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Israel
Raketen auf Jerusalem und Tel Aviv

In den vergangenen Tagen sind die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas eskaliert. Nach massivem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Israel, teilweise bis in die Großräume Jerusalem und Tel Aviv am 10. und 11. Mai 2021 auch mit Einschlägen, Verletzten und Toten in den südlichen Vororten Tel Avivs, erfolgten Gegenschläge durch die israelischen Streitkräfte. Wir fragen nach bei unserer Auslandsmitarbeiterin in Israel und den Palästinensischen Gebieten, Julia Obermeier.

Boden-Luft Raketen des "Iron Dome" fliegen in den Nachthimmel über Tel Aviv, um die Scud-Raketen der Hamas abzufangen.

Der heftigste Rakentenbeschuss seit des Gaza-Krieges 2014. Die Hamas feuerte hunderte Raketen ab, die bis nach Tel Aviv flogen und besonders in den Vororten niedergingen.

Alpert Nathan; ©3.0 Israel Government Press Office GPO; Wikimedia Commons

Frau Obermeier, wie haben Sie und Ihr Team vor Ort die vergangenen Tage und Nächte erlebt?

Die jüngsten Auseinandersetzungen sind die heftigsten seit dem Gaza-Krieg 2014. Auch wenn es in den vorangegangenen Jahren immer wieder Raketenbeschuss aus Gaza gab, waren davon meistens die Grenzregionen betroffen. Im Großraum Tel Aviv und vor allem in Jerusalem fühlte man sich eigentlich vor den Angriffen der Hamas gefeit. Doch in den vergangenen Tagen wurden die Mitarbeiter des Projektbüros und ich – sowohl in Jerusalem und seinen Vororten als auch in Tel Aviv mehrfach durch Sirenen vor Raketenbeschuss gewarnt und suchten Schutz.

Wo geht man in Deckung bei Raketenbeschuss?

Viele Gebäude verfügen über Schutzbunker, für neuere Wohnhäuser gilt eine Bauvorschrift, wonach jede Wohneinheit über einen eigenen Schutzraum verfügen muss, der einer Scud-C Rakete mit 300 kg Sprengkopf auf 15 Meter Entfernung standhält. In Altbauten ohne Luftschutzbunker sucht man Zuflucht in einem fensterlosen Treppenhaus oder unter einem massiven Holztisch. Ist man während eines Alarms gerade in einem Laden, sollte man nach hinten gehen, möglichst weit weg von Glasfronten. Rund 98 Prozent der Schäden bei einem Einschlag entstehen durch die sich pilzförmig ausbreitende Druckwelle und die durch die Luft fliegenden Gegenstände wie zersplitterte Scheiben. Fährt man im Auto, sollte man anhalten, aussteigen und sich flach auf den Boden legen, Gesicht nach unten und Hände über den Kopf. Verstummt der Alarm, kann man nach zehn Minuten wieder zurückgehen.

Julia Obermeier, Auslandsmitarbeiterin der Hanns-Seidel-Stiftung in Israel und den Palästinensischen Gebieten, lebt und arbeitet seit über drei Jahren in der Region.

Julia Obermeier, Auslandsmitarbeiterin der Hanns-Seidel-Stiftung in Israel und den Palästinensischen Gebieten, lebt und arbeitet seit über drei Jahren in der Region.

Wieder zurück als wäre nichts gewesen? Steht denn nicht das öffentliche Leben erstmal still?

Die hiesige Bevölkerung hat sich über die Jahre eine hohe Resilienz aufgebaut. Bei Raketenbeschuss stellt nicht das komplette Land dauerhaft das Arbeiten ein. Aber seit gestern sind im Grenzgebiet zu Gaza und im Zentrum Israels Schulen geschlossen. Durch die Erfahrungen der Corona Pandemie ist der Wechsel auf Distanzunterricht schon eingespielt. Es gibt tagesaktuelle regionale Sicherheitsvorgaben des Heimatschutzes. Insgesamt lautet der Tenor der Menschen hier: Das Leben muss weitergehen!

Was ist der Hintergrund der aktuellen Eskalationen?

Seit Beginn des Fastenmonats Ramadan und der Ende April erfolgten Absage der Parlamentswahlen in den Palästinensischen Gebieten führten gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften in Ost-Jerusalem, insbesondere auf dem Tempelberg zu mehreren Hundert Verletzten. Auch im Westjordanland und in einigen Städten in Israel (Lod, Ramle und Wadi Ara) hat sich die Lage verschärft, und es kam zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die Ausschreitungen in Ost-Jerusalem wurden angefacht von einem Gerichtsurteil, in dem die Eigentumsrechte einiger Grundstücke, die derzeit im Besitz arabischer Familien sind, unter Bezugnahme der Eigentumsverhältnisse von vor Staatsgründung jüdischen Familien zugeschrieben wurden. Zudem erhitzten sich die Gemüter an Absperrungen, die die Polizei in der Altstadt und auf dem Tempelberg errichtet hatte, um große Menschenansammlungen muslimischer Gläubiger zu vermeiden. Ein Demonstrationszug mit israelischen Flaggen, der für den sogenannten Jerusalemtag am Montag, den 13. Mai 2021 angekündigt war, fachte die Auseinandersetzungen weiter an. Die Hamas erklärte sich zum Verteidiger Jerusalems – und belegte verbale Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel mit Raketenbeschuss auf Jerusalem.

Wie geht es weiter?

In den kommenden Tagen, insbesondere zum Ende des Fastenmonats Ramadan am Abend des 12. Mai 2021 und den darauffolgenden drei muslimischen Feiertagen sowie zum 73. Jahrestages der Nakba („Katastrophe“) am 15. Mai 2021 ist mit einer weiterhin sehr angespannten Lage zu rechnen.

Gesprächspartnerin: Julia Obermeier, Auslandsmitarbeiterin in Israel und den Palästinensischen Gebieten.

Naher Osten, Nordafrika
Claudia Fackler
Leiterin