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Wie wird das Corona-Virus Afrikas Chancen auf Wohlstand beeinflussen?
Africa First!

Viele Dinge in Afrika werden – wie im Rest der Welt – nach Covid-19 nicht mehr so sein wie vorher. Strukturelle Trends bleiben jedoch bestehen, auch wenn viele von ihnen durch die Folgen der Pandemie beschleunigt oder abgeschwächt werden. In einem von der HSS unterstützten Buch – Africa First! – How to Ignite a Growth Revolution – werden die Entwicklungsmöglichkeiten des Kontinents beleuchtet und konkrete Handlungsoptionen formuliert.

Afrika befindet sich wohl erst am Anfang der Pandemie. Vorhersagen sind schwierig zu treffen und oft Spekulation. Manches spricht dafür, dass die Infektionszahlen bis September in vielen afrikanischen Ländern ansteigen werden. Mit über 48.000 positiven Fällen ist Südafrika das bisher am Stärksten betroffen afrikanische Land.

Viele Experten führen die bisherige geringe Fall- und Todeszahlen auf die junge Bevölkerung, die vergleichsweise geringe internationale und regionale Verflechtung und die Erfahrung des Kontinents mit Pandemiebekämpfungen sowie die klimatischen Bedingungen zurück.

Eine Wellblechhütte, die offenbar als Ausgabestation für Lebensmittelrationen dient.

Gerade während der COVID-Krise leiden viele Menschen unter Nahrungsmittelknappheit. Landesweit unterstützt die HSS das Each1Feed1 Projekt der Nelson Mandela Foundation. Seit dem Ausbruch des Pandemie wurden 34.000 Menschen mit Essenspaketen versorgt, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Mittel hierfür stammen aus Spenden von Unternehmen wie Mercedes oder VW. Der HSS liegt besonders daran, Institution der kindlichen Früherziehung und Schulen, die keine privaten Schulgelder beziehen zu unterstützen, um deren Fortbestand auch nach dem Ende des Lockdowns zu garantieren.

Nelson Mandela Foundation

Covid-19 Maßnahmen sorgen für Rezession und Anstieg der Armut

Im schlimmsten Fall, so die WHO, könnten bis Ende des Jahres knapp 190.000 Afrikaner an dem Corona-Virus sterben. Unabhängig von den tatsächlichen Todeszahlen werden nach Berechnungen der HSS-Partnerorganisationen Gordon Institute of Business Science (GIBS) an der Universität Pretoria und dem Institute for Security Studies (ISS) rund 105.000 Menschen aufgrund steigender Armut sowie einer sich verschlechternden allgemeinen Gesundheitsversorgung infolge der nationalen Corona-Hygienemaßnahmen ihr Leben verlieren.

Diese Prognose basiert auf der Annahme, dass das Durchschnittseinkommen der 1,5 Milliarden Afrikaner im Zuge der momentanen globalen Wirtschaftskrise um 250 Dollar pro Kopf sinken wird und somit weitere 15 Millionen Menschen wieder in extreme Armut zurückfallen.

Viele afrikanische Regierungen haben zwar in beeindruckender Weise frühzeitig und zielorientiert mit umfangreichen Ausgangssperren auf die Pandemie reagiert. Geringe Testkapazitäten und unzulängliche Gesundheitssysteme sowie defizitäre Haushalte, erschweren es aber, die verheerenden wirtschaftlichen Folgen gerade für die vielen arme Menschen abzufedern. Diese trifft das Virus gleich doppelt hart: Das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, ist in den informellen Siedlungen und Townships ungleich höher, die gesundheitliche Versorgung umso schlechter.

Gleichzeitig ist der informelle Sektor, der 34 Prozent zum kontinentalen BIP beiträgt und 85 Prozent aller Afrikaner beschäftigt, besonders schlimm von den Corona-Maßnahmen betroffen. Die International Labour Organisation (ILO) geht davon aus, dass das Einkommen des informellen Sektors, in diesem Jahr um 80 Prozent einbrechen wird. Viele kleinere Unternehmen werden nach dem Ende der Ausganssperren nicht wieder öffnen können.

