisse, wie die UN-Konferenz in Rio de Janeiro über Entwicklung und Umwelt (weltweit setzt man sich mit „nachhaltiger Entwicklung“ und einer “Agenda 21“ auseinander), das zweites Europäisches Naturschutzjahr oder die UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen („Kyoto-Protokoll“);

Volksbegehren "Das bessere Müllkonzept"; Greenpeace-Proteste gegen die Versenkung der Ölplattform “Brent Spar“

Dr. Thomas Goppel (1994-1998), CSU

 

Dr. Werner Schnappauf (1998-2007, CSU)

 

00er-Jahre

Buch von Nicholas Stern: „Die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung“ („Stern-Report“)

UN-Bestandsanalyse der globalen Biodiversität („Millenium Ecosystem Assessment“); Neue Erkenntnisse zu „Naturkapital: Wert der Natur“; „Green Economy“, „Kipp-Punkte im Erdsystem“

Streit um den Donauausbau

Dr. Otmar Bernhard (2007 - 2008), CSU

 

Dr. Markus Söder (2008 - 2011), CSU

 

Dr. Marcel Huber (2011-2014), CSU

 

2010-2020

Nuklearkatastrophe von Fukushima; die Energiewende wird eingeleitet;

Großereignisse, wie das UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen („Paris-Abkommen“)

Enzyklika von Papst Franziskus „Laudato Si“

Initiative „Gegen Flächenfraß“ und Volksbegehren „Rettet die Bienen“

Ulrike Scharf (2014 – 2018), CSU

 

Dr. Marcel Huber (21.3.-12.11.2018), CSU

 

Thorsten Glauber (seit 12.11.2018) – FW

Eine kleine Echse in einer Hand gehalten

Der Alpensalamander steht zwar auf der Roten Liste, gilt derzeit aber nicht als gefährdet.

S.Franke

Bei der Gründung des Umweltministeriums betrat Bayern Neuland, es gab ja keine Vorbilder aus anderen Ländern. Die Personalbesetzung und Aufgabenbeschreibung des Ministeriums inklusive Unterbau in den Bezirksregierungen und Landratsämtern musste erst organisiert werden. Obwohl das Ministerium also erst im Aufbau war, gelang es, gleichzeitig dem Umwelt- und Naturschutz weiter zu institutionalisieren.

Walter Brenner, der 1971 in die Umwelt-Abteilung des frisch gegründeten Ministeriums versetzt wurde, erinnert sich: „Politisch war zunächst ein Bayerisches Naturschutzgesetz gefordert. (…) Der Traum eines Juristen: selbst ein Gesetz verfassen zu dürfen! (…) Ganz neu war in dem Gesetz die Eingriffsregelung. Vorher hat der Naturschutz eigentlich nur in Schutzgebieten gedacht. Aber die Eingriffsregelung geht auf den Gedanken zurück, dass grundsätzlich jeder Eingriff in die Natur – gleich, ob in einem Schutzgebiet oder nicht – einer Kontrolle bedarf.“

Meilensteine bayerischer Umwelt-Pionier-Arbeit in den 1970er Jahren 

  • 1970 Gründung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen
  • 1970 Gründung der "Gesellschaft für Sonderabfall Entsorgung Bayern (GSB)"
  • 1972 Gründung des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz
  • 1972 „Drei-Zonen-Alpenplan“ für den Umweltschutz im Bayerischen Alpenraum
  • 1973 Neufassung des Bayerischen Naturschutzgesetzes, das seinerzeit als modernstes Naturschutzrecht in Europa galt
  • 1974 Erstellung des ersten Landesentwicklungsprogramms
  • 1974 Erstellung des ersten Umweltprogramms
  • 1974 Einrichtung des Landtagsausschusses für Landesentwicklung und Umweltfragen
  • 1974 Beginn der Biotopkartierung Bayern
  • 1974 Einführung der Naturschutzbeiräte
  • 1974 Bayerisches Waldgesetz, das erstmals auch Schutzfunktionen umfasste
  • 1975 Gründung der Naturschutzwacht
  • 1976 Gründung der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) als staatliche Bildungs- und Forschungseinrichtung in Laufen

Es ist Henning Kaul zu verdanken, dass es einen detaillierten Überblick zu den Meilensteinen bayerischer Umweltpolitik gibt. Der ehemalige Landtagsabgeordnete (CSU) war von 1990 bis 2008 Vorsitzender des Umweltausschusses des Bayerischen Landtags.

