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Krisenherd Iran
Von Annäherung an den Westen zur Konfrontation

Säbelrasseln am persischen Golf: Die USA drohen Iran und setzen auf Sanktionen, um das Mullah-Regime wirtschaftlich zu treffen. In Teheran konsolidieren die Hardliner ihre Macht. Die Entwicklungen im Iran-Konflikt seit 2015.

Der Atomkompromiss, den die „P5+1“-Gruppe (die fünf Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates plus Deutschland) mit Teheran vor vier Jahren vereinbart hatte, war aus Sicht der westlichen Signatarstaaten (Frankreich, Großbritannien und Deutschland) ein diplomatischer Dreifacherfolg: Erstens wurde ein gefährlicher internationaler Krisenherd, der seit dem Jahre 2002 schwelte, substanziell entschärft. Zweitens wurde der Iran aus seiner internationalen Isolation befreit und hatte nun die Chance, sich im Kreise der internationalen Gemeinschaft als Partner bei der De-Eskalation mittelöstlicher Konflikte zu empfehlen. Und drittens stärkte das Atomabkommen im inneriranischen Machtgefüge den moderaten Präsidenten Hassan Rohani und seinen westlich geprägten Außenminister Mohammad Dschawad Zarif und führte zu beachtlichen Zugewinnen der Pragmatiker und Reformer gegenüber konservativen Hardlinern bei den iranischen Parlaments- und Expertenratswahlen Ende Februar 2016.

Gruppenbild mit den genannten vier Personen, die die Aktuellen Analysen in Händen halten

Die Autoren der "Aktuellen Analysen Nr. 70", Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser, Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung (links) und Politikberater Wahid H. Tabatabai (rechts) mit Stephanie Fenkart vom "International Institute for Peace" in Wien und Prof. Dr. Heinz Gärtner, Dozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.

HSS

Von Annäherung zu Konfrontation und Krise

Die vorsichtige (Wieder-)Annäherung zwischen dem Westen und Teheran geriet allerdings ins Stocken, als in Washington Donald Trump Barack Obama im Präsidentenamt folgte. Trump hatte bereits im Präsidentschaftswahlkampf das Atomabkommen als „schlechtesten jemals geschlossenen Deal“ gegeißelt. Der außenpolitische Kurs Teherans ab 2016 lieferte ihm zusätzliche Munition. Iran nutzte seine Chance zur Profilierung als möglicher Partner des Westens nicht, sondern verwendete die zusätzlichen Deviseneinnahmen aus der Wiederaufnahme der Öl- und Gasproduktion nach dem Ende der Aufhebung der internationalen Sanktionen, um seine schiitischen Verbündeten in den Krisenherden der Region (u.a. im Libanon, Irak, Syrien und Jemen) militärisch und finanziell zu unterstützen. Außerdem forcierte er sein Raketenprogramm, das in der gesamten Region als massive Sicherheitsbedrohung angesehen wird. Trumps Behauptung, der Iran verstoße gegen die Auflagen des Atomabkommens, indem er verbotenerweise nukleare Anreicherung über das erlaubte geringe Maß (zu zivilen, medizinischen Zwecken) hinaus betreibe, wurde von der Internationalen Atomenergie-Behörde im Zuge deren Inspektionen nicht bestätigt.

Im Mittelpunkt der aktuellen HSS-Analyse „Krisenherd Iran" steht neben einer Rekonstruktion der inneren Entwicklung und des außenpolitischen Kurses der Islamischen Republik Iran seit dem Wiener Atomabkommen vom Juli 2015 die Frage, wie es zum gegenwärtigen Säbelrasseln zwischen Washington und Teheran am Persischen Golf gekommen ist und welche Möglichkeiten bestehen, die Krise zu deeskalieren. Kostenlos bestellen per E-mail an: hss(at)publikationen.de

