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Trump nahestehende US-Experten im Interview
Über den Iran-Konflikt

Autor: Christian Forstner

Mit dem Angriff auf den iranischen General Qassem Soleimani mit einer US-Drohne und dem Abschuss einer Zivilmaschine durch den Iran spitzte sich der Iran-Konflikt zu Jahresbeginn zu. Zur aktuellen Situation äußern sich CSU-Politiker Alexander Radwan und der Trump-Regierung nahestehende US- Experten.

 

  • Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran
  • Kommentar von Alexander Radwan, MdB
  • Statements von regierungsnahen US-Experten

Ein Funke genügt, um im Mittleren Osten einen Flächenbrand zu entfachen. Das transatlantische Verhältnis ist belastet. Die USA drohen Deutschland mit der Verhängung von Automobilzöllen, wenn Europa der US-Politik des maximalen Drucks auf Iran nicht folgt.

Welche Ziele verfolgt die Trump-Administration im Mittleren Osten? Riskiert Donald Trump im Wahljahr einen Krieg oder will er ein neues, besseres Abkommen verhandeln? Was erwartet Washington von den europäischen Verbündeten?
US-Fachleute mit hochrangigen Verbindungen ins Weiße Haus zur Trump-Administration geben exklusive Einblicke in Amerikas Iran-Politik, die ausschließlich die Sicht der US-Regierung widerspiegeln.
Der CSU-Politiker und Nahost-Experte Alexander Radwan analysiert die Lage aus deutscher Perspektive. 

[Anmerkung der Redaktion: Die Beiträge geben nicht die Position der Hanns-Seidel-Stiftung wieder, sondern sind Meinungsäußerungen der Interviewpartner.]

 

Alexander Radwan, MdB, führt regelmäßig Nahost-Gespräche in Washington, u.a. beim Middle East Institute wie im Mai 2019.

Alexander Radwan, MdB, führt regelmäßig Nahost-Gespräche in Washington, u.a. beim Middle East Institute wie im Mai 2019.

Foto-AG Gymnasium Melle; CC BY 3.0; Wikimedia Commons 4.0

Kommentar von Alexander Radwan, MdB

Die aggressive Expansionsstrategie des Iran im Nahen Osten und seine Provokationen gegen die USA und ihre Verbündeten in der Region haben 2019 ein neues Niveau erreicht. Mit der Ausschaltung des einflussreichen iranischen Militärs Kassem Soleimani Anfang des Jahres durch ein Spezialkommando der US-Streitkräfte in Bagdad und dem Raketenbeschuss zweier irakischer Luftwaffenstützpunkte ist die Situation zwischen den USA und dem Iran weiter eskaliert. Trauriger Höhepunkt des Konflikts: der versehentliche Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs nahe Teheran durch die iranische Führung.

Auch wenn sich der Konflikt in den letzten Tagen entspannt hat, bleibt das Verhalten des Iran unkalkulierbar.

Weiterführung des Dialoges
Es gilt nun, den Dialog weiterzuführen und den Iran dazu aufzufordern, der Nuklear-Vereinbarung widersprechende Maßnahmen zurückzunehmen und zur vollumfänglichen Einhaltung des JCPOA zurückzukehren.
Deutschland und Europa setzen zur Konfliktlösung zurecht auf diplomatische Kanäle. Drastische US-Militäraktionen, wie die Tötung des Terroristen Soleimani, haben den Konflikt eher angeheizt.
Eine Deeskalation kann jetzt nur herbeigeführt werden, wenn alle beteiligten Parteien eine gemeinsame Lösung finden. Angesichts der Verstöße des Iran gegen das Atomabkommen haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Druck bereits erhöht und den im Vertrag enthaltenen Streitschlichtungsmechanismus aktiviert. Nun müssen alle globalen Akteure, auch Russland und China, gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird.

Das Atomabkommen
Ich hoffe, dass es gelingt, das Abkommen zu erhalten und eine erneute Verschärfung des Bürgerkriegs im Irak mit einem Wiedererstarken des IS zu verhindern. Außerdem sollten wir uns bewusst machen, dass China, Russland und die Türkei längst bereitstehen, um das Machtvakuum, das ein Rückzug der US-Truppen aus dem Irak freigeben würde, auszufüllen.
Diese Entwicklung wäre weder im Interesse Europas noch der USA. Es ist somit aus meiner Sicht für beide Akteure keine Option, sich nicht in der Region zu engagieren.