Nicht weit von Murnau im südlichen Bayern: die Schleierfälle in der Ammerschlucht, ein sensibles Naturdenkmal!

Nicht weit von Murnau im südlichen Bayern: die Schleierfälle in der Ammerschlucht, ein sensibles Naturdenkmal!

S.Franke

Ein Zeitsprung: Umwelt wieder Top-Thema

Im Frühjahr 2018 beantragten die Grünen das Volksbegehren Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt“. Sie wollten einen verbindlichen Grenzwert einführen, der den Flächenverbrauch auf fünf Hektar pro Tag beschränkt. Mit 48.000 Unterschriften konnten sie weitaus mehr als die notwendigen 25.000 sammeln. Doch der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, dass die im Volksbegehren formulierten Ziele die kommunale Planungshoheit unzulässig einschränken würden. Der Antrag wurde damit abgewiesen. Auf die nach wie vor schwelende und mobilisierungsbereite Stimmung der Unterstützer des Volksbegehrens reagierte die Bayerische Staatsregierung mit einer „Flächensparoffensive“ und einem Bündel an Maßnahmen. Die „5 ha pro Tag“ wurde als Richtgröße im Bayerischen Landesplanungsgesetz verankert und soll bis zum Jahr 2030 bayernweit angestrebt werden, flankiert durch z.B. Flächensparmanager und Regionalkonferenzen.

Der Sonnentau - die fleischfressende Pflanze ist an die äußerst nährstoffarmen, sauren Umgebung der Moore angepasst. Die Blätter sondern eine klebrige Flüssigkeit ab, die wie Tautropfen in der Sonne glänzen. Doch Insekten, die davon angelockt werden bleiben daran kleben und werden aufgelöst. So bessert die Pflanze ihren Stickstoffbedarf auf.

Der Sonnentau - die fleischfressende Pflanze ist an die äußerst nährstoffarmen, sauren Umgebung der Moore angepasst. Die Blätter sondern eine klebrige Flüssigkeit ab, die wie Tautropfen in der Sonne glänzen. Doch Insekten, die davon angelockt werden bleiben daran kleben und werden aufgelöst. So bessert die Pflanze ihren Stickstoffbedarf auf.

S.Franke

Anfang 2019 startete jedoch erneut ein Volksbegehren, bekannt unter dem Motto „Rettet die Bienen“. Es wurde zum bisher erfolgreichsten Volksbegehren in Bayern.  Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder (CSU) reagierte mit Hochdruck und berief einen „Runden Tisch“ mit den Initiatoren und Betroffenen ein. Gleichzeitig konnte er die Landesregierung überzeugen, die Unterstützung der Bevölkerung für das Volksbegehren zu respektieren und den Gesetzentwurf eins zu eins zu übernehmen, wobei strittige Themen, die am Runden Tisch zu Sprache kamen, über ein Begleitgesetz abgefedert werden sollten.

Unterdessen war auch der Erfolg der Fridays for Future-Bewegung nicht mehr zu übersehen. Damit war klar. Die Politik muss sich verstärkt mit Umwelt- und Klimaschutzthemen auseinandersetzen. Die CSU verspricht: „Wir sorgen dafür, dass Bayern auch in Zukunft Vorreiter in Sachen Umweltschutz bleibt“.  So wurde jüngst das Bayerische Klimaschutzgesetz verabschiedet. Das Arbeitsprogramm sieht einen zehn-Punkte-Plan mit 96 Maßnahmen vor. Bis spätestens 2050 soll Bayern das erste klimaneutrale Bundesland werden. 

Autor: Silke Franke, HSS

Umwelt und Energie, Städte, Ländlicher Raum
Silke Franke
Leiterin