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Wahlen in den Philippinen
Politische Meinungsbildung mal anders

Autor: Alexander Birle

Nach Auszählung von ca. 95 Prozent der abgegebenen Stimmen hat Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. die Wahl mit überwältigender Mehrheit von mehr als 60 Prozent gewonnen. Proteste aus dem unterlegenen Lager von Robredo sind nur vereinzelt wahrzunehmen. Die Wahl wurde überschattet durch mehrere, auch tödliche Zwischenfälle.

  • Wahlkampf mit Wahlempfehlungen
  • Gegenseitige Unterstützung von Kandidaten
  • Gewalt und Straftaten im Zusammenhang mit dem Wahlkampf
  • Die Macht der Sozialen Medien
  • Umfragen und Prognosen
  • Die aussichtsreichen Kandidaten Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. und Leni Robredo 
  • Perspektiven

Zum Wahlergebnis

Von entscheidender Bedeutung für den Sieg von Marcos war der Zusammenschluss mit Sara Duterte, der Tochter des bisherigen Präsidenten Rodrigo Duterte, die mit überragender Mehrheit von mehr als 60 Prozent die Vize-Präsidentschaft gewonnen hat. Erst nach dieser Allianz mit Sara Duterte stieg die Zustimmung für Marcos massiv an. Vor diesem Hintergrund wird die Familie Duterte auch unter Präsident Marcos weiterhin sehr viel Macht in den Philippinen haben. Sara Duterte wird sicher einen einflussreichen Posten im Kabinett Marcos erhalten – es wird über das Verteidigungsministerium spekuliert.

Auch gilt es als wahrscheinlich, dass Sara Duterte im Jahr 2028 als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen antreten wird – dann möglicherweise in Zusammenarbeit und gemeinsam mit Senatorin Imee Marcos, der Schwester von Bongbong Marcos.

Eine Untersuchung der Politik von Rodrigo Duterte, dem früheren Präsidenten der Philippinen wegen Menschenrechtsverletzungen, so wie bereits vom ICC (Internationale Handelskammer) gefordert, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben.

Auf Grund des relativ inhaltsleeren Wahlkampfs seitens Marcos Jr. sind Rückschlüsse auf die zukünftige konkrete Politikgestaltung spekulativ.

Präsident und Vize-Präsident werden in den Philippinen getrennt gewählt und treten nicht – wie etwa in den USA – gemeinsam an. Der amtierende Präsident Rodrigo Duterte kann gemäß der philippinischen Verfassung von 1987 nicht wiedergewählt werden. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sechs Jahre.

Der 09. Mai 2022 war ein einschneidender und historisch bedeutsamer Tag für die Philippinen. Neben den Präsidentschafts- und Vize-Präsidentschaftswahlen wurden gleichzeitig 12 Sitze im Senat, die 308 Sitze im Repräsentantenhaus und 247 Sitze in den Kongressbezirken, alle 81 Gouverneure und Vizegouverneure sowie 780 Sitze in den Vorständen aller Provinzen, alle 1.634 Bürgermeister und Vizebürgermeister sowie 13.546 Sitze für Stadträte und Gemeinderäte in allen Städten und Gemeinden neu gewählt.

Eine Fülle von Wahlplakaten hängen an einem Straßenzaun.

In der Hauptstadt der Philippinen, Manila, sind Straßenzüge mit Wahlplakaten zugeklebt.

HSS Phillippinen

The Culture of Endorsement – Wahlempfehlungen oder Wahlzwang

Bereits seit September 2021 tobt ein mehr oder weniger inhaltsloser Wahlkampf und legt die politische Entwicklung weitgehend lahm. Die politische Landschaft ist in den Philippinen durchaus eigen. Es gibt zwar Parteien mit Strukturen und vereinzelt auch Programme, aber es steht eindeutig die einzelne Person und dessen Familie im Vordergrund. Auch deswegen ist es für philippinische Politiker nicht ungewöhnlich, regelmäßig die Partei zu wechseln – je nachdem, welche Partei für die eigene Person im Moment die meisten Vorteile und Posten bietet.