Mittel der Diplomatie
Da es der EU kaum möglich sein wird, das entstehende Machtvakuum zeitnah allein auszufüllen, müssen Deutschland und Europa nun Verantwortung übernehmen und alles daran setzen, sämtliche nationalen und internationalen Akteure für eine Lösung zu gewinnen. Dass dies ein gangbarerer Weg ist, hat sich vergangenes Wochenende bei der internationalen Konferenz zur Vermittlung im Libyen-Konflikt in Berlin gezeigt, in dem die Bundesregierung als neutrale Instanz vermittelt. Die bei der Konferenz gefassten Beschlüsse sehen unter anderem vor, dass alle beteiligten Parteien das Waffenembargo einhalten und die ausländische Einmischung unterbunden wird. Libysche Milizen sollen ebenfalls entwaffnet und in staatliche Sicherheitskräfte eingegliedert werden. Der beschlossene Friedensplan und die Konferenz haben gezeigt, dass gemeinsame diplomatische Lösungen möglich sind. Sie sollten auch im Iran-Konflikt das erste Mittel der Wahl sein. Denn das endgültige Scheitern des Atomabkommens könnte eine Kettenreaktion der atomaren Aufrüstung auslösen, die sowohl Europa als auch die USA bedrohen würde. Es gilt, dies zu verhindern.

Bruce Weinrod lehrt Recht und Internationale Politik an der Georgetown-Universität. Unter den Verteidigungsministern Robert Gates und Dick Cheney arbeitete Bruce Weinrod im Pentagon. Heute hat er Beratungsmandate in der Privatwirtschaft.

Bruce Weinrod lehrt Recht und Internationale Politik an der Georgetown-Universität. Unter den Verteidigungsministern Robert Gates und Dick Cheney arbeitete Bruce Weinrod im Pentagon. Heute hat er Beratungsmandate in der Privatwirtschaft.

HSS

Hanns-Seidel-Stiftung: War der Angriff und die Tötung von Qasem Soleimani ein legitimer Akt der Selbstverteidigung oder eine eklatante Verletzung internationalen Rechts?

Bruce Weinrod: Sie können in verschiedene Richtungen argumentieren, mit Blick auf internationales Recht oder auf US-Verfassungsrecht. Die UN-Charta gibt den Staaten ein Recht auf Selbstverteidigung, wenn ihre vitalen Sicherheitsinteressen bedroht werden. Insofern war der Angriff auf Qasem Soleimani gerechtfertigt. Die iranischen Aktionen und die Ermordung von Amerikanern verletzen vitale nationale Sicherheitsinteressen der USA, so dass die Tötung von Qasem Soleimani legitim erscheint.
Jetzt zur Verfassungslage in den USA. Die Ausgangsfrage ist, wann ein Präsident zur Anwendung militärischer Gewalt autorisiert ist. Dazu gibt es eine breite Debatte, nicht nur aktuell unter Präsident Donald Trump, sondern auch früher bereits unter den Präsidenten Barack Obama und George W. Bush, als Militärschläge im Mittleren Osten stattfanden. Diese früheren Fälle sind ein starkes Argument dafür, dass auch Präsident Donald Trump die verfassungsrechtlichen Kompetenzen zu Militärschlägen bei Beachtung der Machtbalance zwischen Präsident und Kongress hat.

Die Trump-Administration wäre klug beraten gewesen, wenn sie sich vorab auf eine klare Linie verständigt hätte und dann mit dieser Begründung nach der Ausschaltung Soleimanis an die Öffentlichkeit gegangen wäre.

Hanns-Seidel-Stiftung: Die Abgeordneten der Demokraten im US-Repräsentantenhaus verabschiedeten eine Resolution zur Begrenzung der militärischen Vollmachten des Präsidenten gegenüber Iran. Haben die Demokraten gute Argumente auf ihrer Seite?

