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Die rumänische EU-Ratspräsidentschaft
Eine Europäische Agenda

Autor: Angela Ostlender

Für die kommenden sechs Monate hat sich Rumänien anspruchsvolle Ziele gesetzt. Das Land will Europa stärker zusammenführen, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit steigern, für mehr Sicherheit sorgen und die EU als handlungsfähigen globalen Akteur etablieren. Besonderen Wert legt Rumänien darauf, die gemeinsame Wertebasis zu stärken.

Zum ersten Mal seit seinem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2007 hat das Land am 1. Januar 2019 für sechs Monate den Vorsitz im Rat übernommen. Angesichts der Komplexität der Themen auf der aktuellen europäischen Tagesordnung bringt die bevorstehende Ratspräsidentschaft für Rumänien große Herausforderungen mit sich, darunter der Abschluss der Brexit-Verhandlungen, die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2021-2027 sowie die laufenden Diskussionen über die allgemeine Zukunftsperspektive einer EU mit 27 Mitgliedstaaten. Auch die je nach EU-Mitgliedstaat zwischen dem 23. und 26. Mai 2019 stattfindenden Europawahlen fallen in die Zeit der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft.

Das riesige Gebäude hat einen hohen Mittelbau und zwei niedrigere aber immer noch sehr hohe und massive Seitenflügel.

Der Palast des Volkes ist der Sitz der rumänischen Abgeordnetenkammer. Am 10. Januar 2018 fand in Bukarest die offizielle Eröffnungszeremonie der rumänischen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union statt.

ArvidO; CC0; Pixabay

Gleichzeitig tritt ein neues Ratsvorsitz-Trio zusammen, dem neben Rumänien auch Finnland und Kroatien angehören. Die drei EU-Staaten haben ein gemeinsames Achtzehnmonatsprogramm erarbeitet. Rumänien hat darüber hinaus die Möglichkeit, eigene Prioritäten zu setzen.  „Zusammenhalt, ein gemeinsamer europäischer Wert“, lautet der Leitspruch, unter dem der rumänische Ratsvorsitz die Vision eines enger zusammenwachsenden Europas, eines sichereren Europas, eines Europas als stärkerem globalen Akteur und eines Europas der gemeinsamen Werte vorantreiben will.

Präsident Klaus Werner Iohannis ist seit dem 21. Dezember 2014 Rumäniens Staatsoberhaupt.  Die derzeitige Premierministerin, Viorica V. Dăncilă, amtiert seit dem 29. Januar 2018. Im Rahmen einer größeren Regierungsumbildung im November 2018 wurde der Berufsdiplomat George Ciamba zum neuen Europaminister berufen. Auch wenn Brüssel Rumäniens innenpolitische Lage und vor allem seine Defizite in Sachen Rechtstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung mit Sorge betrachtet, sieht man mögliche negative Auswirkungen auf die Ratspräsidentschaft eher gelassen. Rumänien wäre nicht das erste Land, dass trotz innenpolitischer Turbulenzen ein erfolgreiches Semester absolviert. Die Vorbereitungen für die Ratspräsidentschaft liegen weitestgehend in der Hand von erfahrenen Diplomaten und Beamten. Hierzu gehört auch der stellvertretende rumänische Ständige Vertreter bei der EU, Botschafter Cosmin Boiangiu, der im Rahmen einer Konferenz der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel die vier großen rumänischen Prioritäten vorstellte:

Muresan mit Mikro in der Hand spricht erklärend. Anzug und Krawatte.

„Die Menschen in Rumänien sind bereit für die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Auch wissen sie, was die EU für Rumänien getan hat“, sagte Siegfried Mureşan, MdEP, stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments.

HSS

1. Ein zusammenwachsendes Europa: Wachstum, Kohäsion, Wettbewerbsfähigkeit, Konnektivität

Die historische Stadt Sibiu (Hermannstadt) hat bereits mit den Vorbereitungen für das wichtige Gipfeltreffen am 9. Mai 2019 begonnen, zu dem die 27 EU-Staats- und Regierungschefs sowie 36 offizielle Delegationen, weitere 400 hochrangige Gäste und etwa 800 Journalisten erwartet werden. Sechs Wochen nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU soll hier über die zukünftige strategische Agenda beraten werden. Hauptziele sind eine grundsätzliche Einigung in Fragen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027, die Ratifizierung des EU-Japan-Wirtschaftsabkommens sowie Beratungen zu einer internationaleren Rolle des Euro.