Ein Mann mit Mund-Nasenschutz trägt einen großes Karton, in dem wohl Lebensmittel transportiert werden.

Im Rahmen eines von der Bayerischen Staatskanzlei finanzierten Projektes unterstützt die HSS das Gauteng Food Security Committee, eine Netzwerkinitiative in der bayerischen Partnerprovinz Gauteng zwischen Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft zur Nahrungsmittelsicherheit. Bisher konnten über 6200 Essenspakete an benachteiligte Menschen in informellen Siedlungen und Townships verteilt werden.

Gauteng Food Security

Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die Entwicklung des Kontinents zu beschleunigen?

Subsahara-Afrika wird wohl erstmals seit 25 Jahren wieder in eine Rezession rutschen. Die UN prognostiziert, dass die Zahl der arbeitslosen Afrikaner um 20 Millionen bis Ende des Jahres ansteigen wird. Allein bis Anfang April war ein massiver Kapitalabfluss von über 4,2 Milliarden USD aus Subsahara-Afrika zu verzeichnen. Die Abwertung der Währungen, der Einbruch der Rohstoffpreise und des Tourismus tun ein Übriges. Für das Jahr 2020 wurde für den gesamten Kontinent ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent vorhergesagt. Stattdessen ist nun wahrscheinlich mit einem Rückgang von um 3 Prozent zu rechnen. In anderen Worten: Das BIP Afrikas wird sich um 170 Milliarden Dollar verringern.

Das heißt, auch wenn ein Impfstoff relativ schnell gefunden würde, werden die direkten und indirekten Auswirkungen der Pandemie in Afrika noch viele Jahre zu spüren sein und viele Entwicklungserfolge zunichte machen. Das Erreichen des nachhaltigen Entwicklungsziels Nummer eins – die Beseitigung der Armut bis 2030 – ist damit in noch weitere Ferne gerückt. 

Afrika ist ein Kontinent mit grenzenlosem Potenzial. Er verfügt über natürliche Ressourcen, eine junge Bevölkerung und geographische Größe, um ein wichtiger Akteur auf der globalen Bühne zu werden. Trotzdem vergrößert sich die Kluft zwischen Afrika und dem Rest der Welt. Die Auswirkungen der COVID-19 Krise verstärken diesen Trend.

Umso dringlicher stellen sich Fragen: Was muss getan werden, um das Potenzial Afrikas frei zu setzen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln? Welche Reformen und Investitionen sind nötig, um es dem Kontinent zu ermöglichen, allmählich zum Rest der Welt aufzuschließen? Kann die Corona-Krise als Katalysator genutzt werden, in die strukturelle Modernisierung afrikanischer Ökonomien zu investieren? Und kann eine zu erwartende Restrukturierung und Diversifizierung von globalen Lieferketten eine Chance für Afrika und ausländische Investoren sein?

Das Buch-Projekt wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Es erschien in Anlehnung an eine langjährige Studiensreihe des African Futures & Innovation Programms des renommierten Institutes for Security Studies, einem wichtigen und langjähriger Partner der Stiftung auf dem afrikanischen Kontinent. Africa First! Igniting a Growth Revolution ist auf Amazon und unter www.jakkiecilliers.org in englischer Sprache erhältlich.

Das Buch-Projekt wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Es erschien in Anlehnung an eine langjährige Studiensreihe des African Futures & Innovation Programms des renommierten Institutes for Security Studies, einem wichtigen und langjähriger Partner der Stiftung auf dem afrikanischen Kontinent. Africa First! Igniting a Growth Revolution ist auf Amazon und unter www.jakkiecilliers.org in englischer Sprache erhältlich.

Viele dieser Fragen werden von Dr. Jakkie Cilliers, Leiter des African Futures & Innovation Programmes des ISS, in seinem neuen Buch „Africa First! Igniting a Growth Revolution“ beantwortet.

