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Expertengespräche in Brüssel
Engagement für innere Sicherheit im Sahel

Afrika und die EU unterhalten eine enge Partnerschaft. Gerade die Sahel-Zone hat einen wichtigen Stellenwert für Stabilität und Entwicklung des afrikanischen Kontinents, ist sie doch Transit für kriminelle Netzwerke von Menschen-, Drogen-, und Waffenschmuggel sowie Terroristen. Die Hanns-Seidel-Stiftung trägt mit einem Delegationsbesuch aus der Region in Brüssel zum Austausch über Lösungen bei.

 

Dr. Klaus Grütjen vor dem Hauptgebäude der Europäischen Kommission mit Raogo Antoine Sawadogo, Präsident des "Laboratoire Citoyennetés" in Burkina Faso, Abdel Kader Maman, Vizedirektor und Leiter der Abteilung für Bildung der Nationalen Polizeischule in Niamey, Niger, und Sibiri Nikiéma, Kommissar der nationalen Polizei in Burkina Faso, Dr. Issaka Maga Hamidou, Soziologe, Demograph und Lektor an der Universität Abdou Moumouni in Niamey

Dr. Klaus Grütjen vor dem Hauptgebäude der Europäischen Kommission mit Raogo Antoine Sawadogo, Präsident des "Laboratoire Citoyennetés" in Burkina Faso, Abdel Kader Maman, Vizedirektor und Leiter der Abteilung für Bildung der Nationalen Polizeischule in Niamey, Niger, und Sibiri Nikiéma, Kommissar der nationalen Polizei in Burkina Faso, Dr. Issaka Maga Hamidou, Soziologe, Demograph und Lektor an der Universität Abdou Moumouni in Niamey

Im November wird in Abidjan, Côte d'Ivoire, ein EU-Afrika-Gipfel zum Thema Jugend stattfinden, der die Partnerschaft zwischen beiden Kontinenten stärken soll. Sicherheit, Kampf gegen Terrorismus und irreguläre Migration werden neben nachhaltiger Entwicklung und Schaffung von Arbeitsplätzen im besonderen Fokus der Diskussion stehen.

Um im Vorfeld zum inhaltlichen Austausch beizutragen, empfing die Hanns-Seidel-Stiftung Brüssel vom 10. bis zum 12. Juli 2017 eine Delegation aus dem Sahel – der Region, die für die Stabilität des Kontinents eine äußerst wichtige Rolle spielt. Vertreter der Sicherheitskräfte, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft aus Niger und Burkina Faso diskutierten mit EU-Entscheidungsträgern, Think Tanks und der Brüsseler Öffentlichkeit Herausforderungen, Ursachen und Lösungsansätze für irreguläre Migration, den Schmuggel von Waffen und Drogen sowie terroristischen Netzwerken in den Ländern.

Engagierter Austausch über Migration, Schmuggel und terroristische Netzwerke

Engagierter Austausch über Migration, Schmuggel und terroristische Netzwerke

Öffentlicher Runder Tisch

Im Rahmen eines öffentlichen Runden Tisches stellte Dr. Hamidou Issaka Maga, Demograf und Soziologe sowie Lektor an der Université Abdou Moumouni in Niamey, detailliert  die Kausalzusammenhänge zwischen Demografie und Migration im Niger dar. Der Niger habe mit einer durchschnittlichen Geburtenrate von sieben Kindern pro Frau die höchste in ganz Afrika.

Durch das Bevölkerungswachstum werde der Druck auf die knappen Ressourcen, noch verstärkt durch durch den Klimawandel bedingte Dürreperioden, größer, Armut breite sich weiter aus. Junge Menschen ohne Zukunftsperspektiven würden so auch leichte Opfer der Versprechungen von terroristischen Vereinigungen wie Boko Haram, die sehr zur Instabilität der Region beitrügen. Viele sähen ihre einzige Chance in der Migration, die im Übrigen in erster Linie innerhalb Westafrikas und nicht nach Europa erfolge.

Im Gespräch mit den Experten aus dem Sahel wurde deutlich, wie wichtig Perspektiven für die afrikanische Jugend sind

Im Gespräch mit den Experten aus dem Sahel wurde deutlich, wie wichtig Perspektiven für die afrikanische Jugend sind

Raogo Antoine Sawadogo, früherer Minister für Territorialverwaltung und Sicherheit Burkina Fasos und aktuell Vorsitzender der zivilgesellschaftlichen Organisation Laboratoire-Citoyennetés, bezeichnete die Emigration von jungen Menschen aus dem Sahel als krankhaften „Aderlass“, der die Länder um ihre „starken Arme“ bringe.