Bruce Weinrod: Jeh Johnson, ehemaliger Innenminister unter Obama, hielt den Militärschlag nach US-Recht für gerechtfertigt. Auch General James Jones, Nationaler Sicherheitsberater unter Obama, stuft die Aktion als angemessen ein.
Man kann sicherlich Bedenken gegenüber den militärischen Vollmachten des Präsidenten vorbringen. Auch Republikaner wie die Senatoren Rand Paul und Mike Lee, die der Trump-Administration grundsätzlich wohlwollend gegenüberstehen, haben ihre Zweifel. Wir befinden uns in einer verfassungsrechtlichen Debatte über die Kompetenzen des Präsidenten, wo diese enden und wann er sich neue vom Kongress holen muss.

Nach den Terroranschlägen 2001 auf New York und das World Trade Center wurden zwei Gesetze verabschiedet, die dem Präsidenten die Anwendung militärischer Gewalt unter bestimmten Umständen erlauben.
In wurde keine vernünftige Debatte geführt, auch wenn vereinzelte Stimmen dies immer wieder forderten. Dies jetzt zu tun, ist eindeutig gegen Präsident Donald Trump gerichtet und hat nicht eine sinnvolle Diskussion über präsidentielle Vollmachten ohne spezifische Kongress-Bewilligung zum Ziel. Jetzt kommt dies als Kritik an Donald Trump mit der unterschwelligen Aufforderung: Wir müssen Trump stoppen. Die angesprochene Resolution des US-Repräsentantenhauses hat keine rechtsverbindliche Wirkung.

Hanns-Seidel-Stiftung: Beobachter sprechen oft von zwei Linien der amerikanischen Außenpolitik. Einerseits America First, Betonung nationaler Interessen, weniger US-Engagement international bis hin zu einem neuen Isolationismus. Andererseits gibt es die Politik der militärischen Stärke, der Militärschläge, den US-Führungsanspruch in der Welt in der neuen Großmachtrivalität mit China und Russland, die US-Militärausgaben steigen und Hard Power dominiert über Soft Power. Wie analysieren Sie diese beiden unterschiedlichen Ansätze in der US-Außenpolitik?

Bruce Weinrod: Bei Donald Trump muss man zwischen Rhetorik und faktischer Politik unterscheiden. Rhetorisch ist er ein Populist, der internationale Institutionen und Beziehungen, wie wir sie seit dem 2. Weltkrieg kennen, geringschätzt. Gewisse Teile seiner Rhetorik gehen in diese Richtung, beispielsweise die Idee des Truppenrückzugs. Verständlicherweise ruft dies bei Freunden und Verbündeten Sorgen hervor. Diese Rhetorik kontrastiert aber mit der wirklichen Politik, die im Großen und Ganzen im Einklang steht mit der US-Konzeption einer internationalen Führungsrolle, die sich politisch, wirtschaftlich und militärisch widerspiegelt.

In Europa ist die NATO deutlich stärker geworden, seitdem Donald Trump Präsident ist. Die Militärausgaben steigen um 100 Milliarden, ja 130 Milliarden USD, die Ausrüstung wird modernisiert, neues Gerät angeschafft.
Die Zahl der US-Streitkräfte in Europa wächst, mehr Truppenübungen werden durchgeführt und die Logistik wird gestärkt.
In Mittel- und Osteuropa gibt es rotierende Verbände. Die Raketenabwehr der NATO kommt dort voran. All dies widerspricht der These vom globalen Rückzug der USA. Die beiden Linien lassen sich also nicht zusammen erklären. In Asien verstärken wir unsere Beziehungen mit den Verbündeten, mit Japan, Indien und Südkorea. Wir gehen dort Verpflichtungen ein und es ist unser erklärtes Ziel, Nordkorea zu denuklearisieren. Wir schicken Schiffe durch Schiffahrtswege, die China für sich beansprucht. All dies macht man nicht, wenn man sich aus der Welt zurückzieht. Auch im Mittleren Osten haben wir noch tausende Soldaten stationiert; ihre Zahl ist in den letzten Monaten gewachsen.

Ich kann nachvollziehen, dass die Sorgen angesichts der Rhetorik groß sind.
Aber die Realität sieht anders aus, auch und gerade im Verhältnis zu Russland.
Im Unterschied zu Barack Obama hat Donald Trump der Lieferung von Panzerabwehrwaffen an die Ukraine zugestimmt, was die Kräfteverhältnisse am Boden zugunsten der Ukraine beeinflusst.

