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Interview
Hast du das Zeug zum Influencer?

Autor: Susanne Hornberger

Mit den Neuen Medien kam der Aufstieg der Influencer. Wie kaum eine andere gesellschaftliche Gruppe haben reichweitenstarke Blogger Einfluss auf die öffentliche Meinung. Aber wie sieht gutes Infotainment eigentlich aus und wie geht verantwortungsvolles "Influencing"? Wir haben den Journalismusforscher, Professor Jonas Schützeneder, gefragt.

Prof. Schützeneder lächelt in die Kamera.

Neugier und viel Fleiß auf der Suche und beim Aufbereiten der Themen machen für Professor Jonas Schützeneder von der Hochschule Magdeburg-Stendal einen guten Influencer aus. Der Journalismus- und Medienexperte empfiehlt eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit: "selbstbewusst genug, um sich selbst und eigene Meinungen zu präsentieren, aber bescheiden genug, Fehler einzugestehen oder für andere Argumente zugänglich zu sein"

Schulte; KU Eichstätt-Ingolstadt

HSS: Als Influencer bezeichnen sich mittlerweile ziemlich viele. Doch was macht einen guten Influencer wirklich aus?

Professor Jonas Schützeneder: In der Branche und häufig auch in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich der Fokus auf Reichweite viel zu sehr als Qualitätsmerkmal eingeschlichen. Ich würde das ganz anders sehen: "Gutes" Influencing auf digitalen Kanälen ist möglichst informativ, möglichst ehrlich, möglichst unterhaltsam und sich vor allem auch eigener Verantwortung bewusst. Das alles am besten im interaktiven Austausch mit dem Publikum und nicht als Belehrung oder Instrument zur Sicherung eigener
(finanzieller) Interessen.

HSS: Welche Rolle in der Gesellschaft haben Influencer als Meinungsmacher - ob in Politik, Kultur oder Gesellschaft?

Für jeden von uns ist Meinungsbildung sehr komplex und anstrengend. Genau deshalb sind Menschen schon immer auf der Suche nach Hilfe gewesen. Influencer nehmen diese Rolle an und bieten Orientierung, vor allem für eine junge Zielgruppe. Dass nicht jede Form der Orientierung wirklich weiterhilft ist unbestritten. Trotzdem gibt es keine Zweifel und auch erste Studien zeigen uns: Digitale Kanäle ermöglichen völlig  neue Formen der Meinungsbildung und viel mehr Menschen die Möglichkeit, eigene Reichweite für den Meinungsbildungsprozess zu nutzen. Vor allem die junge Zielgruppe der 14-29-Jährigen nutzt diese Möglichkeiten und stärkt damit gleichzeitig die Bedeutung der (neuen) Meinungsmacher als Erklärer, Ratgeber und auch Unterhalter.

HSS: Halten Sie Influencer für die geeigneten Botschafter für Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft? Wenn ja, warum?

Zunächst muss man festhalten: Genau wie "die Medien" gibt es auch nicht pauschal "die Influencer". Es ist nichtmal ansatzweise möglich, das gesamte Spektrum an Inhalten und Angeboten über die digitalen Plattformen zu überblicken. In der Tendenz blicke ich mehr skeptisch als euphorisch auf einen großen Teil dieser Angebote. Und trotzdem sehe ich viele sehr positive und vorbildliche Beispiele für überaus gute und themenübergreifende Angebote. Einige davon haben wir im Vorjahr mit dem Preis ausgezeichnet, beispielsweise das wirklich gelungene TikTok-Format "Nini erklärt Politik".

HSS: Welche Eigenschaften, welches Können muss man mitbringen, um ein wirklich guter Influencer zu werden?

Auch hier würde ich das gut nicht anhand purer Reichweite festmachen. Wenn ich als Journalismusforscher auf den Content blicke, würde ich ähnliche Qualitätskriterien ansetzen, wie auch für den Journalismus selbst: Gute Influencer müssen persönliche und fachliche Kompetenzen mitbringen, um zu überzeugen. Dazu gehört die Neugier und viel Fleiß bei der Suche und Aufbereitung von Themen. Dazu ein Gespür für Text und Bild, Geduld bei der Interaktion mit dem Publikum und nicht zuletzt eine gute Mischung aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit: selbstbewusst genug, um sich selbst und eigene Meinungen zu präsentieren und bescheiden genug, auch mal Fehler einzugestehen oder für andere Argumente zugänglich zu sein.

Influencerpreis der Hanns-Seidel-Stiftung

Der mit insgesamt 6.000 Euro dotierte Preis "Politische Influencer in den Sozialen Medien" ist auch in diesem Jahr ausgeschrieben und wird im Rahmen der Münchner Medientage im Oktober 2022 vom Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, verliehen. Einsendeschluss ist der 15. August 2022.