Aufgrund der geringen Bedeutung von Parteien stehen vielmehr persönliche Allianzen und die gegenseitige Unterstützung von Personen im Vordergrund. Dieses System der gegenseitigen Unterstützung und die Abgabe von Wahlempfehlungen an den Bürger ist bezeichnend für die Philippinen und teilweise verwirrend. Politische Allianzen, Parteien, Bürgermeister und Gouverneure, unabhängige Kandidaten, Kirchen, Wirtschaftsverbände, usw. alle geben Wahlempfehlungen ab und diesen Empfehlungen („endorsement“) kommt in den Philippinen eine sehr große Bedeutung zu. Es wirkt, als sei die Unterstützung durch einen Bürgermeister oder Gouverneur gleichbedeutend mit dem Erhalt aller Wählerstimmen der jeweiligen Stadt oder Provinz. Dementsprechend erscheint es auch, dass sich die Kandidaten mehr um die Unterstützung von „endorsern“, also denjenigen, die Wahlempfehlungen abgeben, kümmern als um den Wähler, den Bürger. Man kann dies den Kandidaten nicht verübeln: Beispielsweise wird von den Anhängern der in den Philippinen sehr populären Kirche Iglesia ni Christo erwartet, dass sie der Wahlempfehlung der Kirche folgen und dies ist quasi eine Pflicht für die Gläubigen. Sehr häufig hört man vom Bürger auf die Frage, wen er wählen werde, dass er einfach der Wahlempfehlung seiner Führungskräfte oder Leiter folgen werde. Auch die Vertreter der kommunalen Einrichtungen üben auf „ihre Bevölkerung“ teils legal, teils illegal Druck aus, die unterstützten Kandidaten zu wählen. Häufig ist zu hören, man folge beispielsweise dem Druck des Ortsvorstehers, um negative Konsequenzen oder Probleme zu vermeiden oder weil man Geschenke angenommen habe.

Im Gegenzug erwartet dann natürlich der „Endorser“ im Falle des Wahlsieges eine Besserstellung und Belohnung für die Unterstützung.

Plakate verschiedener Kandidaten hängen neben- und übereinander.

Verschiedene Kandidaten und das Ehepaar Teodoro werben im Wahlkampf in den Philippinen um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler.

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The Culture of Endorsement – gegenseitige Unterstützung der Kandidaten über Parteigrenzen hinweg

Auch die gegenseitige Unterstützung von Kandidaten, sogar von unterschiedlichen Parteien, ist ein wichtiges Element im philippinischen Wahlkampf.

Der Wahlkampf von „Bongbong“ Marcos steht exemplarisch für dieses System. Bei den Wahlen zum Senat im Jahr 2010 trat er als Parteimitglied der KBL-Partei (Kilusang Bagong Lipunan/ New Society Movement) bei, bei den Vize-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 war er unabhängiger Kandidat und nun im Jahr 2022 bei den Präsidentschaftswahlen Kandidat der PFP-Partei (Demokratische Partei der Philippinen) einer Partei, der er erst am 06. Oktober 2021 beigetreten war und deren Chairman er am selben Tag geworden ist. Die PFP-Partei wurde ursprünglich 2018 von Duterte-Anhängern mit dem Ziel gegründet, den Föderalismusprozess in den Philippinen voranzutreiben – ein Themenfeld mit dem Marcos eher weniger in Verbindung gebracht wird.

Zunächst verlief die Wahlkampagne von Marcos eher unauffällig und die Umfragewerte sahen in ihm einen Kandidaten von vielen. Diese Werte schossen erst am letzten Tag der Kandidatenregistrierung Mitte November 2021 in die Höhe, nachdem er eine Allianz mit Sara Duterte, der Tochter des ausscheidenden und weiterhin sehr populären Präsidenten, geschlossen hatte und sich beide die gegenseitige Unterstützung zugesichert haben: Marcos als Präsident und Duterte als Vize-Präsidentin.

Beide gehören unterschiedlichen Parteien an. Ihre Allianz nannten sie „UniTeam“ und der Name soll für die Einheit des Landes stehen. Der Zusammenschluss ist insofern bemerkenswert, da sich eine politisch dominierende Familie aus dem Norden (Familie Marcos aus der Ilocos-Provinz) mit einer aus dem Süden (Familie Duterte aus Davao) verbündet. Beide Familien haben seit mindestens 30 Jahren die nahezu uneingeschränkte Macht über ihre Provinz bzw. Stadt. Auch dies – dass einige Städte und Provinzen nahezu in Privatbesitz politisch aktiver Familien sind – ist nicht unüblich in den Philippinen.