Danielle Pletka ist außen- und verteidigungspolitische Expertin beim American Enterprise Institute in Washington. Zu ihren besonderen Arbeitsschwerpunkten gehören der Nahe und Mittlere Osten.

Danielle Pletka ist außen- und verteidigungspolitische Expertin beim American Enterprise Institute in Washington. Zu ihren besonderen Arbeitsschwerpunkten gehören der Nahe und Mittlere Osten.

HSS

Hanns-Seidel-Stiftung: War das Attentat auf General Soleimani ein Akt der Selbstverteidigung oder ein Bruch internationalen Rechts?

Danielle Pletka: Es war kein Attentat. Qassam Soleimani war ein Militär, der ohne Dienstuniform reiste und Anschläge auf Amerika und U.S.-Einrichtungen plante. Insofern war die Ausschaltung Soleimanis ein legitimer Akt der Selbstverteidigung.
Wenn jemand versucht, Dich umzubringen, kannst Du den Angreifer zuerst töten.
Qassam Soleimani war nicht nur für die Tötung von Amerikanern verantwortlich, sondern auch für die Planung von Anschlägen. Er war das strategische Gehirn, das andere dazu brachte, Amerikaner zu töten. Er war der personifizierte Feind, ideologisch unbeugsam, extrem scharfsinnig und erfolgreich beim Aufbau der Islamischen Republik. Er hatte die Welt schlechter gemacht.
Nehmen wir die halbe Million tote Syrer, die Iraker, die seit 2003 umgekommen sind, Jemen, Libanon, Palästina. Wer steckt hinter all diesem Bösen? Natürlich gibt es konkrete Missstände, die Klagen der Huthis sind nachvollziehbar, auch der Libanesen, der Syrer und in Teilen auch des Assad-Regimes. Aber Qassam Soleimanis Lösung bestand immer in Gewalt. Mehr Männer, Frauen und Kinder starben seinetwegen als wir wahrscheinlich jemals zählen können.

Hanns-Seidel-Stiftung: Selbst wenn man der Argumentation folgt, dass es sich um einen legitimen Akt der Selbstverteidigung handelte, bleibt der Vorwurf, dass die Trump-Administration keine ausgereifte und überzeugende Iran-Strategie hat. Wie schätzen Sie die US-Politik des maximalen Drucks auf Iran ein?

Danielle Pletka: Die Annahme hinter dem Iran-Abkommen war, dass damit die unmittelbare, innerhalb eines Jahres drohende Gefahr eines nuklearen Iran gebannt wird.
Die Obama-Administration hat es geschafft, dass die Nuklear-Programme des Iran kontrolliert werden und das will ich auch gar nicht kleinreden. Aber zu welchem Preis? Präsident Obama gab auf Kritik am Iran-Abkommen zu, dass der Iran als Nebeneffekt des Abkommens jetzt mehr Finanzressourcen zur Verfügung hat. Aber die USA würden den Iran entsprechend einhegen und dafür Sorge tragen, dass diese Finanzmittel nicht zur Destabilisierung der Region missbraucht würden. Das war gelinde gesagt die Unwahrheit. Der Iran nutzte die Vorteile des Abkommens zu einer Reihe von Operationen, im Jemen genauso wie in Syrien, wo tausende von Shia-Milizen zur Unterstützung des Assad-Regimes rekrutiert wurden. Destabilisierende Folgen waren im Irak, im Jemen, im Sudan, in Israel und Palästina zu beobachten.
Das waren erhebliche Schwachpunkte des Abkommens. Die Trump-Administration wollte ein besseres Abkommen verhandeln, möglicherweise nicht unbedingt mit den besten Vorsätzen.
Vielleicht wollte man im Weißen Haus gar keinen besseren Deal. Vielleicht wollte man von vornherein das Iran-Abkommen aufkündigen, um neue Sanktionen zu verhängen und das Regime in Teheran zum Umdenken zu zwingen.
Die gängige Einschätzung überall war: Das schafft ihr nie. Inzwischen geben Iran-Freunde in Washington, London, Paris, Berlin, selbst in Beijing und Moskau zu, dass die Politik des maximalen Drucks für sich genommen beeindruckend erfolgreich ist. Irans Öl-Exporte sind drastisch gesunken und liegen bei unter einer Viertel Million Barrel pro Tag. Die Währung ist abgestürzt, die Wirtschaftsleistung geht zurück und gleicht technisch schon fast einer Depression. Die Möglichkeiten, schädliche Operationen in der Region zu finanzieren, sind stark begrenzt.
Wir wissen nicht, wohin dies alles führt. Aber zu behaupten, dass die Trump-Administration nichts tun kann, war falsch.

