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Interview mit Timothy Liston, neuer US-Generalkonsul in München
Welcome home, Herr Generalkonsul

Das bayerisch-us-amerikanische Verhältnis steht für Timothy Liston an erster Stelle. Gerade nach den schwierigen Jahren unter der letzten Administration gibt es viel zu tun. Gut, dass Liston bestens mit Deutschland und Bayern vertraut ist. So kann er seinen diplomatischen Auftrag effektiv angehen. Wo setzt er an? Was sind seine Prioritäten?

Timothy Liston kennt München wie seine Westentasche. Er ist mit einer Münchenerin verheiratet, eine Tochter kam hier zur Welt, seine Schwiegereltern leben hier und er hat hier schon in einer Baseball-Liga mitgespielt. Timothy Liston spricht fließend Deutsch mit bayerischem Akzent und er begrüßt Gesprächspartner mit Servus. Im Juli hat er seinen neuen Job als US-Generalkonsul in München angetreten. In den nächsten drei Jahren ist er der ranghöchste Vertreter der USA in Bayern. Frühere Stationen als US-Diplomat führten ihn nach Vietnam, Wien, Berlin und nach Wilnius. Timothy Liston ist ein Experte für Sicherheitspolitik mit Studienabschlüssen in Sicherheitsstudien, Internationalen Beziehungen und Deutsch. Er war Austauschstudent in Bonn, Bundestagsstipendiat und Praktikant beim CSU-Abgeordneten Bartholomäus Kalb.

Beide stehen neben einem Tisch in einem Restaurant, einander zugeneigt, und lächeln in die Kamera.

Der neue US-Generalkonsul, Timothy Liston, mit unserem Vertreter in Washington, Christian Forstner (rechts).

HSS: Herr Generalkonsul, Sie sind gut vertraut mit Deutschland und Bayern. Was schätzen Sie besonders an unserem Land und was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Timothy Liston: Wie Sie sich vorstellen können, freue ich mich wahnsinnig, als Generalkonsul im Freistaat Bayern arbeiten zu dürfen. Es ist eine große Ehre, jeden Tag mit unseren bayerischen Partnern und Freunden daran zu arbeiten, die transatlantische Partnerschaft zu vertiefen. Wir stärken unsere gemeinsamen Interessen in Sicherheit und Verteidigung, beim wirtschaftlichen Wohlstand, bei Demokratie und Menschenrechten, während wir zugleich globale Herausforderungen wie Klimawandel und Pandemien angehen.

Deutschland ist ein unentbehrlicher Partner hinsichtlich gemeinsamer Werte, hinsichtlich eines gemeinsamen Verständnisses sicherheitspolitischer Prioritäten und hinsichtlich wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Ausgehend von meiner beruflichen und persönlichen Erfahrung schätze ich an Deutschland besonders den Einsatz für Innovation, den Glauben an Rechtsstaatlichkeit, die Betonung des Umweltschutzes und das Werben für die Bewahrung der Natur, sowie die tiefen, unterschiedlichen und reichhaltigen kulturellen Prägungen und Errungenschaften im ganzen Land – vor allem die stolze und reizvolle bayerische Kultur. Meine persönlichen Verbindungen zu Bayern reichen weiter als 25 Jahre zurück. Meine Frau stammt von hier aus der Gegend und meine Tochter ist neben dem Englischen Garten geboren, sie ist ein echtes Münchener Kindl. Für mich fühlt es sich, als ob ich in meine zweite Heimat zurückkehre, ich genieße wirklich jeden Tag hier.

HSS: Der Freistaat Bayern nimmt eine Sonderrolle in Deutschland ein. Viele vergleichen Bayern mit Texas und meinen damit Eigenstaatlichkeit und die Kombination aus Tradition und Moderne, aus Laptop und Lederhose, oder wie man heute sagt, aus Apps and Alps. In welchen Feldern der transatlantischen Beziehungen setzen Sie Ihre Prioritäten und in welchen Bereichen sehen Sie den stärksten Einfluss Bayerns auf die transatlantischen Beziehungen?

