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Junge bayerische Führungskräfte in Washington
Transatlantischer Dialog in schwierigen Zeiten

Das Interesse war groß auf beiden Seiten: Eine 10-köpfige Gruppe junger Führungskräfte aus Bayern folgte der Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung zu politischen Gesprächen in Washington und stieß dort auf amerikanische Gesprächspartner, die sich des internationalen Ansehensverlustes der USA unter Donald Trump sowie des wachsenden Einflusses Deutschlands in Europa und der Welt bewusst waren. Diese Ausgangslage sorgte für spannende Debatten zur Lage in Amerika, zum Wahlkampf in Deutschland und zu den Perspektiven der transatlantischen Beziehungen.

Wie die deutschen Wirtschafts- und Finanzexperten Daniel Andrich, Leiter der Vertretung der Deutschen Industrie und des Handels, und Klaus Merk, alternierender deutscher Exekutivdirektor beim Internationalen Währungsfonds, deutlich machten, liegen die Prioritäten der Trump-Administration auf Investitionen und Infrastrukturerneuerung, auf Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie auf dem Abbau des Handelsdefizits. Diese Schwerpunkte finden Zustimmung unter den Unternehmen und beflügeln die Aktienkurse, auch wenn Hinweise berechtigt sind, dass Donald Trump ein veraltetes Bild von Industriejobs hat.

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit dem deutschen Exekutiv-Direktor beim IWF Klaus Merk (Mitte, blaue Mappe)

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit dem deutschen Exekutiv-Direktor beim IWF Klaus Merk (Mitte, blaue Mappe)

Forstner; HSS

Polarisierung in der amerikanischen Politik und Gesellschaft

Insgesamt gehört jedoch die zunehmende Polarisierung in Politik und Gesellschaft zu den prägenden Merkmalen der letzten Jahre. Die Einkommensschere öffnet sich weiter, man lebt in ideologischen Silos, das Misstrauen gegenüber dem politischen Gegner wächst, man stärkt die eigene politische Identität durch strikte Opposition, die Medien verlieren ihre Rolle als Informationsquelle, sondern agieren fast ausschließlich als Meinungsmacher. Demokraten und Republikaner entfernen sich voneinander, die politische Mitte dünnt aus. Mit zahlreichen Daten unterstrich Alec Tyson vom renommierten Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center diese Entwicklung. Diese Protestwelle brachte Donald Trump ins Amt, während Hillary Clinton mit keiner prägnanten politischen Botschaft aufwartete, was man im demokratischen Lager inzwischen offen bemängelt. Aktuell stehen die Demokraten in Fundamentalopposition zu Donald Trump. In den Monaten vor den Mid-Term-Elections 2018 will man aber auch inhaltlich wieder auf sich aufmerksam machen, so der Ausblick der Experten des den Demokraten nahestehenden Center for American Progress.  

Viele Republikaner vor allem in der Provinz verbinden mit Donald Trump große Hoffnungen. Ihre wichtigsten Anliegen sind eine effektive Grenzkontrolle, der Rückgang der illegalen Migration, die Eindämmung der Gesundheitskosten und eine Regierung in Washington, die sich nicht in alle Belange der Bundesstaaten und der Bürger dort einmischt. Paul Gosar, Kongressabgeordneter aus Arizona, brachte diese Haltung auf den Punkt: “Wir Amerikaner sind Individualisten. Wir bauen die besten Waffen der Welt. Doch eine staatlich verordnete Gesundheitsversorgung lehnen wir ab“.

Im House of Representatives mit Congressman Paul Gosar (R-Arizona, Mitte, gelbe Krawatte)

Im House of Representatives mit Congressman Paul Gosar (R-Arizona, Mitte, gelbe Krawatte)