Jetzt zum zweiten Teil: Ist die Politik des maximalen Drucks Teil einer Strategie oder ist es Selbstzweck? Das ist eine richtige Frage an die Adresse der Regierung und dort mag man unterschiedliche Antworten geben. Präsident Trump sagt vermutlich: „Ich bin zu einem Treffen mit Iran bereit, um ein besseres Abkommen zu vereinbaren“. So sagt ja auch Boris Johnson, dass er auf einen Trump-Deal hofft und den Obama-Deal abschreibt.
Folgt man den 12 Forderungen von Außenminister Mike Pompeo aus dem Jahr 2017, wird ersichtlich, dass die Trump-Administration eine Zielsetzung verfolgt, die mit dem Fortbestand der Islamischen Republik Iran nicht vereinbar ist.
Ist es also eine Strategie zum Zusammenbruch des Regimes oder eine Verhandlungsstrategie?
Ich weiß es nicht. Und das Weiße Haus kennt die Antwort auch nicht. Unstrittig ist jedenfalls: Jeder neue Deal ist besser, als das, was die Obama-Administration vereinbarte. Iran darf nicht länger die Mittel zur Destabilisierung der Region und zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung haben, während parallel an einer Atombombe gebaut wird.

Die Obama-Administration hat nichts dagegen getan außer das Atomwaffenprogramm zu kontrollieren.

Hanns-Seidel-Stiftung: Im Gegensatz zu Boris Johnson hält die EU an JCPOA fest und möchte das Abkommen retten. Europa und Amerika liegen in der Iran-Politik über Kreuz. Wie finden die EU und die USA zu einer gemeinsamen Iran-Politik?

Danielle Pletka: Meine größte Kritik an die Adresse unserer europäischen Freunde, besonders Deutschlands, zielt darauf ab, dass man nicht nur zu Iran, sondern allgemein einen extrem merkantilistischen Kurs fährt.

Iran ist dabei gar nicht das krasse Beispiel. Die krassen Beispiele sind China und die Nord Stream-Pipeline mit Russland. Warum unterstützt Deutschland Nord Stream 2? Dieses Projekt wird von der EU ausdrücklich abgelehnt, aber die Deutschen, die ja eigentlich das Rückgrat der europäischen Integration sind, ignorieren diese Bedenken und stellen sich taub. Grundsätzlich könnten sich Europa und Amerika auf eine Good Cop/Bad Cop Rollenaufteilung verständigen. Aber Europa darf sich nicht auf die Good Cop Position zurücklehnen und dabei, die Täuschungen des Regimes in Teheran nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb wollen die E3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) jetzt den Streitschlichtungsmechanismus aktivieren, weil Iran das Atom-Abkommen verletzt. Ein Deal an sich kann nie so wertvoll sein, dass man Vertragsverletzungen akzeptiert. Wollte die EU nicht mit einer Stimme in der Welt sprechen?
Jedoch: die EU lehnt Nord Stream ab, aber Deutschland hält daran fest. Einige Mitgliedsstaaten machen sich wegen einer chinesischen Beteiligung am 5G-Netzwerk große Sorgen. Doch die britische Regierung geht den Weg chinesischer Beteiligungen weiter. Die EU trägt die UN-Sicherheitsresolution zur Unterstützung einer Regierung der nationalen Einheit in Libyen mit. Indes, der französische Präsident Macron schlägt sich auf die Seite der libyschen Opposition und kritisiert die Regierung der nationalen Einheit. Ist das die gemeinsame europäische Außenpolitik? Unsere europäischen Freunde sollten anerkennen, dass Stabilität ein Ergebnis von Demokratie ist.

Ich würde mir wünschen, dass sich Europa stärker für Demokratie im Mittleren Osten engagiert. Ich sage nicht, dass sich die Trump-Administration besonders um demokratische Werte schert. Aber Amerika nimmt Konflikte in Kauf, solange wir nicht stabile Regierungen an der Macht sehen.