Bayern ist ein Motor der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen und ein Beschleuniger von Start-up-Gründungen. Daneben haben die US-Truppen, die seit über sieben Jahrzehnten hier stationiert sind, für tiefe und besondere Bande zwischen den USA und dem bayerischen Volk gesorgt. Während meiner Amtszeit will ich die Handelsbeziehungen zwischen Amerika und Bayern stärken. Im engen Schulterschluss mit unseren bayerischen Partnern streben wir an, dass die USA und Deutschland führend bei der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien bleiben. Zugleich wollen wir das Bewusstsein für den Schutz geistigen Eigentums fördern.

Während meiner Dienstzeit in diesem wunderschönen und aufregenden Bundesstaat will ich mehr Aufmerksamkeit für die einzigartigen transatlantischen Beziehungen erreichen, indem ich Leute in ganz Bayern anspreche. Insbesondere will ich neue Zielgruppen und Partner aus der nächsten Generation einbinden. Die Leitfragen lauten: Was bedeutet für sie Amerika, wie verteidigen wir gemeinsame Werte durch den Schutz geistigen Eigentums, wie werben wir für Handelsbeziehungen? Die Tiefe und Breite unserer Freundschaft ist wahrlich bemerkenswert. Wir können uns glücklich schätzen, diesen Eckpfeiler des gemeinsamen Verständnisses und gemeinsamer Werte zu haben, wenn wir uns den Herausforderungen der Pandemie, des Klimawandels, der Energiesicherheit, des Extremismus und von Desinformationskampagnen stellen müssen. München hat einen besonderen Platz in Deutschland, denn es ist jedes Jahr Gastgeber der Münchener Sicherheitskonferenz, auf der internationale Experten, Spitzenpolitiker und Meinungsführer diese globalen Fragen diskutieren. Es bleibt oberste Priorität, Demokratie und Menschenrechte im Einklang mit unseren bayerischen Partnern zu stärken. Ausgehend von meiner Erfahrung freue ich mich auf das intensive Gespräch mit den Sicherheits- und Verteidigungsexperten in Bayern.

Um angehende Führungskräfte zu fördern und um neue, unterschiedliche Blickwinkel zu erhalten, werde ich mich regelmäßig mit dem Jugendbeirat treffen, dem Youth Advisory Council, einer Gruppe von jungen Leuten, mit der die Leitungsebene des Konsulats im regen Austausch zu transatlantischen Themen steht. Um diese Dynamik in der nächsten Generation am Leben zu halten, spielen Austauschprogramme eine zentrale Rolle. Das Kongress-Bundestag-Austauschprogramm (CBYX) und das Fulbright-Programm, das seinen 75. Geburtstag mit dem Slogan „Innovatoren. Pioniere. Fulbrighter” beging, sind leuchtende Beispiele. Ich bin selbst ein Produkt solcher Programme, des Programm des Bundestags für Praktikanten und der Robert-Bosch-Studienförderung. Ich kann ihren Wert bezeugen und weiß, wie wichtig sie sind, um die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland zu verstehen und zu vertiefen.

Timothy Liston ist seit Juli 2021 US-Generalkonsul in München. 2016 bis 2020 war Liston svt. Leiter des US-Konsulats in Ho-Chi-Minh-Stadt. Zuvor arbeitete er bei der ständigen Vertretung der USA in Wien.

Timothy Liston ist seit Juli 2021 US-Generalkonsul in München. 2016 bis 2020 war Liston svt. Leiter des US-Konsulats in Ho-Chi-Minh-Stadt. Zuvor arbeitete er bei der ständigen Vertretung der USA in Wien.

HSS: Wie schätzen Sie die bayerisch-amerikanischen Beziehungen in den Bereichen Wirtschaft und technologische Innovation ein?

Die deutsch-amerikanische Partnerschaft steht seit Jahrzehnten an der Spitze von Innovation und neuen Technologien, sie brachte uns einer moderneren, nachhaltigeren und technologisch fortschrittlicheren Zukunft näher. Unsere tägliche Zusammenarbeit ist darauf ausgerichtet, uns den drängendsten Herausforderungen der Welt zu stellen, die Macht des kritischen Denkens zu nutzen, Unternehmertum und kleine Unternehmen zu unterstützen, und energisch internationale Standards zu verteidigen, mit denen wir individuellen Erfindergeist schützen wollen.