Forstner; HSS

Normalisierung in der US-Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Trotz der innenpolitischen Polarisierung scheint sich außenpolitisch die Lage zu normalisieren. Eine wichtige Botschaft war aus dem US-Außenministerium zu hören: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen stehen auf einem robusten Fundament. Da die US-Außenpolitik in den nächsten Jahren vornehmlich die eigenen Wirtschaftsinteressen im Auge hat, wird es mit Deutschland bei allem amerikanischen Respekt vor der zunehmenden internationalen Verantwortungsbereitschaft Deutschlands auch Dissenspunkte geben. In der Klimapolitik wurde dies schon offensichtlich, in der Handelspolitik ist der Diskussionsbedarf angesichts protektionistischer Tendenzen in Amerika groß. Manche Entwicklungen in Amerika geben also durchaus Anlass zu Sorge, wie Vertreter der Deutschen Botschaft in Washington auch offen thematisierten. Unberechtigt sind aber Zweifel, dass sich die USA von Europa abwenden und das gemeinsame geostrategische Verständnis von globaler Sicherheit erodiert. Sicherheitspolitisch, so Jessica Kehl, Europa-Direktorin im US-Verteidigungsministerium, die die bayerische Gruppe im Pentagon empfing, wollen die USA mehr Anstrengungen in der Terror-Bekämpfung, eine faire Lastenteilung im NATO-Bündnis und eine bessere NATO-EU-Kooperation sehen. Der offiziellen Einschätzung, dass sich die US-Außen- und Sicherheitspolitik hin zu mehr Kontinuität und Stabilität bewegt, schlossen sich auch unabhängige Experten wie Derek Chollet, Vize-Präsident des German Marshall Fund, und Jan Surotchak, Europa-Direktor des International Republican Institute, an. An der politischen Oberfläche überwiegen die Turbulenzen, die tägliche Arbeit wird aber routiniert fortgeführt. Zwar fehlt der US-Außenpolitik unter Donald Trump meist strategische Tiefe, doch die Minister sorgen durch ihr technokratisches Amtsverständnis für eine gewisse Berechenbarkeit.

Begegnung mit Senator Tim Kaine aus Virginia (D), dem Vizepräsidentschaftskandidat von Hillary Clinton am Capitol Hill (Mitte, rote Krawatte)

Begegnung mit Senator Tim Kaine aus Virginia (D), dem Vizepräsidentschaftskandidat von Hillary Clinton am Capitol Hill (Mitte, rote Krawatte)

Forstner; HSS

„Die meisten Minister verstehen sich als Technokraten“ (Derek Chollet)

Dass es zwischen einflussreichen Senatoren und der US-Regierung durchaus Spannungen gibt, war den Gesprächen mit wichtigen Beratern im Kongress zu entnehmen. Kritisiert wurde zum einen die Vernachlässigung der Menschenrechtspolitik als zentrale Komponente der US-Außenpolitik als auch die Überbewertung von Hard Power und die Geringschätzung von Allianzen mit Partnern auf dem Weg zu mehr Stabilität in der Welt. Ein gemeinsames Foto mit Senator Tim Kaine aus Virginia, der von Hillary Clinton als Vize-Präsident nominiert worden war, sowie eine Führung durch das Kapitol rundeten das Programm am Hill ab.

Debatte mit den früheren Kongressabgeordneten Steve Israel (D-New York) und Robert Walker (R-Pennsylvania) bei der U.S. Association of Former Members of Congress

Debatte mit den früheren Kongressabgeordneten Steve Israel (D-New York) und Robert Walker (R-Pennsylvania) bei der U.S. Association of Former Members of Congress

Forstner; HSS

Ungewisse Perspektiven: Amerika zwischen neuer Stärke und Selbst-Implosion

Einblicke in die parlamentarische Praxis verbanden die langjährigen früheren Abgeordneten Steve Israel, Demokrat aus New York, und Robert Walker, Republikaner aus Pennsylvania, mit Empfehlungen zur Überwindung der Strukturprobleme in der Politik. Den Überhand nehmenden Einfluss von Geld in der Politik könne man zurückdrängen, wenn die Wahlkampfspenden stärker über die Parteien verteilt würden. Für den Kongress müssten wieder Abgeordnete nominiert werden, die den Mut zu Kompromissen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem politischen Gegner haben. Eine Wegscheide, ob das politische System der USA einen Ausweg aus der Krise finde oder ob sich die Krise weiter verschärfe und das System irgendwann zu implodieren drohe, seien jedenfalls die Mid-Term-Elections im November 2018. Wenn die sich abzeichnenden Gewinne der Demokraten zu einer Stabilisierung führen und sich bei wichtigen Projekten eine parteiübergreifende Kongress-Mehrheit herausbildet, wird Amerika ähnlich wie nach dem Watergate-Skandal unter Richard Nixon gestärkt aus der Krise hervorgehen. Eine Gewähr für dieses optimistische Setzen auf die Stärke Amerikas gibt es jedoch nicht. Donald Trump ist ein Symptom der Krise, nicht der Auslöser der populistischen Welle, die durch die USA geht. 

Fazit der Gespräche in Washington: Amerika stehen unruhige Jahre bevor. Doch die USA sind und bleiben Deutschlands wichtigster Partner in der Welt. Während ihres viertägigen Aufenthaltes in Washington konnten sich die jungen Entscheidungsträger aus Bayern ein eindrucksvolles Bild von der Lage in Amerika machen und wertvolle Kontakte zu Kollegen in Washington knüpfen.

 

Autor: Christian Forstner, HSS