Es gibt nur eine Art von stabiler Regierung, und das sind sicherlich nicht Diktaturen. Europa sollte die eigenen Prinzipien hochhalten.

Hanns-Seidel-Stiftung: Vielen Dank für das offene Gespräch.

 

Mike Doran ist Experte für Nahen und Mittleren Osten beim Hudson Institute, einem den Republikanern nahestehenden Thinktank in Washington mit hervorragenden Kontakten in Regierung und Kongress. Mike Doran berät die Trump-Administration in der Iran-Politik und arbeitete unter George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat.

Mike Doran ist Experte für Nahen und Mittleren Osten beim Hudson Institute, einem den Republikanern nahestehenden Thinktank in Washington mit hervorragenden Kontakten in Regierung und Kongress. Mike Doran berät die Trump-Administration in der Iran-Politik und arbeitete unter George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat.

HSS

Hanns-Seidel-Stiftung: Wie fügen sich die Iran-Politik und der Angriff auf Soleimani in die beiden US-außenpolitischen Ansätze von Neo-Isolationismus und militärischer Stärke ein?

Mike Doran: Donald Trump schlägt eine Brücke zwischen dem isolationistischen und interventionistischem Flügel innerhalb der Republikanischen Partei. Er kam an die Macht und sagte, dass der Irak-Krieg ein schrecklicher Fehler war. Er schloß eine solche Art von Interventionismus aus, wollte keine großen US-Truppenkontingente im Ausland und forciert keine Regimewechsel.

Andererseits begreift Donald Trump, dass ein einfacher Rückzug Amerikas aus der Welt nicht den US-Interessen dient und dazu die globale Stabilität gefährdet. Donald Trump hat die US-Interessen enger definiert.

Der Angriff auf  Soleimani ist ein interessanter Fall, der in der Regierung schon lange ein Thema war. Ich war immer der Auffassung, dass Soleimani eine größere Bedrohung darstellt als Bin Laden oder Baghdadi.

Die innenpolitische Wahrnehmung in Amerika war eine andere, sie ist nach dem 11. September 2001 geprägt von der Bedrohung durch den sunnitischen Radikalismus.

Für mich hingegen war die iranische Gefahr immer die größere. Donald Trump lagen bei seinem Amtsantritt Beweise der Geheimdienste vor, dass Soleimani die Tötung von Amerikanern organisierte. Er wollte Soleimani einen Brief schicken – ich weiß nicht, wie die Entscheidung dann zustande kam; es wurde jedenfalls entschieden, dass der Brief nicht die Unterschrift von Donald Trump tragen sollte – der Brief enthielt eine deutliche Warnung an Soleimani: „Wenn Du auch nur einem Amerikaner ein Haar krümmst, wird das sofortige und katastrophale Folgen für Dich haben“. Letztlich unterschrieb Außenminister Mike Pompeo den Brief, was in der Presse gut dokumentiert ist. Kurz und knapp war formuliert: „Wenn Du einen Amerikaner tötest, wirst Du dafür bezahlen“. Als die Iraner zwei US-Dronen abgeschossen und saudische Ölfelder angegriffen haben, fiel die US-Reaktion verhalten aus.

Die Zurückhaltung endete, als ein Amerikaner getötet wurde. Soleimani machte weiter, trotz der Warnungen im Brief von Mike Pompeo und der Hinweise, dass die Ermordung von Amerikanern eine rote Linie ist. Der Angriff auf Soleimani setzte in der arabischen Welt und im Iran auch Kräfte frei, die wir positiv sehen. Die Demonstranten im Iran, die im November von der Revolutionsgarde blutig niedergeschlagen wurden, sind zurück auf den Straßen, beflügelt durch den Angriff auf  Soleimani, der die Schwäche des Regimes bloßlegte.

Die Proteste im Libanon entfachen neu, im Irak und im Iran hört man Stimmen, die explizit gegen ein vom Iran dominiertes System aufbegehren, das von Soleimani errichtet wurde. Donald Trump versteht, dass diese Leute für ihre eigene Freiheit kämpfen, für Gerechtigkeit in ihrem Land, dass dies insgesamt im strategischen Vorteil Amerikas und des Westens ist. Die Lage ist ambivalent. Wir werden keinen Krieg mit Iran beginnen, um das Land zu demokratisieren. Aber ein bisschen militärische Stärke zu zeigen, kann nicht schaden.

