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Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg
Sieg der Regierungsparteien

Sachsen und Brandenburg haben gewählt. Obwohl alle etablierten Parteien stark verlieren, können sich die Regierungsparteien knapp behaupten. Die AfD verpasst ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden und will aus der Opposition heraus die Politik mitbestimmen.

Am 1. September standen in Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen an, die in beiden Ländern die jeweils lange amtierenden Regierungskonstellationen verändern sollten. In Brandenburg regierte seit der Wende die SPD, in Sachsen die CDU – wenn auch beide zumeist in Koalitionsregierungen. Aber so wie die Prognosen erwarten ließen, war diese Dominanz für beide Parteien in beiden Ländern stark gefährdet. In Brandenburg, wo die SPD bei der letzten Landtagswahl 31,9% bekommen hatte, war sie in den Umfragen bis auf unter 20% gerutscht und konnte sich bis kurz vor dem Wahltermin nur leicht verbessern. Der Koalitionspartner „Die Linke“ blieb von den 18,6% der letzten Wahl ebenfalls weit entfernt. Die Umfragen ließen also eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses nicht erwarten.

So verteilen sich die Erststimmen auf die Wahlkreise in Sachsen.

©Wikimedia Commons

Regierungsparteien unter Druck

In Sachsen war die Regierungspartei CDU von ihrem letzten Ergebnis von 39,4% in den Umfragen auf 24% abgesackt, konnte sich aber wieder auf Werte über 30% verbessern. Bei der Landtagswahl führte diese Aufholjagd dann auf 32,1% der Zweitstimmen (ein Verlust von 7,2%), womit die CDU klar stärkste Partei bleibt. Strategisch ist dies eine deutliche Verbesserung, nachdem die AfD in Sachsen bei der Bundestags- wie der Europawahl noch vor der CDU gelegen hatte. Der Regierungspartner SPD, der bei der letzten Wahl 12,4% geholt hatte, sank deutlich auf 7,7% ab, so dass eine Fortführung der bisherigen Koalition unmöglich erscheint.

In Brandenburg kommt die CDU nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 15,6% - ein Verlust von 7,4%. Die regierende SPD erreicht 26,2% (ein Verlust von 5,7%), bleibt damit aber stärkste Partei. In beiden Ländern hat das Wahlergebnis also dafür gesorgt, dass die jeweiligen Regierungsparteien wahrscheinlich im Amt bleiben können, allerdings jeweils mit einem zusätzlichen Koalitionspartner. Die Parallelität der Entwicklungen zweier verschiedener Länder mit völlig unterschiedlichen Koalitionen wird durch zwei ebenfalls parallele Entwicklungen im Parteiensystem in Deutschland besonders deutlich: Der Aufstieg der Grünen – im Osten nicht so stark wie im Westen, aber so klar, dass der Wiedereinzug der Partei in beide Landtage unausweichlich schien. Zweistellige Werte mit 10,8% gab es nur in Brandenburg (bei 6,2% in der letzten Landtagswahl), aber nicht in Sachsen (8,6% nach zuletzt 5,7% 2014). Die zweite Entwicklung zeigt sich im Osten noch deutlicher: Der Aufstieg der AfD – in Brandenburg auf Werte über 20% (bei zuletzt 12,2% in der Landtagswahl) und in Sachsen sogar auf Werte von 25% und 26% (bei 9,7% in der letzten Landtagswahl). Damit war klar, dass die bisherigen Bündnisse neu konstruiert werden müssen, um die AfD aus Regierungen fernzuhalten und erklärt auch, dass eine Woche vor der Wahl sowohl der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, als auch sein CDU-Kollege aus Sachsen, Michael Kretschmer, öffentlich vor einem Rechtsruck in ihren Ländern gewarnt haben (FAZ, 26.8.2019). Daran scheinen sich die Wähler der AfD aber nicht gestört zu haben.

AfD: Aufschwung der neuen Protestpartei des Ostens?

Die AfD hoffte ihrerseits, stärkste Partei in den Ländern zu werden, was zumindest in Sachsen von vorn herein aussichtslos erschien, da ihr durch ein Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofs lediglich 30 Plätze auf der Landesliste zugestanden worden waren. Sollte sie mehr Direktmandate gewinnen als vor einigen Wochen prognostiziert, dann war zu erwarten, dass sie einige Mandate (bis zu 12, laut election.de vom 24.8.2019) nicht würde besetzen können. Damit würde einerseits ihre Repräsentanz im sächsischen Landtag geschwächt, andererseits wäre sie damit in eine politische Märtyrerposition gedrängt, die sie angesichts ohnehin unrealistischer Möglichkeiten einer Regierungsbeteiligung für ihre weitere Propaganda in Sachsen und darüber hinaus nutzen könnte. Damit war die Ausgangslage anders als in Brandenburg. Dort ist zumindest die Anzahl der Überhangsmandate durch das Wahlrecht in Brandenburg gedeckelt, so dass keine Aufblähung des Parlaments zu erwarten war. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis (27,5% Zweitstimmen nach 9,75% 2014) stünden der AfD in Sachsen aber 38 Mandate zu, womit ihre Repräsentanz im Landtag verringert wäre. Da sie als Koalitionspartner aber nicht in Frage kommt, hat dies politisch keine unmittelbare Auswirkung – als Anlass für entsprechende Mitleids- und Benachteiligungskampagnen dürfte es aber in jedem Fall reichen. In Brandenburg kam die AfD auf 23,5% der Zweitstimmen (nach 12,2% 2014), wird dort aber genauso isoliert sein wie in Sachsen.