In dem darin breit angelegten Diskurs über die verschiedenen Herausforderungen, mit denen sich afrikanische Gesellschaften und Volkswirtschaften im 21. Jahrhundert konfrontiert sehen, erklärt Cilliers anhand einer Reihe von Schlüsselindikatoren, wie sich Afrika bis 2040 wahrscheinlich entwickeln wird und welche Maßnahmen erforderlich wären, um diese Entwicklung nachhaltig zu beschleunigen und die Lebensqualität auf dem Kontinent zu verbessern.

Dazu gehören gezielte Investitionen in eine effiziente Bildung, die Modernisierung der Landwirtschaft mit dem Ziel der Nahrungsmittelsicherheit, eine lokal verarbeitende Industrie, sowie der Ausbau der Infrastruktur. Infrastrukturprojekte sollten die Produktivität steigern, das Nutzen moderner Technologie erleichtern und die möglichst schnelle Realisierung der ehrgeizigen Ziele einer afrikanische Kontinental-Freihandelszone AfCFTA fördern.

Die von Cilliers vorgeschlagenen Interventionen stützen sich auf aktuelle und verlässliche Datensätze der International Futures Plattform am Frederick S Pardee Center for International Futures der Universität Denver und ermöglichen es, die Wirkung und Wechselwirkung verschiedener Maßnahmen in den nächsten Jahrzehnten zu analysieren und Entwicklungen bis 2040 zu prognostizieren.

Wird zum Beispiel die Bildung ausgebaut, kann langfristig positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Stabilität haben (und umgekehrt). Verbessert sich die gesundheitliche Versorgung, wird dies wahrscheinlich relativ schnell sinkende Geburtenraten zur Folge haben, wordurch das Wirtschaftswachstum gefördert wird. 

Afrika kann seine junge Bevölkerung (noch nicht) für schnelleres Wachstums nutzen

Überhaupt ist Afrikas wachsende Bevölkerung einer der Faktoren, der die Entwicklung des Kontinents und die Reduzierung von Armut so schwierig machen. Cilliers betont diese unbequeme Wahrheit. Allerdings steht diese seiner Ansicht nur scheinbar im Widerspruch zu den Aussagen und Überzeugungen vieler afrikanischer Staatslenker, die regelmäßig von der Jugend Afrikas als größtes Kapital des Kontinents sprechen. Länder wie Tansania, der Niger, die Demokratischen Republik Kongo, Mali und Uganda haben die höchsten Geburtenraten Afrikas. In Tansania allein könnten bis 2050 so viele Menschen wie in Russland leben (etwa 160 Millionen); die Bevölkerung Nigerias wird im selben Zeitraum auf 400 Millionen anwachsen. Die Einwohnerzahl im Kongo wird sich wohl mindestens verdoppeln.

Bei der zuweilen emotionalen und ideologisch geführten Debatte wird oft verkannt, dass junge Menschen nur dann einen Entwicklungsmotor darstellen, wenn diese im arbeitsfähigen Alter sind und ihre Anzahl höher ist als die der von ihnen abhängigen Personen (namentlich alte Menschen und Kinder). Schreiben sich heutige Bedingungen fort, müssen Familien mit wenig Einkommen immer mehr Abhängige finanzieren. Erst wenn das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen (15-65jährige) und abhängigen Familienangehörigen um die 1,7 beträgt, könnten Länder von ihrer demographischen Dividende profitieren.

Die Umrisse des afrikanischen Kontinents, etwa wie eine schmelzende Kugel Eis im Hörnchen.

©HSS

Zur Einführung zu den in Africa First! formulierten Langzeitprognosen empfehlen wir Ihnen, sich das kurze, aber prägnante Informationsvideo anzusehen.