Die Hanns-Seidel-Stiftung als auszeichnende Organisation möchte mit dem Preis einen Impuls für qualitativ guten Social-Media-Content im Bereich Politik setzen. "Politik modern und verständlich aufbereitet, tagesaktuelles Geschehen gut erklärt oder Basiswissen über Politik an junge Zielgruppen erfolgreich vermittelt, hierfür wollen wir Trendsetter auszeichnen", formuliert Stiftungsvorsitzender Markus Ferber, MdEP, die Erwartungen an die Preisträger. "Politische Information über digitale Kanäle spielt eine entscheidende Rolle für unsere demokratische Gesellschaft. Genau das soll der Preis auch sichtbar machen und Formate belohnen, die in diesem Kontext eine Vorbild-Funktion einnehmen", ergänzt Jury-Vorsitzender Dr. Jonas Schützeneder, Vertreter der Professur für Journalismus und digitale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Die Jury besteht aus Wissenschaftlern und Praktikern und ist schon jetzt gespannt, welcher Content aus Instagram, Facebook, TikTok sowie in Blogs bzw. als Podcasts vorgeschlagen wird (max. 15 Minuten / Podcast-Formate: 45 Minuten). Selbst- und Fremdnominierungen sind gleichermaßen möglich. Einsendeschluss ist der 15. August 2022. Die eingereichten Beiträge müssen seit dem 1. Januar 2022 veröffentlicht worden sein.

Die detaillierten Ausschreibungsbedingungen sind auch HIER abrufbar.
 

HSS: Die Hanns-Seidel-Stiftung verleiht heuer zum zweiten Mal den Preis "Politische Influencer in den Sozialen Medien". Auf welche Kriterien werden Sie bei Ihrer Bewertung als Jury-Vorsitzender achten?

Auch hier ist uns die Reichweite einzelner Kanäle egal. Wir wollen Formate und Personen, die sich intensiv und mit Leidenschaft mit politischen Themen auseinandersetzen, eigene Recherche statt Übernahmen einbringen und mit ihrer besonderen Art eine bestimmte Zielgruppe ansprechen, damit zum Diskutieren über Politik einladen.

HSS: Hand aufs Herz: Haben Sie Tipps für unsere Bewerber?

Als Jury freuen wir uns auf viele Bewerbungen. Ganz besonders über Formate, die vielleicht (noch) nicht so bekannt sind und gerne auch mal sehr besondere Themen setzen, die wir so eben nicht auf anderen Kanälen sehen. Außerdem gibt es schon genug Formate, die die Arbeit der Bundesregierung und Welt-Politik erklären: Wir freuen uns auch auf auf kleine Projekte aus der Region und vor Ort!

HSS: Soziale Medien werden immer beliebter: Welche Vorteile oder auch Nachteile sehen Sie in Social Media?

Mein Kollege Christoph Neuberger spricht in diesem Kontext immer von neuen Kooperations- aber auch Konfliktpotenzialen. Das trifft es eigentlich ganz gut. Natürlich ermöglichen uns die Plattformen mehr und kostengünstige Informationsquellen und die Möglichkeit, sich in Diskurse einzubringen. Und trotzdem stehen mit den Themen Datenschutz, Hate Speech, psychische Gesundheit und der Vermischung von Werbung und Information viele fragwürdige und letztlich auch gefährliche Dimensionen im Raum. Auch deshalb ein Grund, warum ich auch privater Ebene nur sehr wenig Zeit auf den Plattformen verbringe.

HSS: Lassen Sie uns einen kurzen Blick in die Zukunft werfen: Welche Rolle werden Influencer zukünftig einnehmen? Werden sie temporär bleiben oder ein fester Bestandteil des digitalen Lebens der Gesellschaft bleiben?

Das ist eine sehr interessante Frage. Zusammen mit meiner Kollegin Annika Sehl habe ich in den letzten Monate in einer Studie untersucht, wie (politische) Influencer in Deutschland arbeiten, sich und den eigenen Content einschätzen. Wir haben zwar nur einen kleinen Ausschnitt aus einem riesigen Pool an Influencern untersucht und befragt, trotzdem zeigt sich: Die Nachfrage, Möglichkeiten und Vielfalt der Influencer-Angebote ist in einem starken Wachstum und es spricht alles dafür, dass sich diese Entwicklung sogar noch beschleunigt. Auch deshalb, weil viele gerade erst noch am Anfang stehen und die Positionierung als Influencer auf dem umkämpften Markt bisweilen Jahre dauern kann. Ein Grund mehr auch für die Wissenschaft, diese Entwicklungen unbedingt im Auge zu behalten.

HSS: Professor Schützeneder, vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt

: Susanne Hornberger
Leiterin
Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Onlineredakion
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