Die Auswahl möglicher Koalitionspartner könnte in beiden Ländern auch durch das Abschneiden der FDP eingeschränkt werden, die in beiden Ländern bei 5% gemessen wurde und eine klare Aussage über ihren Einzug in die Parlamente im Vorfeld daher nicht gemacht werden konnte. Sie scheiterte auch in beiden Ländern an der 5%-Hürde. In Brandenburg schafften es zusätzlich die Freien Wähler (BVB-FW) knapp in den Landtag; sie waren wegen eines Direktmandats schon im letzten Landtag und werden nun mit 5 Mandaten vertreten sein.

Die Linke – immer noch mit einem Mitgliederstamm aus SED-Zeiten und mit einem Habitus als Protestpartei – hat kontinuierlich an Zustimmung verloren und sich von ihren Spitzenwerten vergangener Jahre weit entfernt. Sie verzeichnete den prozentual größten Verlust aller Parteien in beiden Ländern und kam in Sachsen noch auf 10,4% und in Brandenburg auf 10,7%. Damit wird ihre Rolle als Schlüsselfaktor von Linkskoalitionen immer unwahrscheinlicher.

Nach der Wahl: Wie geht es mit dem Parteiensystem weiter?

Beide Wahlen bestätigen Tendenzen, die in Deutschland seit einiger Zeit zu erkennen sind: Höhere Mobilisierung, gestiegene Wahlbeteiligung, Rückgang der großen Parteien, Anstieg der AfD wie der Grünen. Gleichzeitig wurden beide Regierungsparteien wieder stärkste Partei; wahrscheinlich werden in beiden Ländern die Grünen als zusätzliche Koalitionspartner integriert. Wie bei vielen Wahlen zuvor zeigt sich eine deutlich gestiegene Wahlbeteiligung, auch wenn ein gutes Drittel in Sachsen und in Brandenburg sogar etwas mehr nicht zur Wahl gegangen sind. Die Mobilisierung war insgesamt deutlich höher, wovon mehrere Parteien profitierten. Die AfD hat am meisten Stimmen von früheren Nichtwählern geholt (laut infratest dimap 226.000 in Sachsen und 100.000 in Brandenburg). Aber auch die CDU profitierte von den Nichtwählern (126.000 in Sachsen, 29.000 in Brandenburg). Auch den anderen größeren Parteien flossen aus diesem Topf Stimmen zu. Die Verluste der CDU an die AfD waren demgegenüber deutlich geringer (84.000 in Sachsen, 29.000 in Brandenburg). Aber auch die Linke und die SPD gaben an die AfD Stimmen ab. Der Rechtspopulismus der AfD wurde wieder einmal (wie schon bei vielen der Wahlen der letzten Jahre) nur zu einem geringen Teil durch die Wählerschaft der demokratischen Parteien goutiert. Die AfD mobilisiert offenbar in Bereichen, die für andere Parteien kaum erreichbar sind. Dafür haben die anderen Parteien Wählersegmente, die für ihre Mobilisierungsanstrengungen erreichbar sind, was sich bei diesen Wahlen wieder deutlich gezeigt hat.

Daneben gab es geographische Besonderheiten – die AfD ist in den neuen Bundesländern deutlich stärker als im Westen (auch stärker als in den letzten Umfragen prognostiziert), auch wenn sie nicht stärkste Partei werden konnten. Machtpolitisch wird sie in den Landtagen isoliert bleiben. Die Linke hat ebenfalls verloren und ihre Rolle als Protestpartei des Ostens weitgehend verloren. Die Konsequenzen für die Bundespolitik werden sich jedoch in Grenzen halten – einmal, weil die Zahl der Wahlberechtigten in beiden Ländern zusammen war nur gut halb so groß wie die Wählerschaft in Bayern ist und beide Regierungen bestätigt worden sind. Die CDU in Sachsen hat gezeigt, dass Mobilisierung bei entsprechender Aufstellung und intensivem Einsatz auch kurzfristig möglich ist und dass die Volksparteien auch jenseits populistischer Anfeindungen Wählerpotential der Mitte an sich binden können. Die Mitte splittert sich stärker auf, ohne dass notwendigerweise gleichzeitig die Extreme die Oberhand gewinnen. Gleichzeitig müssen die demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit bereit sein – aber alte wie neue Extreme sind von Mehrheiten weit entfernt. Dies ist vielleicht das positivste Signal für die Demokratie in Deutschland, das von diesen Wahlen ausgeht.

Außen- und Sicherheitspolitik
Andrea Rotter, M.A.
Leiterin