(v.l.n.r.) Dr. Stefan Mair, BDI, Dr. Jakkie Cilliers, Leiter des African Futures & Innovation Programmes des ISS, Hanns Bühler, HSS-Südafrika

(v.l.n.r.) Dr. Stefan Mair, BDI, Dr. Jakkie Cilliers, Leiter des African Futures & Innovation Programmes des ISS, Hanns Bühler, HSS-Südafrika

©HSS

Bestes Beispiel sind die asiatischen Tigerstaaten sowie Japan und China, die in der Vergangenheit eine vorteilhafte demographische Dividende – also eine hohe Zahl an Arbeitskräften im Verhältnis zu einer relativ geringen Zahl von Abhängigen – gezielt für schnelles wirtschaftliches Wachstum genutzt haben.

Dagegen nimmt die große Zahl jener Afrikaner, die ernährt, untergebracht und ausgebildet werden müssen, rapide zu und belastet die meist unzureichenden Bildungs- und Gesundheitssysteme. Sie wirkt somit zurzeit eher als Bremse einer nachhaltigen Entwicklung denn als der erwartete Antrieb.

Die meisten afrikanischen Länder werden nach Cilliers Berechnungen ihre demographische Dividende erst 2074 erreichen, sollte diese Entwicklung nicht beschleunigt werden. Dass der Prozentsatz der Menschen in Afrika, die in bitterer Armut leben, zwar langsam abnimmt, die absolute Zahl der in Armut lebenden Menschen auf dem Kontinent aufgrund der hohen Geburtenraten in vielen Ländern aber weiter zunimmt, ist daher nur logisch. Gezielte Investitionen in die Ausbildung von Frauen, in die Gesundheitsversorgung und die Bereitstellung von Verhütungsmitteln, hätten somit auch große wirtschaftliche Vorteile, wie das Beispiel Äthiopiens verdeutlicht.

Wissenstransfer und regionalen Handel fördern

Die Umsetzung des Vorhabens des Afrikanischen Kontinentalen Freihandelsabkommens (AfCFTA) wird von Cilliers wie den meisten Afrika-Experten als zentraler Schritt für mehr regionalen Handel und Produktion gesehen. Momentan liegt der innerafrikanische Handel bei unter 20 Prozent; ein niedriger Wert, bedenkt man die Größe und das Potenzial afrikanischer Märkte. Wie die Erfahrungen in Europa und Asien zeigen, würde der intraregionale Handel in Afrika Wachstum, Investitionen und den Ausbau von Infrastruktur stimulieren.

Bisher wurde der Handel zwischen afrikanischen Ländern maßgeblich durch Zölle und Einfuhrbeschränkungen erschwert, mit Einführung der AfCFTA am 1. Juli 2020 sollte sich dies schrittweise ändern. Doch auch deren Realisierung hat sich durch die Covid-19-Pandemie nunmehr verzögert. Der Personenverkehr und Handel wurden infolge nationaler Corona-Maßnahmen eingeschränkt, was vor allem die vielen informellen grenzüberschreitenden Händler und Kleinstunternehmer hart trifft.

Es bleibt zu hoffen, dass afrikanische Regierungen der Versuchung widerstehen, die AfCFTA-Verhandlungen vorübergehend ganz auf Eis zu legen, um sich Einnahmen durch Zölle zu sichern. Vielmehr sollten sie die Krise dazu nutzen, vor allem nicht-tarifäre Handelshemmnisse aus dem Weg zu räumen, die den regionalen Handel behindern, etwa Einfuhrbeschränkungen oder bürokratische Hürden. Nur dann wird die AfCFTA ihre Ziele erreichen, nämlich die Integration Afrikas in die Weltwirtschaft zu unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Entwicklung und Diversifizierung der Produktionskapazitäten des Kontinents zu fördern.

Die Krise als Chance nutzen

Die Coronakrise ist kurzfristig mit Sicherheit ein Entwicklungsdesaster. Mittel- und langfristig könnte sie afrikanischen Regierungen jedoch die Chance bieten, strukturelle Reformen in ihren Ländern und der Region endlich umzusetzen.