Europa hingegen sehe die Migration als Bedrohung ihrer eigenen Ressourcen an. Er plädiere dafür, diese globale Herausforderung gemeinsam anzugehen. Ein Sprichwort besage: „Wenn man den Löwen schlecht bekämpft, frisst er uns alle.“ Aus Sawadogos Sicht, der selbst viele Jahre lang für die Dezentralisierung Burkina Fasos zuständig war, liegt die Lösung auf der lokalen Ebene. Gelder der Entwicklungszusammenarbeit müssten verstärkt investiert werden in lokale Initiativen zur Wiederherstellung von Sicherheit, Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat, Förderung von Frauen und jungen Menschen sowie zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Marokko sieht sich selbst als Teil des Sahels und Schnittstelle zu Nordafrika. Das Land ist seit Januar dieses Jahres erneut Mitglied in der Afrikanischen Union und engagiert sich verstärkt im Kampf gegen die Instabilität der Region. Der Erste Botschaftsrat der marokkanischen Vertretung bei der EU Mustapha El Alami erläuterte, wie sein Land durch die Unterstützung regionaler Initiativen, wirtschaftliche Kooperation, die Vergabe von Stipendien und gezielte Deradikalisierungsmaßnahmen mittels der Förderung eines toleranten gemäßigten Islam zu Lösungsansätzen beitrage.

Abdel Kader Maman verwies auf die Herausforderungen der transnationalen Kriminalität  für die innere Sicherheit

Abdel Kader Maman verwies auf die Herausforderungen der transnationalen Kriminalität für die innere Sicherheit

Schließlich führten die beiden Vertreter der Polizei, Abdel Kader Maman, stellvertretender Direktor der Nationalen Polizeischule des Niger, und Sibiri Nikiéma, Kommissar der Nationalen Polizei Burkina Fasos, dem europäischen Publikum die praktischen Herausforderungen der inneren Sicherheit in der Region vor Augen. Für ein umfassendes Vorgehen gegen die transnationalen kriminellen Strukturen der Schlepper und Terroristen fehlten der nationalen Polizei vor Ort das Personal, Material und die Präsenz an den porösen Landesgrenzen. Außerdem bestehe innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) freier Personenverkehr. Folglich müsste Grenzpersonal eines Staates wie Burkina Faso einschätzen können, ob Personen illegal eine Außengrenze überschreiten wollen. In die Ausbildung von Polizisten würden spezielle Module zu den Rechten von Migranten sowie zur Vertrauensbildung bei der Bevölkerung aufgenommen. Dieses Vertrauen sei die Grundvoraussetzung für die Preisgabe von Wissen, das wiederum für die Festnahme Krimineller nötig sei. Beide Polizeivertreter ermahnten die Gebergemeinschaft, dass bereitgestellte technische Systeme untereinander kompatibel sein müssten. Es habe keinen Sinn, wenn verschiedene Grenzposten in der Region oder gar in einem Land mit inkompatibler Technik arbeiteten. Beide waren sich einig, dass Migranten in erster Linie als Opfer der Schlepperbanden auf der Reise durch den Sahel zu behandeln seien.

Im Think-Tank "European Centre for Development Policy Management" werden Strategien für eine gute Nachbarschaft zwischen Afrika und Europa entworfen

Im Gespräch mit dem Think-Tank "European Centre for Development Policy Management" werden Strategien für eine gute Nachbarschaft zwischen Afrika und Europa erörtert

Ringen um Lösungen

An diese Beiträge schloss sich eine angeregte und interessierte Diskussion mit den Teilnehmern des Runden Tisches über Lösungsansätze an. Diese waren auch Hauptthema von bilateralen Gesprächen mit Vertretern des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der Europäischen Kommission, Generaldirektion Inneres und Migration sowie europäischen Think Tanks.

Es ist im Interesse Afrikas und Europas, dass Migration der Entwicklung Afrikas und seinen Menschen zugute kommt, anstatt Menschenleben zu riskieren und den Kontinent seiner Ressourcen zu berauben. Hierfür spielen Sicherheit und Stabilität eine wichtige Rolle. Die Hanns-Seidel-Stiftung leistet hierzu nicht zuletzt durch ihr Regionalprojekt Westafrika und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen zwischen Staat und Bürgern einen bedeutenden Beitrag. Diskussionen in Brüssel helfen bei der Ausgestaltung von Strategien und Programmen der Europäischen Union.

Extern
Dr. Dietmar Ehm
Leiter