Den zunächst lediglich verbalen Attacken des US-Präsidenten folgte im Mai 2018 schließlich der einseitige Austritt Washingtons aus dem Atomabkommen und mehrere Staffeln von Sanktionen gegen Teheran. Diese Schritte der Supermacht USA brachten den Iran in schwere wirtschaftliche Bedrängnis, zumal Washington auch auf andere Handelspartner Teherans massiven Druck ausübte. Ungeachtet eines drastischen Verfalls der Landeswährung Rial und zunehmender Versorgungsengpässe knickten Irans politische Eliten unter Trumps Taktik „maximalen Drucks“ jedoch nicht ein, sondern ließen ebenfalls ihre militärischen Muskeln spielen und provozierten die USA durch Nadelstiche ihrer Verbündeten wie etwa Drohnenangriffen jemenitischer Huthi-Rebellen gegen Irans Erzfeind Saudi-Arabien. Ihre schließlich Anfang Juli wahrgemachte Drohung, ihrerseits den Atomdeal zumindest partiell zu kündigen und das nukleare Anreichungsprogramm wiederaufzunehmen, verschärfte die Spannungen. In dieser Situation eines zunehmend aggressiver geführten beiderseitigen Säbelrasselns – Trump twitterte gar vom „offiziellen Ende des Iran“ – kann schon ein vergleichsweise unbedeutender Zwischenfall einen Krieg auslösen. Opfer und Kosten wären gewaltig, die Tragweite unkalkulierbar und die Möglichkeit, den Konflikt mit dem Iran diplomatisch beizulegen, endgültig dahin.

Wie kann die Krise am Persischen Golf deeskaliert werden?

Bislang haben weder die Bemühungen der europäischen Atomdeal-Signatarstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, US-amerikanische Sanktionen gegen Teheran zu kompensieren, noch internationale Vermittlungsversuche etwa des japanischen Premiers Abe oder des deutschen Außenministers Maas zu einer Entspannung der Krise geführt. Da aber ungeachtet aller Vorwürfe, Drohgebärden und Hasstiraden sowohl Präsident Trump als auch die Machthaber in Teheran einen Krieg vermeiden wollen, verbindet die Kontrahenten zumindest ein rudimentäres Element gemeinsamen Interesses, das den Ausgangspunkt einer Annäherung bilden kann.

Auf amerikanischer Seite versteht sich der Präsident als cleverer Dealmaker, der im Alleingang mit seinem Gegenüber Weltgeschichte schreiben kann, das hat sein jüngster Händedruck mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un an der koreanischen Demarkationslinie erneut bewiesen. Trump steht – zumal mit Blick auf seine anvisierte Wiederwahl – bei seinen Wählern im Wort, denen er versprochen hat, unter seiner Führung werde es kriegerische Verwicklungen der USA wie seinerzeit in Afghanistan, im Irak oder in Syrien nicht mehr geben. Außerdem hat er mit dem Machtkampf in Venezuela und vor allem mit dem ebenfalls eskalierenden Handelskonflikt mit China genug außenpolitische Baustellen. Zu gewissen Konzessionen gegenüber Teheran könnte er deshalb durchaus bereit sein. Darauf deutet auch die Betonung seiner Autorität als Commander in Chief hin, die als unverkennbare Spitze gegen Sicherheitsberater John Bolton gerichtet war, der seit langem militärische Präventivschläge gegen den Iran fordert. Trump geißelt zwar den Atomdeal wegen seiner unbestreitbaren Mängel, wie der kurzen Laufzeit und der eingeschränkten Verifikationsmöglichkeiten – vor allem aber lässt er kein gutes Haar an ihm, weil er von seinem Vorgänger Obama geschlossen und von diesem als großer diplomatischer Erfolg gepriesen wurde. Ein guter Deal mit Iran, so Trumps Attitüde, könne nur von ihm selbst verhandelt werden.