Viele von ihnen haben schneller und rigoroser reagiert als manch westliches Land und es so geschafft, die Ausbreitung des Virus erst einmal zu verlangsamen. Einige der Einsichten und guten Management-Praktiken, die angesichts der akuten Notlage für mehr Solidarität und die Mobilisierung von Kapazitäten gesorgt haben, sollten dazu genutzt werden, nationale und regionale Sozial- und Infrastrukturprojekte zu priorisieren beziehungsweise überhaupt erst auf den Weg zu bringen. Eine bessere Gesundheitsversorgung, die in Afrika, wie im Rest der Welt, zurzeit in aller Munde ist, wäre ein solches Projekt mit langfristig Durchschlagskraft.

Nicht von ungefähr widmet auch Cilliers den Gesundheitsdiensten und der sanitären Infrastruktur Afrikas ein ganzes Kapitel, in dem er darlegt, warum die späte, aber nur umso rapider voranschreitende Urbanisierung in Afrika ohne eine entsprechende WASH (Water, Sanitation and Hygiene)-Infrastruktur nicht zu mehr Wohlstand, sondern zu einer Verslumung von Millionen Afrikaner führen kann, sofern nicht gegengesteuert wird. Die stetig wachsenden Townships von Johannesburg und Nairobi sind dafür exemplarisch.

Auch prognostiziert Cilliers, dass in den kommenden Jahrzehnten neben übertragbaren Krankheiten wie Malaria, HIV oder Ebola vor allem nicht übertragbare Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten, die in Afrika stark zugenommen haben, die Gesundheitssysteme und Staatskassen übermäßig belasten werden, sollte  nicht  entsprechend investiert werden.

Ein weiteres Mittel, Armut und soziale Ungleichheit kurzfristig zu bekämpfen, sind staatliche Transferleistungen. So könnte den Ärmsten geholfen werden, wie das vorhandene Datenmaterial und das Beispiel Südafrika nahelegen, schreibt Cilliers. Insofern sollte die Krise ein Weckruf für afrikanische Regierungen sein, Sozialsysteme auf- und auszubauen. Schon kleine Transferleistungen helfen vor allem Menschen im informellen Sektor sich aus extremer Armut zu befreien und würde ihnen dabei helfen, eher mit den Folgen der Covid-19-Krise fertig zu werden. Allerdings sind Transferleistungen keine dauerhafte Lösung, da sie die Staatskassen belasten und nur zu einem begrenzten Maße zum wirtschaftlichen Wachstum beitragen können.

Verteilt werden kann eben nur, was auch erwirtschaftet wird. Langfristiges Ziel muss es laut Cilliers daher sein, mehr und mehr Afrikaner in den formellen Sektor auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft zu integrieren. Hier könnte die soziale Marktwirtschaft als gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Modell für afrikanische Gesellschaften dienen. Dies ist eine wirtschaftspolitische Diskussion, die die Stiftung in Afrika aktiv unterstützt.

Die COVID-19-Pandemie hat die Digitalisierung weltweit vorangetrieben. In Afrika und der Welt nutzen inzwischen sehr viel mehr Menschen virtuelle Plattformen, um an Workshops, Arbeitsbesprechungen aber auch sozialen Veranstaltungen teilzunehmen.

Afrikas Jugend ist – vor allem in den Städten – bereits gut mit der Nutzung sozialer Medien für persönliches und unternehmerisches Engagement vertraut. Die von der Afrikanischen Union kürzlich veröffentlichte digitale Transformationsstrategie kann daher wegweisend sein, um ein förderliches Umfeld zu schaffen und Infrastruktur sowie die digitalen Fähigkeiten afrikanischer Bürger zu verbessern.

