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Amtsübergabe nach den Kommunalwahlen in schwierigen Zeiten
„Rathaus bis auf Weiteres geschlossen“

Alles neu macht der Mai – dies gilt auch für viele Ratshäuser. Nach den Kommunalwahlen im März fangen nun die Amtsübergaben an. Unter außergewöhnlichen Umständen.

Normalerweise wären die Kalender jetzt prall gefüllt mit Terminen, etwa für die konstituierende Sitzung und die Bildung von Ausschüssen, für Fortbildungen und natürlich für das Alltagsgeschäft mit Bürgersprechstunden und Gemeinderatssitzungen zu zahlreichen Tagesordnungspunkten, etwa Bauanfragen, Infrastrukturplanungen und Satzungsänderungen. Doch es sind keine normalen Zeiten. In Zeiten der Corona-Pandemie heißt es, die eigenen Arbeitsabläufe neu zu organisieren. Wir haben den Bayerischen Gemeindetag gebeten, für uns fünf Punkte als Beispiel herauszugreifen.

  • Publikumsverkehr
  • Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Bauleitplanung
  • Stadt- und Gemeinderatssitzungen
  • Gemeindefinanzen
  • Systemrelevante Rolle der Gemeinden
Nett und energetisch lächelnder Mann mit sportlichem Flair und Glatze.

Dr. Uwe Brand ist Bürgermeister von Abensberg, Präsident des Bayerischen Gemeindetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Außerdem ist Brandl Mitglied im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks.

Dr. Uwe Brandl

Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl: „Kommunen haben als unmittelbare Bindeglieder zwischen der großen Politik und den Menschen eine systemrelevante Rolle. Der befürchtete Kollaps der öffentlichen Verwaltung ist ausgeblieben. Denn die Kommunen zeigen gerade tagtäglich, dass sie die ständig wechselnden Herausforderungen in der Krise bewältigen können - mit Kreativität und den Mut, gewohnte Pfade zu verlassen“.

Publikumsverkehr

Die Ausgangsbeschränkung werden Stück für Stück gelockert, Geschäfte dürfen wieder öffnen. Wie sieht es denn mit dem Publikumsverkehr in den Rathäusern aus?

Die Vernunft gebietet es, den Publikumsverkehr auch weiterhin auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken. Das heißt, jeder sollte sich bitte vorher überlegen, ob es wirklich zwingend erforderlich ist ins Rathaus zu kommen. Am besten wäre es, mit der Verwaltung vorab am Telefon oder per Email zu klären, ob ein persönliches Erscheinen notwendig ist. Falls ja, sollte auch hier auf das Tragen von Mundmasken und die Einhaltung von Mindeststabständen geachtet werden. Besucher sollten vorsorglich mit Adresse erfasst werden, um gegebenenfalls eine Nachverfolgung der Kontaktpersonen durchführen zu können.

Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Bauleitplanung

In der Bauleitplanung müssen formale Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung eingehalten werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Verwaltung den Entwurf des Bauleitplans in Papierform öffentlich auslegen muss. Was sollten Gemeinden dabei beachten?

Das muss auch weiterhin eingehalten werden. Wichtig ist, dass die Gemeinden geeignete Räume finden, in denen das aktuell möglich gemacht werden kann, und rechtzeitig auf die konkreten Zugangsmöglichkeiten und Zeiten verweisen. Gute Information zum Beispeil via Internet ist gerade jetzt besonders wichtig.

Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat am 24. März Empfehlungen abgegeben, wie auch mit dünner Personaldecke und eingeschränktem Publikumsverkehr die geforderte Beteiligung der Öffentlichkeit rechtssicher gewährleistet werden kann.

Reicht es, die Pläne über das Internet der Verwaltung zugänglich zu machen?

Nein: Da die Auslegung der Planunterlagen in Papierform nach Art. 73 Abs. 3 BayVwVfG zwingend vorgeschrieben ist, würde die ausschließliche Zugänglichmachung über das Internetportal einen Verfahrensfehler darstellen.

Dürfen Gemeinden die Frist für die Auslegung verlängern?

Die Verlängerung der Auslegungs-und Einwendungsfrist ist nach der Rechtsprechung nicht zulässig, weil es sich um gesetzliche Fristen handelt. Es ist fraglich, ob das für die jetzige Ausnahmesituation auch so streng gesehen würde. Allerdings dürfte eine Verlängerung nur Sinn machen, wenn sie nach Ende der Ausgangsbeschränkung wirksam wird, weil die Hindernisse bis dahin fortbestehen

Hier finden Sie weitere aktuelle Hinweise zu Fragen im Bereich Baurecht.

Sitzungen der kommunalen Parlamente

Zur wichtigsten Aufgabe des Gemeinderats gehört es, „alle Angelegenheiten der Gemeinde“ zu regeln und in Sitzungen dazu Beschlüsse zu fassen (GO Art. 30). Gilt der „Sitzungszwang“ auch in Zeiten der Corona-Krise?

Die Handlungsfähigkeit der staatlichen wie der kommunalen Ebenen muss grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben. Dies ist gerade auch im Interesse eines wirksamen Infektionsschutzes und der Bewältigung der Auswirkungen infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen.

Wir empfehlen, die Rats- und Ausschusssitzungen in den nächsten Wochen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und alle Tagesordnungspunkte, die nicht eilbedürftiger oder fristgebundener sind, möglichst zu vertagen.

Gemeinderatsmitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen. Wer jedoch Krankheitssymptome feststellt oder aus einem Risikogebieten zurückgekehrt ist, sollte den Sitzungen fernbleiben. Er gilt dann im Sinne von Art. 48 Abs. 2 GO als entschuldigt.

Der erste Bürgermeister ist befugt, an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen (GO  Art. 37). Hiervon hat er dem Gemeinderat oder dem Ausschuss in der nächsten Sitzung Kenntnis zu geben.

HSS: Und wie sieht es mit dem öffentlichen Teil der Sitzungen aus?

Der Öffentlichkeitsgrundsatz aus Art. 52 GO besagt, dass Sitzungen öffentlich sein sollen, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen, zum Beispiel bei Personal-, Vergabeentscheidungen oder Grundstücksgeschäften. Dies ist grundsätzlich auch weiter zu beachten. Der Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit könnte allenfalls von den Gesundheitsbehörden aus infektionsschutzrechtlichen Gründen angeordnet werden.

In den verbleibenden Fällen gehen wir eher davon aus, dass sich der Besucherandrang bei den öffentlichen Sitzungen der Gremien in der nächsten Zeit generell sehr in Grenzen halten wird.

Sowohl in Bezug auf die Besucher als auch in Bezug auf die Ratsmitglieder selbst, sollten Schutzmaßnahmen getroffen werden - etwa lockere Bestuhlung mit Mindestabstand zueinander. Gegebenenfalls ist es erforderlich, dafür in andere, größere Räumlichkeiten auszuweichen.

Gemeindefinanzen

Die Corona-Krise hat massive wirtschaftliche Folgen, Deutschland wird sich auf eine Rezession einstellen müssen. Inwiefern sind auch die Städte und Gemeinden betroffen?

Sie müssen sich auf gewaltige Belastungen durch die Corona-Pandemie vorbereiten. Hohe Einbußen sind vor allem bei der Gewerbesteuer und der Einkommenssteuer zu erwarten. Hinzu kämen Rückgänge bei den Kitabeiträgen, Einnahmeverluste bei Bibliotheken, Schwimmbädern, Theatern und Museen. Gleichzeitig bleiben die Ausgaben in den Verwaltungshaushalten gleich oder steigen durch die zusätzlichen Sozialleistungen sogar an. [Anmerkung: Siehe zum Beispiel Analyse des Wirtschaftsdienst und im Difu-Beitrag]

Mit welchen weiteren Auswirkungen müssen die Kommunen rechnen?

Die Gesamtauswirkungen sind noch schwer einzuschätzen. Viele Gemeinden befürchten, dass Gaststätten und vor allem kleine Einzelhändler und mittelständische Betriebe vor dem Aus stehen und aufgeben werden. Gerade das Ladensterben in der Innenstadt zieht oft weitere Kreise nach sich und beeinflusst die wirtschaftliche Dynamik vor Ort. Wir befürchten, dass sich die Schere zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Kommunen womöglich noch weiter öffnet.

Wir setzen uns daher dafür ein, dass es auch einen „Rettungsschirm“ für Kommunen gibt. Es muss eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern geben, damit die Handlungsfähigkeit und die Liquidität der Kommunen sichergestellt werden kann

Wie gut waren die Gemeinden auf die Krise vorbereitet?

Eine aktuelle Forsa-Umfrage unter Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern hat festgestellt, dass 79 Prozent der befragten Kommunen nicht mit einem Notfallplan gerüstet waren. Ungeachtet dessen stellte der Gemeindetag fest, dass die kommunale Ebene ihre Handlungsfähigkeit und Schlagkraft unter Beweis gestellt hat.

Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl: „Kommunen haben als unmittelbare Bindeglieder zwischen der großen Politik und den Menschen eine systemrelevante Rolle. Der befürchtete Kollaps der öffentlichen Verwaltung ist ausgeblieben. Denn die Kommunen zeigen gerade tagtäglich, dass sie die ständig wechselnden Herausforderungen in der Krise bewältigen können, mit Kreativität und den Mut, gewohnte Pfade - zu verlassen“.

Die Corona-Krise verlangt den Landkreisen, Städten und Gemeinden viele Entscheidungen ab, die schnell getroffen werden müssen. Das betrifft zum Beispiel die kurzfristige Schließung von Wertstoffhöfen und das Umstellen von Tourenplänen der Müllabfuhr, die Festlegung von aktuell gültigen Regelungen für Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Die Absage von größeren Veranstaltungen und beliebten Highlights - oft starke Identifikationsmerkmale der Orte und feste Posten im Finanzhaushalt. Viele weitere Entscheidungen, die sonst intensiv in den zuständigen Gremien beraten werden, müssen nun im Alleingang getroffen werden. Das bedeutet: viel Unklarheit im Wissen um das Corona-Virus und die Richtigkeit von Entscheidungen, trotzdem enormer (Zeit)Druck und hohe Verantwortung. An dieser Stelle an alle Beteiligten: Danke, dass Sie sich den Herausforderungen stellen - halten sie durch!

Wir bedanken und beim Bayerischen Gemeindetag für die Informationen

Hinweis: Auf der Website des Bayerischen Gemeindetags finden Sie eine ständig aktualisierte Zusammenstellung der Rundschreiben im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen, etwa Handreichungen, Verhaltensempfehlungen. 

Autor: Silke Franke

Umwelt und Energie, Städte, Ländlicher Raum
Silke Franke
Leiterin