Unsere unternehmerischen Kontakte reichen tief und sie unterstützen diese Zielsetzung, genauso wie unsere gemeinsamen Werte und der gegenseitige Respekt für die Bedeutung von Diversität und Inklusion als Fortschrittstreiber. Alteingesssene Unternehmen wie Audi, BMW und Siemens, aber auch die bayerische Weltraumindustrie haben in herausragender Weise zu Wirtschaftswachstum und Technologiefortschritt auf beiden Seiten des Atlantiks beigetragen. Der jüngste Siemens-Vertrag mit Amtrak über 3,4 Milliarden US-Dollar, mit dem Siemens top-moderne Technologie zur Verfügung stellt und beide Seiten ein gemeinsames Bekenntnis zu Energieeffizienz im nationalen Eisenbahnwesen abgeben, ist ein vorzügliches Beispiel. Junge Unternehmer und Wissenschaftler profitieren von Exzellenz-Universitäten wie der LMU und TMU in ihrem Streben nach wirtschaftlichen und technologischen Lösungen. In diesem Sinn freue ich mich auf meine aktive Teilnahme an unserer zweiten Transatlantischen Innovationswoche im Jahr 2022. In einer Serie von Veranstaltungen beleuchten wir Innovation aus verschiedenen Perspektiven, aus den Blickwinkeln von Klimawandel, Nachhaltigkeit, grüner Wirtschaft und von Netzsicherheit. Wir befassen uns mit Unternehmer-Universitäten, mit künstlicher Intelligenz und mit Blockchain-Technologie.

HSS: US-Außenminister Antony Blinken nannte Deutschland kürzlich Amerikas besten Freund. Wie sehen Sie das deutsch-amerikanische Verhältnis und was erwartet uns in den nächsten Jahren?

Außenminister Antony Blinken ist regelmäßig in Berlin. Er macht einen hervorragenden Job und bei einem seinem kürzlichen Besuch betonte er die Stärke der deutsch-amerikanischen Freundschaft, indem er Deutschland zu den „engsten Freunden und engsten Partnern in der ganzen Welt“ zählte. Dem kann ich nur zustimmen. Wichtiger noch: unser Außenminister sprach darüber, wie die Tiefe dieser Partnerschaft – die über sieben Jahrzehnte durch gemeinsame Werte, durch Sicherheit und Verteidigung, durch umfassende und nachhaltige Austauschprogramme und durch florierende Geschäfts- und Handelsbeziehungen aufgebaut wurde – uns heute hilft, Wege zu finden, um zusammenzuarbeiten und unser Handeln aufeinander abzustimmen.

Wir stehen voll zur transatlantischen Partnerschaft sowie zu bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit. Wir haben in den letzten Monaten eng zusammengearbeitet, um eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit in den Griff zu bekommen und um sicherzustellen, dass unsere Antworten so effektiv, flexibel, passend und innovativ wie möglich sind. So sind wir bei der COVID Pandemie vorgegangen und so gehen wir auch die größten globalen Herausforderungen an, von der Klimakrise über Gesundheitsschutz bis zum Aufbau einer CO2-freieren Weltwirtschaft. Und so werden wir auch durch starke und verlässliche Unterstützung der NATO unsere Strukturen der kollektiven Sicherheit gegen alte und neue Bedrohungen aufrechterhalten. So schützen wir unsere gemeinsamen Werte und verteidigen Menschenrechte zu Hause und in der Welt. Alle diese gemeinsamen Herausforderungen haben wir gemeinsam fest im Blick und wir sind uns einig, dass demokratische Gesellschaften effektiv handeln können und dass wir eine gute Politik für unsere Bürger und für die ganze Welt machen.

Außenminister Antony Blinken sagte auch, dass wir trotz gelegentlicher Unstimmigkeiten – auch die beste Freundschaft kann Meinungsunterschiede haben – sehr dankbar für die anhaltende und belastbare Freundschaft sind. Wir werden weiterhin Wege finden, sie zu stärken und zukunftstauglich zu machen. Als dauerhafte Freunde finden wir Mittel und Wege, Meinungsunterschiede ehrlich anzusprechen, während wir zugleich bei der überwältigenden Zahl von Gebieten vorankommen, auf denen wir gemeinsame Ziele und Werte verfolgen und auf denen wir weiterhin eng zusammenarbeiten werden.

Das zeigt deutlich, wie stark unsere Partnerschaft ist und wie effektive Zusammenarbeit ausschaut.

HSS: Herr Generalkonsul, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Christian Forstner, Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung in Washington

Leiter Institut für Europäischen und Transatlantischen Dialog

Dr. Wolf Krug