Vier politische Parteien bekannten sich zur Allianz „Uniteam“. Im Gegenzug hierzu unterstützt die Allianz wiederum zwölf Kandidaten aus sechs verschiedenen Parteien (und zwei „unabhängige Kandidaten“) für die Senatswahlen (Zwölf Sitze) und rief zur Wahl dieser Personen auf. Zusammen mit Marcos und Duterte bilden diese zwölf Kandidaten nun das Kernstück des „Uniteams“ und sie treten gemeinsam bei Wahlkampfveranstaltungen auf. Die Mitglieder des Uniteams wurden und werden vollständig oder teilweise von insgesamt drei (aktuellen oder ehemaligen) Präsidenten der Philippinen, zehn (aktuellen oder ehemaligen) Ministern, acht (aktuellen oder ehemaligen) Senatoren, mindestens 33 Vertretern des Repräsentantenhauses unterstützt, die zur Wahl des Uniteams aufrufen.

Im Grunde handeln die weiteren neun Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ähnlich, wobei sich Vize-Präsidentin Leni Robredo, obwohl sie als unabhängige Kandidatin antritt, mehr auf das Umfeld der liberalen Partei konzentriert.

Einige Präsidentschaftskandidaten unterstützen keinen Vize-Präsidentschaftskandidaten und einzelne Kandidaten für den Senat werden sogar von mehreren Präsidentschaftskandidaten unterstützt. Insofern ist eine klare Aufteilung in politische Lager und Interessen kaum möglich und es steht tatsächlich die jeweilige Person (mit dessen Familie) als Kandidat im Vordergrund.

Auch werden Bündnisse und Allianzen vor allem zwischen politischen aktiven Familien geschlossen - dies geht hin bis zur Eheschließung, also, dass die Nachkommen verschiedener politisch aktiver Familien untereinander verheiratet werden, um die Bündnisse zwischen diesen Familien langfristig zu stärken.

„Wahlen-bezogene Gewalt“: die Wahlkommission als Sicherheitskraft

Wahlen in den Philippinen laufen seit jeher alles andere als friedlich ab. Auch der philippinische Wahlkampf 2022 war durch Gewalt und Tötungen geprägt. Genaue Zahlen werden erst nach den Wahlen veröffentlicht und aus Polizeikreisen war zu hören, dass man von erfolgreichen und friedlichen Wahlen sprechen könne, wenn die Tötungen, die den Wahlen zugeordnet werden können („election-related“) im Zeitraum Januar 2022 bis Mai 2022 unter 50 Menschen liegen. Journalisten sind besonders gefährdet, wenn diese kritisch über einzelne Personen und politisch aktive Familien berichten. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2010 wurden bei einem einzigen Vorfall 34 Journalisten umgebracht (Maguindanao-Massaker) – eines der schlimmsten Massaker an Journalisten an einem einzigen Tag.

Die Wahlkommission COMELEC hat aktuell insgesamt 104 Gegenden in den gesamten Philippinen als „areas of concern“ eingestuft und hat die Kontrolle über die Sicherheitskräfte sowie staatliche Einrichtungen übernommen. Als „areas of concern“ gelten Gegenden, in denen es schon in der Vergangenheit Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen gab, Kandidaten oder deren Anhänger zu Gewalt aufrufen und Privatarmeen (zumeist unter der Kontrolle von politisch aktiven Familien) in der Gegend anwesend sind. Ohnehin gilt für die meisten Bürger aufgrund der Wahlen von Januar bis Juni 2022 ein Verbot, Schusswaffen in der Öffentlichkeit zu tragen.

