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Europäische Entwicklungstage in Brüssel
Neuer Europäischer Konsens für Entwicklung

„Investieren in Entwicklung“ – Unter diesem Motto diskutierten Teilnehmer der Europäischen Entwicklungstage in Brüssel aus Nord und Süd Fragen einer nachhaltigen Entwicklungspolitik. Die Europäische Kommission nutzte diese Gelegenheit, ihre neuen Leitlinien für eine europäische Entwicklungspolitik vorzustellen. Themenschwerpunkte waren dieses Jahr Afrika, die Einbindung des Privatsektors und der Klimaschutz. Die Europäischen Entwicklungstage finden seit einigen Jahren in Brüssel statt. Veranstalterin ist die EU-Kommission.

 

Neven Mimica, Gastgeber und EU-Kommissar für Entwicklung und Zusammenarbeit eröffnet die Europäischen Entwicklungstage

Neven Mimica, Gastgeber und EU-Kommissar für Entwicklung und Zusammenarbeit eröffnet die Europäischen Entwicklungstage

EDD 2017 © European Union

Erstmals wurde 2017 verstärkt die Privatwirtschaft in die Europäischen Entwicklungstage eingebunden. Die EU-Kommission wirbt intensiv um Investitionen von Unternehmen im Entwicklungsbereich. Nach Auffassung der Kommission können die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele nur dann erreicht werden, wenn sie solche Akteure intensiv einbinden. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Armutsreduzierung, Klimaschutz und die Beseitigung von Ungleichheiten.
Es ist das erklärte Ziel der EU-Kommission, Investitionen in den Ländern des Südensanzukurbeln, um Arbeitsplätze zu schaffen und nachhaltiges Wachstum zu unterstützen. Selbstverständlich verstehen sich entsprechende Initiativen der Privatwirtschaft als Ergänzung und nicht als Ersatz des Engagements von Regierungen und Zivilgesellschaft.

Zur feierlichen Eröffnung des zweitägigen Treffens am 7. und 8. Juni waren neben dem EU-Kommissar für Entwicklung und Zusammenarbeit und Gastgeber Neven Mimica die Hohe Außenbeauftragte Federica Mogherini, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Antonio Tajani anwesend. Den Internationalen Währungsfond vertrat dessen Direktorin Christine Lagarde. Sie brach eine Lanze für die Förderung von Frauen. Deren Gleichberechtigung sei nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch makroökonomisch schlichtweg notwendig und zudem wachstumsfördernd. Amina Mohammed vertrat als stellvertretende Generalsekretärin die Vereinten Nationen. Flagge für die EU-Mitgliedsstaaten zeigte der Premierminister Maltas, dessen Land derzeit dem Rat der Europäischen Union vorsitzt. Die norwegische Premierministerin Erna Solberg unterstrich die Bedeutung der Nachhaltigkeitsziele und deren weltweite Gültigkeit. Afrika repräsentierte die Staaten der Südhalbkugel sehr prominent.  Die Regierungschefs der Länder Guinea, Ruanda, Senegal, Malawi und Ghana bekräftigten ihre Verpflichtung auf die Nachhaltigkeitsagenda. Der bolivianische Präsident Evo Morales vertrat Lateinamerika.

Der Neue Europäische Konsens wird unterzeichnet von Jean-Claude Juncker, Joseph Muscat, Antonio Tajani, Federica Mogherini

Der Neue Europäische Konsens wird unterzeichnet von Jean-Claude Juncker, Joseph Muscat, Antonio Tajani, Federica Mogherini

EDD 2017 © European Union

Schwerpunkte der EU-Entwicklungspolitik

Teil der Eröffnungszeremonie war die offizielle Unterzeichnung der neuen Leitlinie für die EU-Entwicklungspolitik, des  Neuen Europäischen Konsenses für Entwicklung (New European Consensus on Development) durch die europäischen Institutionen. Der Konsens ersetzt den alten Rahmen für die EU-Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahre 2006. Insbesondere bezieht er auch die Zielsetzungen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vom September 2015 ein. Wichtigste Neuerung sind die Schwerpunkte Nachhaltigkeit und Universalität der Ziele.

