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Republik Nordmazedonien wird 30. Mitgliedsstaat der NATO
Namensstreit beigelegt

28 Jahre dauerte der „Namensstreit“ um den Staatsnamen der Balkanrepublik. Im Juni wurde eine Einigung zwischen Griechenland und Mazedonien erzielt und von beiden Parlamenten nach langen Diskussionen im Januar abgesegnet. Damit steht für die Republik Nordmazedonien der Weg in die EU und die NATO offen. Die NATO reagierte sofort.

Am 25. Januar hat sich das griechische Parlament trotz heftigen Widerstandes in weiten Teilen der Bevölkerung dem Druck der Europäischen Union mit einer knappen Mehrheit von 153 der 300 Abgeordneten gebeugt und dem historischen Prespa-Abkommen mit Mazedonien zugestimmt. Laut Bericht der FAZ vom („28 Jahre und 38 Stunden. Griechenland beendet den `Namensstreit´“ 26.1.2019, Seite 2) lehnten bei einer Befragung mehr als 60 Prozent der Griechen das Abkommen als schlecht für ihr Land ab, es kam bis zum Tag der Parlamentsabstimmung immer wieder zu Protestkundgebungen in Athen und anderswo. Das Abkommen war auch ein wichtiger Gesprächspunkt des Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Athen am 11. und 12. Januar 2019.

Regierungsgebäude in Skopje

Griechenland hatte bisher alle Annäherungsversuche von Skopje gegenüber der NATO und der EU blockiert, obwohl Mazedonien schon seit über einem Jahrzehnt den EU-Kandidatenstatus besitzt und seitdem auf den Beginn der Kapitel-Verhandlungen wartet.

ExplorerBob; ©0; Pixabay

Damit endet ein jahrzehntelanger „Namensstreit“, der mit der Unabhängigkeitserklärung der jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien unter der Selbstbezeichnung „Republik Mazedonien“ im Jahr 1991 begann und dazu führte, dass Griechenland bis jetzt einen Beitritt des kleinen nördlichen Nachbarn zur NATO ebenso wie den Beginn von Beitrittsverhandlungen zur EU strikt blockierte. Der Binnenstaat im Westlichen Balkan möchte nun schnellstmöglich unter dem neuen Namen „Nordmazedonien“ den Bündnis-Rückstand gegenüber den Nachbarn der Region wie Serbien (Beitrittsverhandlungen seit 2014) und Albanien (NATO-Mitglied seit 2009, Beitrittsverhandlungen sollen 2019 beginnen) aufholen. Bereits am 6. Februar unterzeichneten Vertreter der 29 Mitgliedsstaaten der NATO gemeinsam mit Außenminister Nikola Dimitrov das Beitrittsprotokoll, das Nordmazedonien nach Abschluss aller nationalen Ratifizierungsverfahren im Jahr 2020 zum 30. NATO-Mitglied machen soll.

Die außenpolitische Lage Mazedoniens und das Prespa-Abkommen

Die Regierung des seit 2017 im Amt befindlichen Ministerpräsidenten Zoran Zaev (Sozialdemokratische Liga, SDSM) ist EU-orientiert und will das Land aus der außenpolitischen Isolation führen. Auch die Europäische Union war sehr an einer Lösung des 28 Jahre lang schwelenden griechisch-mazedonischen Konflikts interessiert, um Mazedonien die Perspektive zu geben, zusammen mit den Staaten des Westlichen Balkans Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien in die euroatlantischen Strukturen integriert werden zu können. Auf diesem Wege, der bis zum endgültigen EU-Beitritt der sechs Westbalkanstaaten noch zehn oder mehr Jahre in Anspruch nehmen kann, versucht die EU eine nachhaltige Stabilisierung der Region zu erreichen, die nicht nur im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise politisch und wirtschaftlich fragil ist.

Griechenland hatte bisher alle Annäherungsversuche von Skopje gegenüber der NATO und der EU blockiert, obwohl Mazedonien schon seit über einem Jahrzehnt den EU-Kandidatenstatus besitzt und seitdem auf den Beginn der Kapitel-Verhandlungen wartet. Letztendlich gelang im Juni 2018 der Durchbruch, wohl auch weil die Chemie zwischen den beiden Regierungschefs stimmte, wie aus den Bildern zu dem historischen Ereignis am Prespa-See an der Grenze beider Länder hervorgeht. Am 17. Juni 2018 unterzeichneten die Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und Zoran Zaev im Beisein ihrer Außenminister, der EU-Außenbeauftragten Frederica Mogherini, des EU-Nachbarschaftskommissars Johannes Hahn sowie des UN-Sonderbeauftragten Mathew Nimetz ein Abkommen, in dem Mazedonien seine Umbenennung in „Republik Nordmazedonien“ (Republika Severna Makedonija) zusicherte und Griechenland als Gegenleistung die Unterstützung des Beitrittes seines nördlichen Nachbarlandes zu EU und NATO versprach. Doch weil die parlamentarische Mehrheiten schwer zu beschaffen waren, dauerte es noch über ein halbes Jahr bis Januar 2019, ehe sowohl das mazedonische Parlament am 11. Januar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit und zwei Wochen später das griechische Parlament mit einfacher Mehrheit dem sogenannten Prespa-Abkommen zustimmten. Noch am 30. September 2018 scheiterte ein nicht bindendes Referendum in Mazedonien über das Abkommen, mit dem sich die Regierung Zaev Rückendeckung vor den Kritikern im eigenen Land erhofft hatte, insbesondere vor der stark national gesinnten Oppositionspartei VMRO-DPMNE. Zwar stimmten 94% der beteiligten Bevölkerung für die Namensänderung, aber aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von unter 50% musste das Referendum für ungültig erklärt werden.