2. Ein sicheres Europa

Die rumänische Präsidentschaft wird sich darüber hinaus für den stärkeren Zusammenhalt und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen einsetzen. Hierzu gehören sowohl Bereiche der inneren als auch der äußeren Sicherheit und der Verteidigung. Konkret soll die Fähigkeit zur Zusammenarbeit der unterschiedlichen EU-Sicherheitssysteme verbessert und Unternehmen wie auch öffentliche Einrichtungen widerstandsfähiger gegen Cyberangriffe gemacht werden. Auch wird die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft weiter vorangetrieben.

Am 5. Dezember 2018 fand in Brüssel eine Kooperationsveranstaltung des Europa-Büros Brüssel der Hanns-Seidel-Stiftung mit der EVP-Denkfabrik „Wilfried Martens Centre for European Studies“ und der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU zu den Prioritäten des rumänischen EU-Ratsvorsitzes statt. Rumänien übernimmt diese Aufgabe am 1. Januar 2019 von Österreich. Zu den Sprechern der Konferenz zählten der Minister der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg, Guido Wolf, MdL, der stellvertretende Ständige Vertreter Rumäniens bei der Europäischen Union, Botschafter Cosmin Boiangiu, Siegfried Mureşan, MdEP, stellvertretender Vorsitzender im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments sowie Dr. Andreas Schwab, MdEP, Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und Dr. Dragoș Anastasiu, Präsident der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer in Bukarest. Ioana Lung, Abteilungsleiterin für Kommunikation und Marketing des Wilfried Martens Center for European Studies moderierte die Diskussionsrunde. Dr. Markus Ehm, Leiter des Europa-Büros Brüssel der Hanns-Seidel-Stiftung sprach das Schlusswort.

Präsident Klaus Werner Iohannis ist seit dem 21. Dezember 2014 Rumäniens Staatsoberhaupt. 2018 erhielt er von der Hanns-Seidel-Stiftung den Franz-Josef-Strauß Preis für seine Verdienste um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Präsident Klaus Werner Iohannis ist seit dem 21. Dezember 2014 Rumäniens Staatsoberhaupt. 2018 erhielt er von der Hanns-Seidel-Stiftung den Franz-Josef-Strauß Preis für seine Verdienste um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

HSS

3. Europa als stärkerer globaler Akteur

Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten der EU sollen ausgebaut werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Zusammenführung von bereits existierenden Mechanismen der strategischen Partnerschaft zwischen EU und NATO. Somit sollen Doppelungen vermieden und Synergien bei der Einrichtung neuer Instrumente gewährleistet werden. Einen besonderen geostrategischen Schwerpunkt stellt die Region um das Schwarze Meer dar. Mit koordinierten und stringenten Maßnahmen in der Nachbarschaft soll auch an das zehnjährige Bestehen der Östlichen Partnerschaft erinnert werden. Darüber hinaus sollen europäische Handelsinteressen gewahrt werden, indem sich der Rat unter rumänischem Vorsitz für Wirtschafts- und Freihandelsabkommen mit weiteren Drittstaaten stark macht.

4.  Ein Europa gemeinsamer Werte

Die rumänische Präsidentschaft zielt auch darauf ab, die Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten und den Zusammenhalt der EU durch gezielte Maßnahmen zur Stärkung von Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern. Außerdem möchte Bukarest die Bürger intensiver in europäische Debatten einbeziehen, insbesondere die Jugend. Zu diesen Maßnahmen gehört die Bekämpfung von Online-Fehlinformationen und gefälschten Nachrichten durch bessere Medienkompetenz ebenso wie die Entwicklung europäischer Mechanismen zum Austausch bewährter Verfahren und Gegenstrategien für die wirksame Bekämpfung von Intoleranz und Hassreden.

Der Minister der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg, Guido Wolf, machte deutlich, dass die Handlungsfähigkeit der EU noch nie so in Gefahr war wie heute. Sowohl innere als auch äußere Herausforderungen brächten die EU immerfort unter Druck. Die Union brauche einen Kompass, sonst drohe Orientierungslosigkeit und es herrsche das Recht des Stärkeren anstatt der Herrschaft des Rechts. Er mahnte: „In welcher EU wollen wir leben? Vieles scheint selbstverständlich geworden zu sein, aber persönliches Engagement ist notwendig. Werte müssen gelebt und überall zum Alltag werden.“

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter
Europäischer Dialog
Angela Ostlender
Programm Managerin