Im Dezember 2017 steht in Südafrika der Parteitag des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) an, der entscheidend für die zukünftige Ausrichtung der Partei sein wird. Darüber hinaus stellt der ANC dort auch die Weichen für die Entwicklung des gesamten Landes, denn die Partei dominiert die südafrikanische Politik wie keine andere Kraft. Deshalb nimmt Jakkie Cilliers den Parteitag als denjenigen Zeitpunkt, ab dem er die Perspektiven Südafrikas anhand von drei Szenarien beschreibt.
In seiner Buchvorstellung betonte Cilliers, dass es dem Land und seiner Bevölkerung heute deutlich bessergehe als zum Ende der Apartheid 1994:
„Unsere Wirtschaft wächst, und wir sind frei.“
Besonders die Erfahrung in Freiheit aufzuwachsen, sei ein entscheidendes Merkmal der jungen Bevölkerung. Für die Wahlberechtigten, die nach 1994 geboren seien, stehe der ANC jedoch nicht mehr nur für das Ende der Apartheid, sondern vor allem für die schlechte Regierungsführung unter dem aktuellen Präsidenten Jacob Zuma. Langfristig drohe dem ANC das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit, sollte er sich weiterhin auf den Errungenschaften der Vergangenheit ausruhen und keine tragfähigen Lösungen für die Zukunft des Landes anbieten, so Cilliers.
„Das größte Problem für die Entwicklung ist die enorme Arbeitslosigkeit, vor allem unter der jungen Bevölkerung".
Cilliers forderte eine Strategie zur wirtschaftlichen Stärkung aller Bevölkerungsgruppen. Die anfangs sehr wertvollen Projekte zur ökonomischen Förderung derjenigen Gesellschaftsgruppen, die während der Apartheid benachteiligt worden seien (das sog. black economic empowerment), bedürften einer Ergänzung.
Jan Vanheukelom rief die Südafrikaner auf, sich bewusst zu werden, dass die anstehenden politischen Entscheidungen innerhalb des ANC für ihre persönliche Entwicklung entscheidend sein werden. Sie hielten ihre Zukunft in ihren eigenen Händen. Entwicklungsmaßnahmen von außen allein lösten nicht die Probleme des Landes, so Vanheukelom. Deshalb müssten die Menschen vor Ort Wissen und Können zusammenbringen und die Lösungen umsetzen. Der ANC-Parteitag sei hierfür ein wichtiger Schritt.
Laut Cilliers könne man für den Parteitag Ende 2017 von einem Machtkampf zwischen zwei Strömungen im ANC ausgehen: den Traditionalisten und den Reformern. Die Traditionalisten seien in der Regel Zuma-Anhänger in den ländlichen Gebieten; sie unterstützten einen starken zentralistischen Staat und stünden hinter staatlicher Umverteilungspolitik. Zentrale Figur sei die ehemalige Ehefrau von Jacob Zuma, Nkosazana Dlamini-Zuma. Diesem Flügel gegenüber sieht Cilliers die Reformer um Cyril Ramaphosa. Diese gehörten zumeist der multiethnischen, städtischen Bevölkerung an, die nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit strebe und vor allem im ökonomischen Herzen Südafrikas, in der Provinz Gauteng, zu finden sei. Cilliers stellt drei mögliche Folgen für die Nation nach dem Parteitag dar:
Erstens könnten die Traditionalisten die Dominanz im ANC behalten. Sie würden Südafrika in ein Szenario führen, das Cilliers „geteilte Nation“ nennt. In diesem Szenario führen die internen Konflikte zu einer Abspaltung der Reformer innerhalb des ANC. Sie gründen eine neue Partei. Die Gesellschaft polarisiert sich weiter und die Bildung von politischen Koalitionen wird extrem schwierig. Die Analyse Cilliers‘ kommt zu dem Schluss, dass diese die schlechteste aller Möglichkeiten für das Land wäre, da die wirtschaftliche Entwicklung leiden und Korruption sowie Vetternwirtschaft im ANC an der Tagesordnung bleiben würde.
Zweitens könnten sich die Reformer gegen die Traditionalisten durchsetzen. Dieses, laut Cilliers das wünschenswerteste aller denkbaren Ergebnisse, stellte er als „Mandela Magie“ vor. Dies zöge schnelle wirtschaftspolitische Reformen nach sich und ermögliche einem reformierten ANC, auch zukünftig das politische Geschehen in Südafrika zu bestimmen. Vetternwirtschaft und Korruption im ANC würde der Kampf angesagt.
Drittens wäre eine Mischung aus den beiden genannten Verläufen denkbar. Dieses Szenario, das nach der südafrikanischen Fußball-Nationalmannschaft „Bafana Bafana“ genannt wird, sieht Cilliers als das wahrscheinlichste an. Ein Vertreter der Reformer würde den ANC führen. Ihm würde ein starker Stellvertreter, der die Traditionalisten vertritt, an die Seite gestellt werden. Diese Entwicklung erinnere an die Spielweise der Fußball-Nationalmannschaft Südafrikas und bedeute ein zielloses „Weiter so“. Man spiele sich den Ball ab und an zu, käme aber zu keinen erfolgreichen Reformen, um die Entwicklung des Landes voranzutreiben. Die wirtschaftliche Entwicklung bliebe mittelmäßig.
In der anschließenden Diskussion mit Vanheukelom und dem Publikum pochten die Experten auf die Dringlichkeit von tiefgreifenden ökonomischen und sozialen Reformen.
Daneben bedürfe es eines gesamtgesellschaftlichen Engagements für die Zukunft des Landes mit einer gestärkten Wirtschaft.
Abschließend erläuterte Cilliers, welche Rolle außenstehende Akteure, wie beispielsweise die EU, einnehmen könnten. Er beklagte, dass sein Land sich zu einseitig den Ländern im globalen Süden und seinen BRICS-Partnerländern (Brasilien, Russland, Indien und China) zuwende und die wichtige Zusammenarbeit mit den Partnern im Westen vernachlässige. Die Kooperation mit der EU, besonders als Wirtschaftspartner, biete viel mehr Potential als bisher genutzt werde.