Als weitere Entscheidungen flossen die Ergebnisse der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba, des Pariser Klimagipfels sowie die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU ein, die Federica Mogherini im Sommer 2016 vorgestellt hatte.
Schwerpunkt der EU-Entwicklungspolitik für die nächsten fünfzehn Jahre soll der Kampf gegen Armut bleiben. Die EU möchte dieses Ziel durch die Stärkung guter Regierungsführung, menschlicher und wirtschaftlicher Entwicklung und durch das Lösen globaler Probleme wie den Kampf gegen Hunger und Bewahrung der Naturressourcen erreichen.

Der Konsens behandelt aktuelle globale Herausforderungen. Dabei soll die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit von Staaten, Gesellschaften und Individuen gestärkt werden. Ein Fokus auf übergreifende Themen wie Frauenförderung, Jugend, Investitionen und Handel, nachhaltige Energie und Klima, gute Regierungsführung, Demokratie, Menschenrechte sowie Migration soll nachhaltige Entwicklung und Transformation beschleunigen. Eine bessere Koordinierung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten wird angestrebt, um eine möglichst große Wirkung zu erreichen. In einem differenzierten Ansatz will sich die EU vor allem auf die ärmsten Staaten konzentrieren.

Afrika stand bei vielen Diskussionen im Fokus

Afrika stand bei vielen Diskussionen im Fokus

EDD 2017 © European Union

Europäische Entwicklungspolitik

Zur Umsetzung der europäischen Entwicklungspolitik sowie der Nachhaltigkeitsagenda tragen als wichtige Akteure auch die Politischen Stiftungen bei. Sie präsentierten sich ebenfalls auf dem Brüsseler Großevent. Das Europäische Netzwerk der Politischen Stiftungen ENoP, zu dessen Mitgliedern auch die Hanns-Seidel-Stiftung zählt, leitete gemeinsam mit dem United Nations Institute for Training and Research (UNITAR) eine Diskussionsrunde zur Rolle, die der Privatsektor und die Politischen Stiftungen bei der Umsetzung der Agenda 2030 einnehmen können.

Es bestand Einigkeit, dass Unternehmen und Konsumenten in der Verantwortung stehen, eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Politische Stiftungen leisten ebenfalls ihren Beitrag zur Umsetzung der Ziele. Neben konkreten Projekten wie zur Frauenförderung oder zum Klimaschutz, findet dies durch Kommunikation statt, indem sie das Bewusstsein der Politiker in Europa für die Realität des globalen Südens schärfen und Bürgern über politische Bildung die Themen näherbringen soll, um so eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen.

Wichtigste Partnerregion der Europäischen Union bei der Entwicklungszusammenarbeit bleibt Afrika. Der Kontinent liegt bei der Entwicklung und Armutsbekämpfung nach wie vor zurück, birgt aber großes Potenzial durch seine jungen Menschen und Rohstoffe.

Ein Schwerpunkt der Brüsseler Entwicklungstage war das EU-Afrika-Wirtschaftsforum, bei dem Vertreter der EU-Institutionen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft Themen wie innovative Landwirtschaft, nachhaltige Energie und digitale Wende diskutierten. Das Wirtschaftsforum reiht sich ebenfalls ein in die Vorbereitung des EU-Afrika-Gipfels im November 2017 in Abidjan, Côte d’Ivoire, auf dem die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Afrika weiter gestärkt und konkretisiert werden soll.
Mit dem Schwerpunkt Jugend werden die Staat- und Regierungschefs aus beiden Regionen eine intensivere Zusammenarbeit in den Bereichen nachhaltige inklusive Entwicklung und Schaffung von Jobs sowie Sicherheit und Kampf gegen transnationale Bedrohungen anstreben. Hierbei spielen auch Migration und die Bekämpfung von Fluchtursachen eine große Rolle, ein Thema, das auch bei den Europäischen Entwicklungstagen ausgiebig diskutiert wurde.