Hanns-Seidel-Stiftung: Es gibt also eine klare US-Strategie?

Mike Doran: Ja.

Hanns-Seidel-Stiftung: Doch zahlreiche Kritiker werfen der Trump-Administration vor, dass sie keine längerfristige Strategie hat, sich zu stark auf kurzfristige militärische Überlegenheit verlässt und die politische Koordination mit den Verbündeten außen vor lässt. 

Mike Doran: Wir kooperieren stark mit Verbündeten. Offensichtlich gibt es aber Spannungen zwischen den E3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) und den USA in der Iran-Politik, auch wenn sich Boris Johnson jetzt den USA annähert. Die E3 hat den Streitbeilegungsmechanismus im Rahmen des Iran-Abkommens aktiviert, was ein Zugeständnis an die USA und ein Schritt in Richtung Amerika ist.
Die USA arbeiten eng mit Israel zusammen, auch mit Saudi-Arabien, und die Beziehungen zur Türkei verbessern sich. Es ist im gemeinsamen deutsch-amerikanischen Interesse, wenn die Türkei stabiler wird, so dass es einen strategischen Rahmen der Kooperation mit der Türkei gibt.

Die Feststellung, dass die USA nicht mit Verbündeten arbeiten, stimmt also nicht. Die Frage ist halt, mit welchen Verbündeten. Mit manchen gibt es sicherlich Spannungen.
Die These der fehlenden Strategie ist eine Fehleinschätzung, sie kommt von Leuten, die der Obama-Strategie anhängen.
Die Obama-Strategie malte eine rosige Zukunft. Das war ein falsches Bild, aber es war schön gemalt. Das schöne Bild war: Iran zügelt sich, wir arbeiten mit dem Iran zusammen, die Iraner versagen sich der Atombombe, durch den Prozess der Zusammenarbeit im Rahmen des Iran-Abkommens wird das Regime moderater und schlussendlich nähern wir uns einander an. Lug und Trug, wie sich herausstellte. Donald Trump glaubt nicht an dieses Bild. Im Unterschied zu dem klaren Bild der Obama-Administration wirkt Trump ungewiss und seine Strategie schwächer. In Wirklichkeit ist die Trump-Strategie der Obama-Strategie überlegen. Was die USA mit Iran machen, ist Eindämmung und Schwächung, um vom Iran Zugeständnisse zu bekommen. Priorität ist ein Iran ohne Atomwaffen. Diejenigen hier, die auf Eindämmung und Schwächung des Iran setzen, glaubten nie daran, dass das Iran-Abkommen zu einem Iran ohne Atomwaffen führt.
Die Trump-Administration ist der Meinung, dass das Iran-Abkommen dem Iran einen legitimen Weg eröffnet, um Atomwaffen zu erwerben oder Nuklearprogramme durchzuführen, die am Ende in einen Iran mit Atomwaffen münden. 

Hanns-Seidel-Stiftung: Es mehren sich die Stimmen, die das Iran-Abkommen abschreiben. Ist die Trump-Administration an einem neuen Abkommen interessiert? Was wären die Änderungen?

Mike Doran: Donald Trump wollte das Iran-Abkommen neu verhandeln. Die Debatte wurde anfangs geführt unter dem Stichwort: Verbessern oder aufkündigen (fix it or nix it). Donald Trump war auf der Seite derjenigen, die es verbessern wollten. Das begann im September 2017 und endete im April 2018. Die Europäer und Amerikaner verhandelten, wie man das Abkommen verbessern könne. Donald Trump hatte einige Problemfelder identifiziert, z.B. das Raketenprogramm, unzulängliche Inspektionen und vor allem die Klauseln im Abkommen mit Auslaufdatum. Die Europäer und Amerikaner wären fast zu einer einvernehmlichen Position gekommen, nur bei den Auslaufklauseln hakte es. Wie ich aus beteiligten Kreisen hörte, konnten sich die Deutschen und die Amerikaner nicht über die Auslaufklauseln einigen. Die Deutschen glaubten, dass die Iraner nie permanente Restriktionen ihres Atomprogramm akzeptieren würden.

