Wie steht es nach der Pleite von Air Berlin um den deutschen Markt für Luftverkehr? Im exklusiven Interview stellt sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften, Dr. Michael Engel, den Fragen der HSS. Wie sind die deutschen Airlines aufgestellt, was erwartet die Luftfahrt von der Politik und wann wird der BER endlich fertiggestellt?
HSS: Wie sehen Sie die deutschen Airlines im internationalen Wettbewerb aufgestellt?
Engel: Die deutschen Fluggesellschaften sind als Unternehmen im internationalen Wettbewerb sehr gut aufgestellt, und die deutschen Airlines stellen sich auch diesem Wettbewerb. Allerdings braucht man auch faire Rahmenbedingungen im Wettbewerb mit seinen ausländischen Konkurrenten.
Da gibt es auf der einen Seite viele Vergünstigungen, die ausländische Staaten ihren Airlines gewähren. Aber wir müssen auch und zuallererst vor der eigenen Haustür kehren. Die deutsche Luftverkehrsteuer und die hohen Luftsicherheitskosten sind nationale Sonderbelastungen, die uns im Wettbewerb benachteiligen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen.
Diese Sonderbelastungen kann die deutsche Regierung beseitigen, beispielsweise indem sie die Luftverkehrsteuer abschafft und wenigstens einen Teil der Kosten für die Luftsicherheitskontrollen, die eine staatliche Aufgabe zur Terrorabwehr darstellen, übernimmt. Dies würde zu mehr Wettbewerbsgleichheit für die deutschen Airlines führen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken.
HSS: Was sind die wesentlichen Aufgaben einer neuen Regierung im Bereich Luftverkehrspolitik?
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Airlines stärken! Dafür sollte sie in der Zukunft auf weitere Belastungen verzichten und bestehende Sonderbelastungen abbauen. Stichwort: Abschaffung der Luftverkehrsteuer und Übernahme eines Teils der Luftsicherheitskosten.
HSS: Das Thema "Air Berlin" können Sie womöglich nicht mehr hören. Es hat wochenlang die Schlagzeilen dominiert. Aber eine Frage dazu mag erlaubt sein. Was waren denn nun die Gründe für die "Pleite"? War es die Marktsituation oder gab es auch Managementfehler?
Wenn ein Unternehmen in die Insolvenz gehen muss, dann gibt es meistens mehrere Ursachen dafür. Die deutsche Luftverkehrsteuer hat die Air Berlin enorm belastet und hinzu kam sicherlich auch die veränderte Marktkonstellation mit einem immer preisintensiveren Wettbewerb. Über mögliche andere Gründe mögen andere urteilen oder ihre Meinung abgeben.
HSS: Ohne Infrastruktur kein Luftverkehr! Wie wichtig ist BER, der neue Berliner Flughafen und wie stehen Sie zu einer dritten Startbahn in MUC aus Sicht der Airlines?
Auch wenn der Luftverkehr seit der Einführung der Luftverkehrsteuer deutlich langsamer und schwächer wächst als der Luftverkehr in den meisten anderen europäischen Staaten. Fakt ist, dass der Luftverkehr in Deutschland trotzdem wächst und vielerorts an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Also brauchen wir für die Zukunft eine bedarfsgerechte Flughafeninfrastruktur in Deutschland, und ganz sicherlich an den noch am dynamischsten wachsenden Standorten. Hierzu zählen Berlin und München.
HSS: Stichwort "Sicherheit" mit den Aspekten "Safety" und "Security". Ich gehe davon aus, dass es um die technische Sicherheit, also die "Safety" in Deutschland gut bestellt ist, aber wie sieht es mit der Abwehr von Bedrohungen (Security) aus? Wie sicher ist man an Bord?
Höchstmögliche Sicherheit im Luftverkehr ist die unverzichtbare Geschäftsgrundlage der deutschen Airlines. Insofern trifft Ihre Annahme zu, dass es um die "safety" in Deutschland gut bestellt ist. Gleiches gilt aber auch für die Abwehr von Bedrohungen, also der "Security". Die deutschen Luftsicherheitsbehörden machen alles, dass Fliegen so sicher ist, wie möglich. Wenn die Luftsicherheitskontrollen bei gleichbleibend hoher Sicherheit noch etwas passagierfreundlicher würden und wir die Prozesse gemeinsam mit den Flughäfen und Luftsicherheitsbehörden noch etwas optimieren könnten, wäre dies sicherlich noch ein Zugewinn.
HSS: Die Luftverkehrsabgabe (auch Luftverkehrssteuer oder Ticketsteuer) ist eine Steuer, die in Deutschland seit dem 1. Januar 2011 bei Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Standort erhoben wird. Die gesetzliche Grundlage dazu ist das Luftverkehrsteuergesetz (LuftVStG) vom 9. Dezember 2010. Meine Frage dazu: Eine Steuer ist nie schön, aber war der Luftverkehr vorher nicht zu gut gestellt, weil alle anderen Verkehrsträger auch "Energiesteuer" bezahlen? Warum also die anhaltende Aufregung der Branche?
Die deutsche Luftverkehrssteuer ist absolut systemfremd. Der Luftverkehr finanziert seine Infrastruktur- und Umweltkosten im Wege der Nutzerfinanzierung über Gebühren und Entgelte vollständig selbst. Darin unterscheidet er sich von allen anderen Verkehrsträgern, deren Infrastrukturen aus Steuermitteln finanziert wird, oder jedenfalls zu einem großen Teil. Deswegen hat die deutsche Luftverkehrsteuer einzig den Zweck, andere, luftverkehrsfremde Aufgaben im Bundeshaushalt zu finanzieren und belastet die deutschen Luftverkehrsgesellschaften in hohem Maße. Es ist deshalb auch vollkommen berechtigt, ihre Abschaffung zu fordern. Die Luftverkehrssteuer verhindert Wachstum und schafft Arbeitsplätze höchstens im benachbarten Ausland.