Der Einsatz moderner Technologien und die Digitalisierung – insbesondere in den Bereichen der Agrar-, Finanz- und Energiewirtschaft sowie Bildung – ist in Cilliers Augen entscheidend, um langsam aber sicher zum Rest der Welt aufzuschließen. In „Afrika First!“ führt er einige Beispiele für digitale Lösungen auf, die den wirtschaftlichen und sozialen Anschluss ländlicher Gebiete, in denen immer noch die meisten Afrikaner leben, erleichtern. Die koordinierte Umsetzung dieser ambitionierten Strategie zur digitalen Transformation Afrikas wäre daher sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Entwicklungsstaat einerseits, ausländische Direktinvestitionen andererseits

Auch die neue Strategie des Bundesministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung, die unter dem Namen „BMZ 2030“ veröffentlicht wurde, soll modernere Antworten auf Zukunftsthemen geben und stellt nachhaltige Lieferketten, Digitalisierung, Technologietransfer, Klimaschutz sowie eine umfassende Gesundheits- und Familienpolitik im Rahmen von Entwicklungspartnerschaften in den Vordergrund. Hierbei will man sich zukünftig auf diejenigen Partnerländer konzentrieren, die einen eindeutigen Reformwillen zeigen. 

Auch Cilliers sieht afrikanische Regierungen in der Pflicht, die Entwicklung ihrer Länder aktiv zu befördern, um den Erfolg struktureller Reformen sicherzustellen. Der freie Markt und ausländische Direktinvestitionen allein werden die Wirtschaft insbesondere in den ärmsten Ländern nicht beflügeln können. Doch muss der Privatwirtschaft genügend Freiraum zugestanden werden, um sich zu entfalten. Schließlich ist diese nach wie vor Garant für Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Welche Rolle der Staat bei der Entwicklung afrikanischer Länder letztlich spielen kann und soll und welche entwicklungspolitischen Prioritäten gesetzt werden sollten, hängt deshalb maßgeblich davon ab, welcher Einkommensgruppe afrikanische Länder angehören. Entsprechend fallen Cilliers Empfehlungen für die 24 Länder mit niedrigem Einkommen, den 21 Ländern mit niedrigem mittlerem Einkommen und den acht Ländern mit hohem mittlerem Einkommen auf dem afrikanischen Kontinent unterschiedlich aus, was der Diversität der 55 afrikanischen Staaten Rechnung trägt. Africa First! könnte somit – wie es der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bezeichnet – als „Blaupause fungieren, um Afrikas Potenzial in Wohlstand zu verwandeln".

Deutsches Engagement in Afrika

Ob Staat oder Bürger – letztlich können nur Afrikaner Afrika entwickeln und strukturelle Reformen und Investitionen ankurbeln. Da sind sich Cilliers und Dr. Stefan Mair, Mitglied des Vorstands des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), einig.

Bei einem vielbeachteten Online-Seminar am 30. April 2020 haben Cilliers und Mair auf Grundlage der in „Africa First!“ formulierten Langzeitprognosen diskutiert, wie Investitionen deutscher Unternehmen in Afrika nach einer Zeit erhöhter globaler Unsicherheit und schwachen Wirtschaftswachstums aussehen könnten. Dr. Mair benannte die bestehenden Chancen und Hindernisse und welche Voraussetzungen geschaffen werden müssten, damit deutsche Unternehmer Afrika als „Chancenkontinent“ und Zukunftsmarkt wahrnehmen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass mit Einführung der AfCFTA das Interesse deutscher Firmen und Investoren am Standort Afrika zunehmen wird, zumal der globale Trend – mehr regionale Ausrichtung und größere Diversifizierung von Lieferketten – durch die COVID-19 Krise verstärkt wurde. Eine Chance für Afrika!

Sollte diese genutzt werden, könnten deutsche Investoren nicht nur von Afrikas großem Potential profitieren, sondern auch dabei helfen, die Modernisierung afrikanischer Volkswirtschaften und deren Einbindung in regionale und internationale Produktions- und Handelsketten voranzutreiben. Die HSS wird den Dialog mit dem BDI zum Thema „Wirtschaftsstandort Afrika“ in einer Reihe von Online-Seminaren deshalb vertiefen.

Autoren: Marlene Barnard und Hanns Bühler, HSS Südafrika

 

Afrika südlich der Sahara
Klaus Liepert
Leiter
Südafrika
Hanns Bühler
Projektleiter