Die Zukunftsperspektiven für Nordmazedonien

Das größte Hindernis für Mazedoniens Integration in die euroatlantischen Strukturen, die angesichts des kooperativen Verhaltens des Landes gegenüber der EU in der Migrationskrise und des wachsenden Einflusses externer Mächte (China, Russland) auf dem Balkan als strategisch sehr notwendig angesehen wird, konnte mit der Zustimmung des griechischen Parlaments zum Prespa-Abkommen überwunden werden. Sobald Mazedonien seine Verfassung entsprechend geändert (formell muss noch eine Verfassungsklage abgewartet werden) und den neuen Staatsnamen „Republik Nordmazedonien“ bei den Vereinten Nationen angezeigt hat, stehen dem Beitritt zur NATO und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU nichts mehr im Wege. Schon kurz nach der Entscheidung in Athen meldete sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel mit der Feststellung, Nordmazedonien könne bereits 2020 das 30. Mitgliedsland der NATO werden, und Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte erleichtert die Überwindung des Namensstreits mit den Worten: „Ich glaube, das ist nur eine kleine, aber ganz wichtige Nachricht, die viel mit Krieg und Frieden und viel mit Stabilität zu tun hat. Bei den vielen internationalen Krisen denkt man ja, es geht nie etwas voran.“

Am 2. Februar hat Stoltenberg dann überraschend per Twitter angekündigt, dass die NATO-Mitgliedsstaaten bereits am 6. Februar 2019 ein Aufnahmeprotokoll mit der Republik Nordmazedonien unterzeichnen werden. Für die NATO ist der Beitritt eines Landes mit kaum 10.000 aktiven Soldaten, einer praktisch nicht existenten Luftwaffe und veralteter Ausrüstung vor allem von symbolischer Bedeutung, weil damit eine weitere Lücke auf dem Balkan geschlossen und der Einfluss Russlands, der besonders in Serbien stark ist, weiter in Schach gehalten wird. Ministerpräsident Zaev brachte nach Beendigung des Namensstreits die neuen Zukunftsperspektiven seines Landes mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Wenn es so läuft, wie wir es erwarten, sind wir sicheres NATO-Mitglied und im Juni werden die Beitrittsgespräche mit der EU beginnen. Dann erwarten wir mehr inländische und ausländische Investitionen. Solche Investitionen werden mehr Arbeitsplätze nötig machen. Und dann werden auch die Löhne steigen.“ Dies scheint ein sehr hoffnungsvoller Ausblick für ein Land zu sein, das gerade mit Geschick und etwas Glück eine schwere außenpolitische Hürde überwinden konnte. Die Experten sind sich einig, dass nun vieles möglich ist , was dem kleinen Balkanstaat über Jahrzehnte verwehrt war.

Mazedoniens „Namensstreit“ mit Griechenland

Mazedonien (deutsch auch: Makedonien) wurde als eine der sechs Teilrepubliken der zerfallenen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien im Anschluss an ein Referendum 1991 unabhängig. Mit rund 25.000 km² ist das Land, das im Norden an Kosovo und Serbien, im Osten an Bulgarien, im Süden an Griechenland und im Westen an Albanien grenzt, etwa so groß wie das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Von den 2,1 Mio. Einwohnern sind ca. 64% ethnische Mazedonier (südslawische Sprache, nahe verwandt mit Bulgarisch), 25% Albaner, etwa 4% Türken, 3% Roma und 2% Serben. Die Errichtung der unabhängigen „Republika Makedonija“ führte sofort zu Spannungen mit dem südlichen Nachbarn Griechenland, da dieses bei der Verwendung der Bezeichnung Mazedonien bzw. Makedonien irredentistische Ansprüche auf die gleichnamige griechische Provinz, das Herkunftsland Alexanders des Großen, befürchtete. Einer der Gründe dafür war die Verfassung des Landes: In Artikel 49 wurde erklärt, dass sich die neue Republik für den Status und die Rechte der Mazedonier in den Nachbarländern einsetzt. Griechenland interpretierte dies als Ermutigung zum Separatismus gegenüber seiner Minderheit der mazedonischen Slawen und befürchtete potenzielle territoriale Ansprüche.

Unter dem als provisorisch angesehenen Kompromissnamen „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ (Akronym: F.Y.R.0.M.) stimmte schließlich Griechenland 1992 der Aufnahme des Nachbarlandes in die UNO zu. Seither schwelte aber der Konflikt trotz vieler internationaler Vermittlungsversuche zur Festlegung eines von allen Seiten akzeptablen Staatsnamens weiter und Griechenland blockierte bisher unter anderem den von Mazedonien angestrebten Beitritt zur NATO und die Aufnahme von Verhandlungen zum EU-Beitritt. Nach einer Handelsblockade durch Griechenland (Sperrung des Hafens von Thessaloniki für den Warenverkehr mit Mazedonien) im Jahr 1994/95 hat Mazedonien seine Verfassung geändert und ausdrücklich erklärt, dass es keinerlei territoriale Ansprüche gegenüber den Nachbarstaaten habe. Ebenso hat es seine Flagge, die ursprünglich den sechzehnstrahligen Stern von Vergina darstellte – das  Symbol des antiken Makedonien – geändert. Wirtschaftlich waren schon seit etlichen Jahren die  Auswirkungen des Namensstreits auf Mazedonien kaum noch wahrnehmbar: Griechische Unternehmen haben nirgendwo sonst im Ausland vergleichbar viel investiert und sind der wichtigste Investor im Land, speziell in der Hauptstadt Skopje.

 

Autor: Armin Höller, HSS

Südosteuropa
Armin Höller
Leiter