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Interview mit Regisseurin Steffi Kammermeier
Der Viktualienmarkt

Ein Jahr lang verbrachte Regisseurin Steffi Kammermeier auf dem Münchner Viktualienmarkt. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunks dokumentierte sie das Leben auf dem weltberühmten Traditionsmarkt, lernte Händler und Marktbesucher kennen und goss 100 Stunden Film-Material in ihr neustes Werk: "Der Viktualienmarkt".

Bei der Hanns-Seidel-Stiftung stellte die Münchner Regisseurin, Steffi Kammermeier, ihren neuesten Dokumentationsfilm vor. "Der Viktualiemarkt" ist ein inniger Blick ins echte Münchner Stadtleben rund um den Traditionsmarkt, wo Kammermeier in über einem Jahr um die 100 Stunden Filmmaterial abdrehte. Nach der Premiere im Rahmen der HSS-Veranstaltungsreihe "Starke Frauen - Starke Filme", konnten wir Kammermeier für Sie befragen.

Die Münchner Drehbuchautorin und Regisseurin Steffi Kammermeier schreibt und dreht Dokumentationen unter anderem für den Bayerischen Rundfunk. Außerdem ist sie für den Komödienstadl im Einsatz und schreibt Kinderbücher. Über sich selber sagt Kammermeier: „Ich war nie ‚entweder – oder‘, ich war immer ‚und – auch – sogar‘.“

Die Münchner Drehbuchautorin und Regisseurin Steffi Kammermeier schreibt und dreht Dokumentationen unter anderem für den Bayerischen Rundfunk. Außerdem ist sie für den Komödienstadl im Einsatz und schreibt Kinderbücher. Über sich selber sagt Kammermeier: „Ich war nie ‚entweder – oder‘, ich war immer ‚und – auch – sogar‘.“

©Kammermeier

HSS: Frau Kammermeier, wie ist Ihr Film entstanden? Wie lange haben Sie gedreht?

Steffi Kammermeier: Den Film habe ich als Langzeitbeobachtung im Auftrag des Bayerischen Rundfunks gedreht.
Ein ganzes Jahr habe ich mit den Händlern auf dem weltberühmten Traditionsmarkt verbracht:
Tag, Nacht, Winter wie Sommer, bei Regen, Schnee, Sonne. 40 Tage lang, über’s Jahr verteilt, habe mit meinem Team auf dem Markt verbracht und Menschen beobachtet. Die Marktbesucher und Käufer – und vor allem die Händler. Das war sehr spannend – und erkenntnisreich – denn wir haben entdeckt, dass die Händler auf dem Viktualienmarkt sehr, sehr fleißige Menschen sind, die sich mit großer Leidenschaft und Einsatz für „ihren“ Markt engagieren. Ihre Ware ist handverlesen und ausgesucht. So wie die Sequenzen, die ich anschließend aus 100 gedrehten Stunden zu einem 90-minütigen Dokument zusammenstellte.

HSS: Was ist Ihnen besonders wichtig, wenn Sie einen Dokumentarfilm drehen?

Für mich war und ist immer besonders wichtig, den Menschen vor der Kamera mit menschlicher Nähe zu begegnen. Also kein Interview mit ihnen zu unternehmen, in dem sie ausgefragt werden, sondern Gespräche auf Augenhöhe zu führen – mit Fragen, die mich als Person wirklich interessieren. Dazu gehört für mich immer eine möglichst profunde Vorrecherche, aber auch die Fähigkeit, eine Situation im rechten Moment entstehen lassen zu können, sodass sie letztlich ganz authentisch wird.
Unabdingbar ist hierbei ein Vertrauensverhältnis zwischen mir und meinem Protagonisten, der mir schließlich mit seinen Geschichten ein Geschenk macht. Das verstehe ich auch unter Würde: ich muss verstehen, was mir da einer überantwortet, indem er mir seine Gedanken öffnet. So etwas muss man sehr gewissenhaft behandeln, und jenseits aller Journaille sorgsam und verantwortungsvoll einsetzen. Bin ich mir darüber nicht ganz sicher, hole ich mir eigentlich immer das Einverständnis meiner Protagonisten ein. Denn sie sollen das Gefühl haben sollen, dass sie vollständig richtig sind, wie sie sind.

HSS: Wie erfasse ich einen Menschen in seinem Kern?

Das ist natürlich nicht immer so einfach. Aber ich glaube, dazu gehört eine grundsätzliche Menschenliebe und viel Empathie. Und ein genauer Blick, der auch das nicht Offensichtliche erkennt. Denn darin liegen oftmals die wahren Zusammenhänge einer Geschichte. Was ich noch dazu “verwende“: Meine Fähigkeit, selbst kleinste Details wahrzunehmen und aus ihnen allgemeingültige Erkenntnisse abzuleiten. Was im Kleinen entsteht, ist oftmals das Große.

HSS: Hat der Film eine politische Botschaft und, wenn ja, welche?

Tja. Vordergründig scheint ein Film über den Viktualienmarkt nicht sehr politisch zu sein. Und doch ist er es für mich.
Abgesehen von der Tatsache, dass sich hier ein Mikrokosmos spiegelt, der durchaus exemplarisch für unsere Gesellschaft sein kann, verstehe ich persönlich meine Arbeit als ein politisches Manifest.
Und zwar für eine Botschaft des Miteinanders; des Erhalts dessen, was tragfähig und nachhaltig ist, und für den Auftrag, Mitmenschlichkeit an allererste Stelle zu setzen - um damit jene Dinge möglich zu machen, die das Klima für das Gedeihen Aller schaffen. Wie der Viktualienmarkt: Tradition, die sich täglich neu erschafft. Gemeinschaftlichkeit, die nach vorne weist und gelingt. Und Verpflichtung, sich stets und immer auch als Teil eines großen Ganzen zu begreifen. Die Verantwortung für unser Jetzt und unser Werden halten wir – wie die Händler auf dem Markt - alle in den Händen. Wie eine reife Frucht, die wir weitergeben.

HSS. Sehr geehrte Frau Kammermeier, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns jetzt schon auf ihren nächsten Film.

Das Interview führte Artur Kolbe, HSS

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Politische Grundlagen, Demokratie und Werte
Michael Hahn
Leiter