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Portraits jüdischer Persönlichkeiten
Gesichter unseres Landes: Fritz Bauer

Wir feiern 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland und Bayern und würdigen den essentiellen Beitrag, den jüdische Persönlichkeiten für die Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Wesensart unseres Landes geleistet haben. Heute im Portrait: Fritz Bauer - Generalstaatsanwalt und Verfolger der NS-Verbrechen.

 

Fritz Bauer wurde von den Nationalsozialisten verfolgt, konnte erfolgreich nach Skandinavien fliehen und wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland als Generalstaatsanwalt des Landes Hessen eine zentrale Figur in der Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten. Die Erinnerung an den überzeugten Demokraten sollte wachgehalten und seine Büste in die nationale Gedenkstätte Walhalla bei Regensburg aufgenommen werden.

Passfoto von Fritz Bauer (ca. 1947)

Passfoto von Fritz Bauer (ca. 1947)

Mit Genehmigung des Fritz Bauer Instituts, Frankfurt a. Main

Wegbereiter für Gerechtigkeit

Der am 16. Juli 1903 in Stuttgart gebürtige und am 1. Juli 1968 in Frankfurt am Main verstorbene Fritz Bauer hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass in Deutschland die nationalsozialistischen Verbrechen insbesondere in Zusammenhang mit der Vernichtung der europäischen Juden bekannt gemacht und aufgearbeitet werden konnten. Er hat dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet, als weder die Justiz, noch die Geschichtswissenschaft mit Be- und Aufarbeitung dieses dramatischen Zivilisationsbruchs in Deutschland begonnen hatten. Fritz Bauer war hier ein Wegbereiter für diesen wichtigen Schritt der Erneuerung der bundesdeutschen Gesellschaft – ein Wegbereiter für die Gerechtigkeit. Der Eichmann-Prozess spielt dabei eine wichtige Rolle. Er hat 2021 sein 60jähriges Jubiläum – im Jahr, in dem wir „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ feiern können.

Verantwortung im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold übernommen

Fritz Bauer stammte aus einer jüdischen Familie. Seine Eltern waren Ludwig und Ella Bauer, geborene Hirsch. Nach eigener Aussage war er selbst Atheist. Fritz Bauer hatte nach seinem Abitur in Stuttgart Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Heidelberg, München und Tübingen studiert und trat 1924 dem Republikanischen Richterbund bei. Es folgte das Referendariat. 1927 wurde er mit einer vergleichenden Dissertation über wirtschaftliche Zusammenschlüsse in Deutschland, den USA und der UDSSR, konkret mit dem Thema „Die rechtliche Struktur der Truste“, an der Universität Heidelberg promoviert. 1930 wurde er im Alter von 27 Jahren der jüngste Amtsrichter in Deutschland. Der Sozialdemokrat engagierte sich im republik-freundlichen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, wurde dessen stellvertretender Vorsitzender in der württembergischen Hauptstadt.

Im Konzentrationslager interniert

Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde er noch im März 1933 als Richter seines Amtes enthoben, später auch formell aus dem Justizdienst entlassen. Er wurde zunächst im Konzentrationslager Heuberg auf der Schwäbischen Alp und später im KZ Oberer Kuhberg in Ulm interniert, dann wieder auf freien Fuß gesetzt. In heute dramatisch kurios anmutender Weise wurde seinem Vater Ludwig Bauer ausgerechnet während des NS-Unrechtsregimes 1935 aufgrund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg das „Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer“ verliehen, wenig später wurden auch Ludwig Bauer und seine Frau zur Flucht nach Skandinavien gezwungen.

Exil in Dänemark und Schweden

Fritz Bauer emigrierte nach den „Nürnberger Gesetzen“ nach Dänemark. Dort heiratete er im Juni 1943 Anna Maria Petersen, mit der er auch politisch eng zusammengearbeitet hat. Um der Deportation der Juden in Dänemark in das Ghetto Theresienstadt zu entgehen, floh Fritz Bauer im Herbst 1943 mit einem Fischerboot nach Schweden und konnte so dem Zugriff der deutschen Besatzer entgehen. In Schweden verfasste der Jurist das Buch „Die Kriegsverbrecher vor Gericht“, das nach dem Beginn der Nürnberger Prozesse auch ins Deutsche übersetzt wurde. Im Exil arbeitete Fritz Bauer journalistisch und unterhielt intensive Kontakte zu anderen Sozialdemokraten, unter anderem zu Willy Brandt und Kurt Schumacher, mit dem er bereits seit seiner Stuttgarter Zeit eng befreundet war.