Workshop des Europäischen Netzwerks der Politischen Stiftungen (ENoP) über die Implementierung der Nachhaltigkeitsziele

Workshop des Europäischen Netzwerks der Politischen Stiftungen (ENoP) über die Implementierung der Nachhaltigkeitsziele

EDD 2017 © European Union

Klimaschutz und nachhaltige Energiegewinnung

Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen Tagung war der Klimaschutz. Dabei standen die nachhaltige Energiegewinnung und Energieeffizienz einerseits und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensbedingungen in den am stärksten betroffenen Regionen andererseits im Mittelpunkt.
Auch in diesem Zusammenhang dominierte die Situation in Afrika die Debatte. Die Bevölkerung des Kontinents wächst kontinuierlich und strebt nach Zugang zu Energie und Elektrizität. Diese immense Nachfrage zwingt alle Akteure, in nachhaltige und erneuerbare Energiequellen zu investieren. Der Privatwirtschaft bietet sie die Möglichkeit, durch Investitionen zur Entwicklung des Kontinents beizutragen. Kritiker hinterfragen allerdings, ob diese Partnerschaft eher auf die Bedürfnisse europäischer Unternehmen als auf die der afrikanischen Bevölkerungen eingehe. Alle Experten waren sich jedoch einig, dass die Ressourcen des Kontinents nur genutzt werden können, wenn die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht; hierfür ist Elektrifizierung essenziell.

Zentral bei der Frage nach den Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensbedingungen sind Sicherheit und Stabilität. Dürren, Überschwemmungen in bisher unbekanntem Ausmaß und andere Naturkatastrophen stellen die Bevölkerung in vielen Regionen der Welt vor große Herausforderungen. Gerade die damit verbundene Gefahr von Lebensmittelknappheit und der Kampf um die verbleibenden Ressourcen werden zu nicht kalkulierbaren Folgen führen. Experten aus den am stärksten betroffenen Regionen appellierten an die Teilnehmer der Tagung sowie die Weltbevölkerung, den Verpflichtungen und Zusagen zum Klimaschutz endlich Taten folgen zu lassen. Gerade vor dem angekündigten Austritt der USA aus dem Klimaabkommen müssten dessen Maßnahmen von den Unterzeichnern noch entschiedener vorangetrieben werden.

Insgesamt waren die Europäischen Entwicklungstage wie jedes Jahr eine Plattform des angeregten Austausches mit verschiedenen Akteuren zu einer Bandbreite aktueller Themen der entwicklungspolitischen Landschaft. Die Bemühung der Europäischen Union, neue Partnerschaften einzugehen und die eigene Tätigkeit in einen größeren globalen Kontext zu stellen, wurde sehr deutlich. Dies zeigten Diskussionen zu Themen wie die Verbindung von Naturschutz und Frieden am Beispiel von Naturparks in Zentralafrika sowie die Zusammenarbeit zwischen Internetanbietern und Regierungen in Europa und in Afrika für die Anbindung ländlicher Gebiete an das weltweite Datennetz.

Dennoch scheinen manche zivilgesellschaftlichen Akteure noch sehr an der klassischen Arbeitsweise und -teilung festzuhalten, denn sie stehen dem Privatsektor eher kritisch gegenüber. Auch hätte die Einbindung der europäischen Mitgliedsstaaten durchaus stärker sein können, um ein deutliches Signal des verstärkten Engagements zu senden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine systematische Herangehensweise an die universelle Zielsetzung der Agenda 2013, deren tatsächliche Umsetzung und das Mantra der Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren und den Politikbereichen Entwicklung, Sicherheit, Migration, Handel und humanitäre Hilfe eine große Herausforderung bleiben wird.

Extern
Dr. Dietmar Ehm
Leiter