Auch die amtierende Staatselite in Teheran kann keinen bewaffneten Konflikt mit den USA wollen, in dem sie nur verlieren kann. Selbst der Oberste Geistliche Führer Ali Khamenei betonte mehrfach, es werde keinen Krieg mit den USA geben, weil ein Waffengang weder im Sinne Teherans noch Washingtons sei. Sogar für die Revolutionsgarden, die nach außen hin stets eine harte Linie vertreten, würde ein militärischer Konflikt mit unkalkulierbaren Folgen ein Horrorszenario darstellen. Durch den Aufbau und Erwerb erfolgreicher Großunternehmen haben sie sich eine wirtschaftliche Monopolstellung im Land geschaffen, die durch eine bewaffnete Auseinandersetzung mit den USA gefährdet würde.

Road Map zum Handschlag zwischen Trump und Rohani

Für eine Road Map zu einer substanziellen De-Eskalation sind zwei Voraussetzungen notwendig: Zum einen internationale Vermittlung in Form einer konzertierten gemeinsamen Initiative verschiedener Akteure, zum anderen ein fundamentaler beiderseitiger Paradigmenwandel der Streitparteien.

Die gegenwärtige Grundeinstellung Washingtons und Teherans, das „Fehlverhalten“ der anderen Seite mit Drohungen und Bestrafung zu quittieren, müssten beide Seiten im Sinne der von Henry Kissinger in den 1960er Jahren konzipierten „Linkage“-Politik durch den Ansatz ersetzen, das angestrebte „Wohlverhalten“ der jeweils anderen Seite mit Angeboten einer „Belohnung“ zu verknüpfen. Die Möglichkeit einer derartigen Kurskorrektur ist angesichts Donald Trumps Unberechenbarkeit schwer einzuschätzen, aber jedenfalls durchaus denkbar. Im Falle Teherans wird eine erneute Annäherung an die USA nur durch eine „heroische Flexibilität“ Ayatollah Khameneis möglich sein, die er zur Vermeidung eines Krieges und zum Erhalt der „Islamischen Republik“ durchaus zeigen könnte.

An erster Stelle gilt es, das „Prestige-Problem“ zwischen beiden Seiten zu lösen, das durch gegenseitige Drohungen entstanden ist. Damit ein Dialog zwischen beiden Präsidenten in Gang kommt, müsste die Gesprächsinitiative jetzt von dritter Seite kommen. Das könnte die Stunde der Europäischen Union und ihrer Spitzen sein, die sich als „ehrliche Makler“ empfehlen und beide Präsidenten zur Aufnahme eines vorbehaltlosen Dialoges auf Augenhöhe einladen könnten. Neben Europa müssten auch andere bedeutsame internationale Akteure in diese konzertierte Aktion eingebunden werden. Grundsätzlich kommen all diejenigen Spitzenpolitiker und -diplomaten in Frage, die sowohl einen Krieg zwischen den USA und dem Iran verhindern als auch vermeiden wollen, dass der Iran die Atomschwelle überschreitet.

Ein über eine konzertierte internationale Vermittlungsinitiative zustande kommendes Gipfel-Treffen auf neutralem Boden würde dem trump’schen Ansatz zu bilateralen Spitzenbegegnungen entsprechen und möglicherweise auch für Rohani reizvoll sein, zumal er unter der gegenwärtigen Doppelbelastung durch US-amerikanische Kriegsdrohungen und dem wachsenden inneren Druck von konservativen Hardlinern innenpolitisch nichts zu verlieren hat und außenpolitisch nur gewinnen kann.

Zwar liegt die Oberste politische Entscheidungsvollmacht im Iran nicht beim Präsidenten, sondern beim Obersten Geistlichen Führer, der im Gegensatz zu Rohani Gespräche mit dem amerikanischen Präsidenten bislang abgelehnt hat. Sollte Trump jedoch eine analog zu seinem Kurs gegenüber Kim Jong Un angelegte Charme-Offensive in Richtung Teheran starten und auf seine martialischen Drohungen zugunsten eines respektvollen, gleiche Augenhöhe signalisierenden Vokabulars verzichten, dürfte auch Ayatollah Khamenei sein kategorisches Nein gegenüber den Gesprächs-Offerten aus Washington überdenken.

Autor: Prof. Dr. Meier-Walser

Leiterin Akademie für Politik und Zeitgeschehen

Prof. Dr. Diane Robers