Nach Kriegsende, im Juni 1945, kehrte Bauer zunächst nach Kopenhagen zurück, geriet finanziell aber in immer größere Bedrängnis. 1949 verließ er Dänemark mit dem Ziel Deutschland. Im April 1949 wurde er als einer der wenigen politisch unbelasteten Juristen zunächst Landgerichtsdirektor in Braunschweig und im August 1950 Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Braunschweig. Er erreichte durch seine Argumentation und Beweisführung im sogenannten Remer-Prozess, dass der NS-Staat als Unrechtsregime und Widerstand gegen dieses totalitäre System als rechtmäßig eingestuft wurde. Otto Ernst Remer hatte im Auftrag Hitlers den Putschversuch vom 20. Juli 1944 niedergeschlagen und danach eine Musterkarriere bis zum General hingelegt.

Eichmann, Bormann und Mengele im Visier

1956 wurde der Jurist Bauer auf Initiative von Hessens Ministerpräsident Georg August Zinn, der von 1949 bis 1962 in Personalunion auch Justizminister war, zum Generalstaatsanwalt des Landes Hessen ernannt und damit zum Vorgesetzten von fast 200 Staatsanwälten und Assessoren. Fritz Bauer gilt als zentrale Figur der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik. Er führte gegen zum Teil massive Widerstände aus Justiz, Politik und Gesellschaft Prozesse gegen Täter der NS-Massenmorde. Dazu zählen unter anderem die Auschwitz-Prozesse von Frankfurt ab 1963, in denen vor allem Beteiligte an den Morden von Auschwitz angeklagt und verurteilt wurden.

Bereits 1960 war Fritz Bauer maßgeblich an der Entdeckung und Entführung des Kriegsverbrechers Adolf Eichmann von Argentinien nach Israel beteiligt, die den Prozess gegen den SS-Mann ermöglichte. Irmtraud Wojak, die die Biographie Fritz Bauers und seine Tätigkeit eingehend erforscht hat, formulierte:

„Bauer gab dem israelischen Geheimdienst Mossad den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns und hatte damit wesentlichen Anteil an dessen Ergreifung in Argentinien und am Zustandekommen des 1961 in Jerusalem durchgeführten Eichmann-Prozesses.“

Die Bundesrepublik Deutschland hatte zuvor den Antrag auf Auslieferung von Eichmann von Argentinien nach Deutschland abgelehnt. Der SS-Obersturmbannführer Eichmann hatte für das NS-Regime im Reichssicherheitshauptamt die Verfolgung und Deportation von Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager organisiert. Eichmann wurde 1961 in Israel zum Tode verurteilt. Der Eichmann-Prozess richtete weltweit Aufmerksamkeit auf die verbrecherische Dimension der Shoa und zeichnete ein Gesamtbild des unvergleichlich monströsen Verbrechenscharakters der NS-Gewaltherrschaft.

Fritz Bauer gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland. Leider ist er viel zu früh gestorben und konnte seine Arbeit mit Blick auf Verantwortliche des NS-Euthanasie-Programmes nicht mehr realisieren. Er hatte sich fest vorgenommen, das abscheuliche System von Versuchen an Menschen durch den KZ-Arzt Josef Mengele sowie die Verbrechen des langjährigen Chefs der NSDAP-Parteizentrale und Sekretär Hitlers, Martin Bormann, und dessen möglichen Tod 1945 beziehungsweise sein Überleben aufzuarbeiten.

Autor: Staatsminister a.D. Dr. Ludwig Spaenle ist Mitglied des Bayerischen Landtages und seit 2018 Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.

Matthias Meusch: Von der Diktatur zur Demokratie. Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen 1956–1968. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, Nr. 70. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 2001.

Christoph Schneider: Diener des Rechts und der Vernichtung. Das Verfahren gegen die Teilnehmer der Konferenz von 1941 oder: Die Justiz gegen Fritz Bauer, Frankfurt-New York 2017.

Ronen Steinke: Fritz Bauer. Oder Auschwitz vor Gericht. München 2013

Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie, München 22009

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Bildung, Hochschulen, Kultur
Thomas Klotz
Leiter