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Inauguration von Joe Biden
Ein bittersüßer Tag

Ohne Zwischenfälle ist die Amtseinführung von Joe Biden über die Bühne gegangen. Amerika und die Welt atmen auf. Seine erste Rede als US-Präsident stellte Biden unter ein Motto: Einigkeit

  • Demokratie hat die Oberhand behalten
  • E pluribus unum
  • Amerika und die Welt atmen auf
  • Erste Amtshandlungen Bidens

Die Freude überwog: Die Amtseinführung von Joe Biden fand in einem würdigen Rahmen statt, grandios inszeniert, wie nur Amerika es kann, mit herrlichen Bildern vor dem Kapitol, wo vor kurzem noch aufgebrachte Trump-Fans wüteten, mit einer Abendgala vor dem Lincoln-Memorial, durch die Tom Hanks führte, und mit einem fulminanten Feuerwerk über dem Washington-Memorial als krönender Abschluss.

Die Kuppel des Kapitols in Washington vor wolkenlosem Himmel

“We will be judged, you and I, for how we resolve the cascading crises of our era” (Joe Biden)

Yaya Ernst; HSS; IStock

Demokratie hat die Oberhand behalten

Frühere Präsidenten, Politgrößen und Showstars erwiesen Joe Biden die Ehre. Und der hielt eine starke Rede. Er pries die Stärke der amerikanischen Demokratie. Gleichzeitig schärfte er das Bewusstsein für die parallelen Krisen, in denen das Land steckt: Corona-Virus, sozioökonomische Ungleichheit, systemischer Rassismus, Klimawandel, Amerikas Rolle in der Welt und nicht zuletzt: Angriffe auf Demokratie und Wahrheit. Ohne Trump beim Namen zu nennen, wusste jeder, was damit gemeint war. Die letzten Wochen, Monate und Jahre waren ein Stresstest für die US-Demokratie, aber Amerikas demokratische Institutionen haben sich als robust erwiesen. „Democracy has prevailed“, sagte der neue US-Präsident.

Joe Biden sprach Klartext. “We will be judged, you and I, for how we resolve the cascading crises of our era”. Daran will sich seine Administration messen lassen.

E pluribus unum

Die alles überragende Botschaft der Rede von Joe Biden war: Unity. Einheit. Er versprach, ein Präsident für alle Amerikaner zu sein, nicht nur der Interessenvertreter seiner Wähler. „Bringing America together. Uniting our people. And uniting our nation”. Es waren eindringliche und mahnende Worte: Joe Biden setzt nicht auf Spaltung und Polarisierung, sondern auf politischen Dialog und gegenseitigen Respekt.

Es war aber auch ein Tag, der deutlich machte, wieso die Zeiten so herausfordernd sind. Es war nicht möglich, dass Hundertausende zur Inauguration kommen konnten, auch nicht Tausende oder Hunderte. Die Corona-Krise ließ dies nicht zu, außerdem war die Terrorgefahr zu groß. So konnte nur die politische Klasse sowie ein kleiner Familien- und Freundeskreis die Zeremonie vor Ort verfolgen. Aber Millionen saßen vor ihren Bildschirmen und verfolgten den Amtswechsel im Weißen Haus.

Amerika und die Welt atmen auf

Die Erleichterung war groß, dass der Tag in Washington friedlich blieb. Die US-Hauptstadt war seit Tagen im Ausnahmezustand, die Straßen im Zentrum abgeriegelt. 25.000 Sicherheitskräfte der Nationalgarde und des Secret Service sorgten für Ruhe und Ordnung. Die katastrophalen Ereignisse vom 6. Januar, als man die Sicherheitsgefahren unterschätzt hatte, sind den Verantwortlichen eine deutliche Lektion gewesen.

Donald Trump blieb der Amtseinführung seines Nachfolgers fern und damit weiter auf seiner polarisierenden Linie. Bis zuletzt hat er an der gerichtlich widerlegten Lüge vom Wahlbetrug festgehalten. Joe Biden tritt ein schweres Amt an. Das Land ist in der Krise und die Gesellschaft gespalten. Über zwei Drittel der Republikaner glauben, dass Biden nicht legitim gewählt wurde und fast 90% glauben an sein Scheitern.

Erste Amtshandlungen Bidens

Joe Biden machte bereits an Tag 1 seiner Präsidentschaft deutlich, worum es ihm geht. Er will Amerika aus der Krise führen, die Gegensätze im Land überwinden und das zerrüttete Verhältnis insbesondere mit den Partnern in Europa korrigieren. Zu seinen wichtigsten Präsidialdekreten gehörten:

  • Die Anordnung einer Masken-Pflicht in Bundesgebäuden.
  • Der Stopp des Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko.
  • Die Duldung von in den letzten Jahren illegal ins Land gekommenen Kindern.
  • Der Wieder-Beitritt zum Pariser Klimaabkommen und die Wiederaufnahme der Beziehungen zur Weltgesundheitsorganisation.
  • Das Inkraftsetzen von CO2-Emissionsstandards, die von der Trump-Administration ausgesetzt wurden.
  • Die Aussetzung von Zwangsräumungen bei Mietrückständen und Zahlungsaufschübe bei den Studienkrediten.

Joe Biden ist ein Präsident, der bestens auf das Amt vorbereitet ist. Im Gegensatz zu Trump 2016 hat Joe Biden ein Programm, ein Team und eine Strategie. Amerika, Europa und die Welt wünschen Joe Biden viel Erfolg auf diesem Weg. Der 20.01.2021 geht in die Geschichte Amerikas ein. Es ist ein Tag, der Mut macht und Anlass zu Hoffnung gibt.

Autor: Christian Forstner, HSS, Washington

Leiter Institut für Europäischen und Transatlantischen Dialog

Dr. Wolf Krug