Der Wahlkampf

Die Kandidaten selber zeigten sich im Wahlkampf zwar stets präsent, aber die Kundgebungen waren als Massenveranstaltungen relativ inhaltsleer: Sie glichen eher einer großen Party mit Popmusik, Jubelorgien, tanzenden und singenden Kandidaten und vor allem viel guter Laune; politische Forderungen und Programme spielten eine eher untergeordnete Rolle. Wichtig war auch, dass  so viele Besucher wie möglich an diesen Events teilnahmen. So konnte das Robredo-Lager am Samstag (23. April) bei einem Auftritt in Manila vermelden, dass 400.000 Anhänger jubelten – Verkehrschaos inklusive. Die Polizei gab die Besucherzahlen zwar mit nur 80.000 Menschen an, aber es waren beeindruckende Bilder dieser jubelnden Menschenmasse in der Robredo-Farbe Pink. Nahezu identische Bilder gab es aus dem Marcos-Lager. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die sog. TV-Duelle, in denen die Kandidaten sich auch inhaltlich bekennen mussten. Einzig Marcos und Duterte standen bisher für kein TV-Duell zur Verfügung - ihren guten Umfragewerten hat dies allerdings nicht geschadet. Zu guter Letzt bestimmten auch die traditionellen Wahlplakate mit dem Konterfei der Kandidaten das Straßenbild in den Städten der Philippinen.

Social Media und Fake News

Von wachsender Bedeutung werden die offiziellen, aber auch inoffiziellen Social-Media-Kampagnen im Wahlkampf. Schon 2016 konnte Rodrigo Duterte die Präsidentschaftswahl vor allem über Facebook gewinnen. Die Opposition warf ihm vor, regelrechte „Troll-Armeen“ beschäftigt und gezielt Fake-News und Lügen verbreitet zu haben. Aufgrund der Anonymität des Internets konnte ihm dies nur schwerlich nachgewiesen werden. Es ist aber unstrittig, dass gezielt Fake-News eingesetzt wurden und diese die Meinungsbildung des Wählers massiv beeinflusst haben.

Die Situation im Jahr 2022 ist nicht besser geworden und es scheint, dass weiterhin über Facebook, Twitter, Tik-Tok, usw. aber auch über persönliche Nachrichten via WhatsApp, Viber oder Telegram gezielt Falschinformationen gestreut werden. Die regierungskritische Nachrichtenseite Rappler berichtete, dass diese Falschinformationen vor allem zu Lasten von Robredo und zu Gunsten Marcos ausfallen. Der negative Höhepunkt war bisher, dass über soziale Medien ein Film sexuellen Inhalts gezeigt wurde, der angeblich eine der drei Töchter Leni Robredos zeigte.

Für die Medien, die seit acht Monaten fast durchgehend über die Wahlen berichten, stellen diese wachsenden Fake-News in den sozialen Medien eine immer größer werdende Herausforderung dar: Zum einen bleibt Journalisten immer weniger Zeit zur Veröffentlichung von Beiträgen und in diesen zunehmend visualisierten Beiträgen wird die zur Verfügung stehende Zeit, um die Information an den Adressaten zu bringen, immer geringer. Zum anderen werden immer mehr Falschmeldungen immer schneller verbreitet und die Zeit hierauf zu reagieren, wird immer weniger. Zu guter Letzt konnte man in den letzten Monaten auch in den Philippinen beobachten, dass die Attacken auf die Online-Auftritte einiger, vor allem regierungskritischer Nachrichtenmedien, massiv zugenommen haben und es fast schon alltäglich wurde, dass diese nicht mehr erreichbar waren. Es scheint, dass in den sozialen Medien kurze Falschmeldungen eher zur Meinungsbildung beitragen, als wahrheitsbasierte, ordentlich recherchierte und erarbeitete Artikel und Beiträge.

Persönliche Vorteile für den Wähler durch die günstige Besetzung von Posten

Eine weitere Besonderheit der Philippinen war in den letzten Monaten ebenfalls in den sozialen Medien gut zu beobachten: Die Wahl von Marcos wurde geschickt mit der Besetzung einzelner Posten in Verbindung gesetzt und diese Besetzung führt wiederum zu Vorteilen des einzelnen Bürgers oder gesamter Wirtschaftsbereiche. So sind beispielsweise Fischer, Landwirte, aber auch Personen aus der Luftfahrt davon überzeugt, dass Marcos für sie der geeignete Präsident wäre, weil dann die Person XY einen verantwortungsvollen Posten erhalten würde und dies am besten für den jeweiligen Wirtschaftszweig sei.
Dieses Phänomen, dass die Posten in einer möglichen Regierung schon offen diskutiert werden und zur Überzeugung vieler schon besetzt seien, existiert in dieser extremen Form nur im Marcos/Duterte-Lager. Der Wähler entscheidet sich also deswegen für Marcos, weil er eine andere Person in einer bestimmten Position sehen will; der Posten des Präsidenten ist für ihn hingegen nicht entscheidend.

