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Interview mit Markus Ferber, MdEP
EU-Kandidat Ukraine – wie geht es weiter?

Autor: Dr. Thomas Leeb

Die Ukraine und die Republik Moldau sind EU-Beitrittskandidaten. Das haben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am 24. Juni 2022 in Brüssel entschieden. Trotz dieses bedeutsamen Schritts bleiben viele Fragen offen: Wie kann der Weg zur vollen EU-Mitgliedschaft umgesetzt werden und wie kann die EU die Ukraine und Moldau dabei unterstützen? Wir haben den Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, den Europaabgeordneten Markus Ferber, gefragt.

Markus Ferber blickt freundlich in die Kamera.

Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau: Für HSS-Vorsitzenden Markus Ferber, MdEP, ist das "eine klare und bedeutsame Botschaft." Bis zum Beitritt eines der Länder werden aber noch Jahre vergehen. Es gibt viel zu tun.

©HSS; Markus Ferber

HSS: Herr Ferber, wie bewerten Sie die Ernennung der Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten?

Markus Ferber, MdEP: Die EU sendet damit eine klare und bedeutsame Botschaft an die Menschen in der Ukraine: Sie sind in der EU willkommen. Es zeigt, der Kampf für Freiheit und Demokratie lohnt sich. Dennoch müssen wir realistisch bleiben und dürfen keine Versprechungen machen, die sich nicht einhalten lassen. Bis zu einem endgültigen EU-Beitritt werden viele Jahre vergehen. Bevor die Beitrittsverhandlungen beginnen können, muss die Ukraine eine Reihe wichtiger Voraussetzungen erfüllen. Diese umfassen unter anderem den Aufbau eines unabhängigen Justizsystems, Reformen in der Verwaltungszusammenarbeit sowie bei der Korruptionsbekämpfung.

HSS: Wie sollte die EU künftig mit der Vielzahl von Bewerbern für einen Beitritt umgehen?

In Zukunft müssen wir alternative Partnerschaftsmodelle entwickeln. Wir sollten uns von der Idee verabschieden, dass es nur EU-Vollmitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft gibt. Andernfalls überfordern wir unsere Möglichkeiten.

Info:

In Kooperation mit der Union der Europäischen Föderalisten (UEF) veranstaltete das Europa-Büro der Hanns-Seidel-Stiftung am 8. Juli 2022 eine Podiumsdiskussion zum Thema „EU-Kandidat Ukraine – wie geht es weiter?“ Dort bezeichnete der Ständige Vertreter der Ukraine bei der EU, Botschafter Vsevolod Chentsov, die Ernennung der Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten als historisch und bekräftige die Bereitschaft, Reformen schnell und zielgerichtet umzusetzen. Mit ihm diskutierten Markus Ferber, MdEP, Sandro Gozi, MdEP, Präsident der Union der Europäischen Föderalisten, und Marta Barandiy, Gründerin von Promote Ukraine.

Dr. Leeb steht an einem Rednerpult und spricht engagiert. Im Hintergrund ein HSS-Aufsteller mit Logo.

©HSS; Dr. Thomas Leeb

Seit Jahresbeginn 2022 leitet Dr. Thomas Leeb das Brüsseler Büro der Hanns-Seidel-Stiftung. Davor war er über 20 Jahre in verschiedenen Leitungsfunktionen bei der Unternehmensstiftung BMW Foundation Herbert Quandt tätig, zuletzt verantwortlich für deren Europa-Programme. Nun zieht es ihn, der wieder „näher an der Politik“ arbeiten möchte, zu seinen beruflichen Ursprüngen zurück. Bereits in den 1990er Jahren war Thomas Leeb für die HSS im Ausland tätig gewesen: Er führte von 1993-97 das Büro Baltische Staaten mit Sitz in Riga, das die Heranführung Litauens, Lettlands und Estlands an die EU förderte, wie sie dann mit dem EU-Beitritt 2004 erfolgreich abgeschlossen wurde. 10 Jahre lang, von 1998-2008, fungierte Thomas Leeb im Rahmen seiner Tätigkeit bei der BMW Foundation als Generalsekretär der Münchner Sicherheitskonferenz unter Professor Horst Teltschik.

HSS: Wie kann die EU die Ukraine noch effektiver unterstützen?

Die EU hat der Ukraine humanitäre, politische, finanzielle und materielle Unterstützung gewährt und wird dies auch weiterhin tun. In der Tat sind dabei EU-interne Herausforderungen sichtbar geworden. Beispielsweise konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs erst nach mehrwöchigen Verhandlungen auf das sechste Sanktionspaket gegen Russland einigen. Auch in Bezug auf das Budget muss die EU noch ihre Hausaufgaben machen. Es ist unklar, inwiefern die EU die Ukraine im Herbst 2022 finanziell unterstützen können wird. Der Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 ist ausgereizt, da niemand die politischen Geschehnisse und die damit einhergehende finanzielle Unterstützung vorhersehen konnte. Aus diesem Grund benötigt die EU Zugang zu eigenen Ressourcen, um auf Krisen eigenständig und schnell reagieren zu können.

HSS: Wie setzt sich die Hanns-Seidel-Stiftung für die Ukraine ein?

Die Hanns-Seidel-Stiftung fördert in über 60 Ländern Demokratie, Frieden und Entwicklung. In der Ukraine greifen wir aktuelle Fragen zum russischen Angriffskrieg auf und fördern verschiedene Informationsformate zu Fake News, Freiwilligenzentren und Binnenflüchtlingen. Darüber hinaus setzen wir auch konkrete Programme zur Förderung von kommunaler Verwaltung und Ausbildungsprojekte um. Insbesondere der Kampf gegen Russlands Propaganda und Fake News ist wichtig. Der Krieg hat nicht erst mit dem militärischen Angriff begonnen und wird damit nicht aufhören. Die Hanns-Seidel-Stiftung wird daher weiterhin zur Stärkung von demokratischen Werten im Land beitragen und die Ukraine auf dem eingeschlagenen Weg nach Europa unterstützen.

HSS: Herr Ferber, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt

Leiter: Dr. Thomas Leeb
Belgien (Europa-Büro Brüssel)
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