Im US-Außenministerium herrscht durchaus noch Hoffnung, dass ein verbessertes Iran-Abkommen auf der Grundlage der gemeinsamen Positionen mit den Europäern zustande kommt. Dem stehen diejenigen gegenüber, die das gesamte Abkommen aufkündigen wollen. Ihr striktes Ziel ist ein Iran ohne nukleare Anreicherung und Aufbereitung, also ohne Recht auf den Brennstoffkreislauf. Diese US-Experten wollen die internationalen Ursprungssanktionen wieder in Kraft setzen. Zu diesen Experten gehöre auch ich. Da jetzt der Streitbeilegungsmechanismus aktiviert wurde, sollte sich innerhalb von 35 Tagen der UN-Sicherheitsrat damit befassen. Nach Ablauf von 30 Tagen würden dann die USA ihr Veto gegen die Sicherheitsratsresolution einlegen, was zur Wiederverhängung der sechs Sicherheitsresolutionen in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm führt, die im Vorgriff der Anerkennung des Iran-Abkommens ausgesetzt waren. Verhandlungtaktisch ist es für Neuverhandlungen besser, wenn das iranische Atom-Programm zuerst als vollständige Verletzung internationalen Rechts erklärt wird und wenn Iran keine internationalen Partner mehr im Land hat, die dem Regime im Nuklearprogramm zur Seite stehen.

So würde ich gerne den Neustart sehen. Die Iraner wollen das unter allen Umständen vermeiden. Sie dürften Donald Trump zu Verhandlungen drängen. Die Gretchenfrage lautet dann: „Ist Donald Trump auf der Seite derjenigen, die das Abkommen verbessern oder die es aufkündigen wollen“?
Noch vor Kurzem wäre Donald Trump wahrscheinlich auf eine iranische Initiative zu Verhandlungen aufgesprungen.
Vielleicht tut er es immer noch. Er sieht sich als großer Verhandlungsführer, es ist Teil seines politischen Marketings. Er ist überzeugt, dass seine Anhänger das von ihm erwarten. Wir gehen in Wahlen in Amerika. Mit Frieden und Wohlstand im Rücken lässt es sich leichter Wahlkampf führen. Einen Krieg mit Iran will Donald Trump unbedingt vermeiden, soviel ist klar. Er könnte also Verhandlungen zustimmen. Ich hoffe aber, dass er es nicht tut. Iran ist schwach und wird schwächer, Donald Trump weiß das. Die Sanktionen wirken. Die ausländischen Währungsreserven Irans schmelzen. In einem Jahr wird der Iran ein anderer Iran sein. Die Politik des maximalen Drucks zeigt Wirkung. Die Ausschaltung von Soleimani offenbarte, dass der Iran viel schwächer als gedacht ist.

Hanns-Seidel-Stiftung: Droht den USA nicht ein kolossaler Vertrauensverlust nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens? Zuerst unterzeichnet man ein Abkommen, dann kündigt man es. Warum soll man den Amerikanern glauben, dass sie sich an ein neues Abkommen halten?

Mike Doran: Alle Präsidentschaftskandidaten der Republikaner mit Ausnahme von Rand Paul sagten 2016, dass sie das Iran-Abkommen aufkündigen werden. Einige schneller als andere, innerhalb eines Tages oder innerhalb einer bestimmten Frist. Die Europäer wollten das nicht hören. Sie hörten nur Barack Obama als die legitime Stimme Amerikas. Die europäische Wirtschaft hatte auch Vorbehalte gegen die amerikanische Iran-Politik. Aber zumindest verstand man, wie umstritten das Thema in Amerika war, und setzte nicht ausschließlich auf das Iran-Abkommen. Ich kann nachvollziehen, dass die Europäer über Amerika frustriert sind. Wir sind polarisiert und untereinander zerstritten, in keiner Frage sind wir polarisierter und uneiniger als in der Iran-Politik. Ich gebe zu, dass man es schwer mit uns hat. Aber was die Republikaner getan haben, war konsequent. Sie haben das getan, was sie immer gesagt haben.

Hanns-Seidel-Stiftung: Die Politik des maximalen Drucks auf Iran geht also weiter und wird weiter Wirkung zeigen?

Mike Doran: Davon bin ich überzeugt.

Leiter Institut für Europäischen und Transatlantischen Dialog

Dr. Wolf Krug