Zur Information

HSS-Projekt - Förderung von Journalisten 

Die Hanns-Seidel-Stiftung arbeitet in den Philippinen seit 2020 mit dem Philippine Press Institut (PPI) zur Förderung von Journalisten zusammen, u.a. auch zur besseren Berichterstattung über die Wahlen 2022.
Im Rahmen von (zumeist Online-) Seminaren, Diskussionen und Konferenzen, aber auch mit Videoclips und Podcasts erhalten Journalisten Informationen und Wissen über den  Ablauf der Wahlen und über die politischen Themen des Wahlkampfs, über journalistische Standards und die Anforderungen an Quellen und Artikel. Das Ziel ist, dass Journalisten diese Informationen und dieses Wissen in ihren journalistischen Beiträgen verwenden können, allgemein besser zu dem Thema Wahlen informiert sind und somit auch einen Beitrag gegen die vermehrt auftretenden Fake-News leisten können. Letztendlich können Falschmeldungen nur mit Wissen bekämpft werden.

Mit diesen Veranstaltungen können ca. 70 lokale Zeitungen erreicht werden und auch die großen Nachrichtensender, wie etwas ABS-CBN oder CNN Philippines, beteiligen sich. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Maßnahmen ist für uns die Beteiligung verschiedener staatlicher Einrichtungen und vor allem der Wahlkommission COMELEC, deren Sprecher James Jimenez seit über einem Jahr Dauergast bei diesen Veranstaltungen ist. So können wir sicherstellen, dass wir die uns als ausländische Stiftung auferlegte Neutralität wahren und alle Informationen genau und vollständig sind.

Umfragen

Umfragen haben in den Philippinen eine sehr große Bedeutung und beeinflussen die Meinungsbildung der Bevölkerung. Es scheint für den Einzelnen vorteilhaft zu sein, grundsätzlich auf der Seite des Siegers zu stehen. Schon während der Wahlen 2016 konnte beobachtet werden, dass einige Kirchen ihre Wahlempfehlungen erst in den Tagen vor der Wahl abgaben und sich hierbei an den aktuellen Umfragen orientierten. Auch von einzelnen Wählern hört man im persönlichen Gespräch, man werde sich erst kurzfristig entscheiden und dies von den Umfragewerten abhängig machen. Trotz dieser besonderen Bedeutung der Umfragen, werden die Werte erstaunlich wenig angezweifelt und selbst die Opposition kritisiert diese nicht.

Ein überdimensional großes Wahlplakat von "Bongbong" Marcos Jr. an einer Hauswand weist auf den Wahlkampf und die Wahlen am 09. Mai in den Philippinen hin.

Ein überdimensional großes Wahlplakat von "Bongbong" Marcos Jr. an einer Hauswand weist auf den Wahlkampf und die Wahlen am 09. Mai in den Philippinen hin.

HSS Philippinen

Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. ist das zweite Kind und einziger Sohn des ehemaligen Präsidenten und Diktators der Philippinen, Ferdinand Marcos Sr. Im Jahr wurde 1986 Marcos Sr. im Rahmen der EDSA-Revolution mit seiner Familie aus dem Land gejagt und starb 1989 im Exil auf Hawaii. Sein Name und seine Amtszeit werden mit schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, Brutalität, Folter, Korruption und Selbstbereicherung für einen extravaganten Lebensstil in Verbindung gebracht. Bongbong Marcos Jr., der 1991 aus dem Exil auf die Philippinen zurückkehrte und sofort wieder politisch aktiv wurde, hat sich nie von der Politik seines Vaters distanziert oder sich für die Taten bei den Opfern entschuldigt. Schon während der Amtszeit seines Vaters wurde Marcos Jr. Gouverneur und Vize-Gouverneur der Heimatprovinz Ilocos Norte, nach seiner Rückkehr vertrat er dann die Provinz im Repräsentantenhaus, wurde Senator und erneut Gouverneur. Auf allen Posten blieb er verhältnismäßig unauffällig. Auch während seines Wahlkampfes fiel er nicht durch extreme Forderungen und markige Sprüche (im Gegensatz zu Rodrigo Duterte 2016) auf. Im Gegenteil, er rief seine Anhänger sogar ausdrücklich zum friedlichen Handeln auf.

Sein Hauptanliegen scheint wirklich die Rehabilitierung des Namen Marcos und der Wiedereinzug der Familie in den Präsidentenpalast zu sein. Dies könnte durchaus auch eine Chance für die Philippinen sein, denn die internationale Rehabilitierung kann vor allem durch die Achtung internationaler Verträge und die Verbesserung der Menschenrechtslage im Land erreicht werden. Aber aufgrund seiner offensichtlichen Nähe zur Duterte-Familie wäre nicht damit zu rechnen, dass die Amtszeit von Rodrigo Duterte aufgearbeitet wird. Selbiges gilt auch für noch offene Verfahren und Forderungen gegen die Marcos-Familie aufgrund der Amtszeit des Vaters. Mit einer Amtszeit von Marcos Jr. wären vermutlich sämtliche Verfahren und Forderungen gegen die Familien Marcos und Duterte am Ende.

Außenpolitisch gibt es Spekulationen, ob Marcos von China unterstützt wird, da im Wahlkampf fake-news und social-media-Trolle offensichtlich zu seinen Gunsten eingesetzt werden und dies ein typisches Vorgehen der chinesischen Regierung sei. Er selber hat sich nie hierzu geäußert. Es ist des Weiteren davon auszugehen, dass Marcos als Präsident viel Verantwortung delegieren würde, da dies seinem Handeln in der Vergangenheit entspricht. Hier müsste man dann tatsächlich abwarten, welche Personen welche Posten erhalten und auch, welche Rolle die Duterte-Familie in einer Regierung Marcos spielen würde. Diese würde sicherlich weiterhin viel Einfluss und Macht haben.

Wahlplakat von Leni Robredo in der Farbe Pink

Wahlplakat von Leni Robredo

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Leni Robredo gilt vermutlich als die Kandidatin der westlichen, demokratischen Welt. Dies auch deswegen, da der Name „Marcos“ nach westlichem Verständnis zu sehr durch die Vergangenheit belastet ist. Sie gewann 2016 die Vize-Präsidentschaftswahlen hauchdünn gegen „Bongbong“ Marcos und ist seitdem Vize-Präsidentin des Landes. Zuvor war sie drei Jahre lang Mitglied im Repräsentantenhaus. Sie wurde relativ spät (2012) selber politisch tätig – nachdem zuvor ihr Ehemann, der damalige Innenminister der Philippinen und langjährige Lokalpolitiker, bei einem Flugzeugabsturz verstorben war. In den 2000er Jahren engagierte sich Robredo als Anwältin in alternativen Menschenrechtsvereinigungen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit.

Robredo wird für eine Fortsetzung der wirtschaftsliberalen Politik von Vor-Vorgänger Aquino, für eine Förderung von Sozialprojekten und einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit stehen. Außenpolitisch steht sie vermutlich den USA und der westlichen Welt nahe, obwohl sie dies im Wahlkampf nicht thematisiert hat. Auch wäre damit zu rechnen, dass unter ihr mögliche Menschenrechtsverletzungen während der Amtszeit Dutertes aufgearbeitet werden.

Brisant wäre die Konstellation, wenn Robredo die Präsidentschaftswahlen, Sara Duterte aber die Vize-Präsidentschaftswahlen gewinnen würde.
Leni Robredo wurde während ihrer Vize-Präsidentschaft durch Präsident Duterte regelrecht kaltgestellt. Damit wäre in o.g. Konstellation nicht unbedingt zu rechnen. Allerdings würde bei diesem Modell Sara Duterte automatisch Präsidentin der Philippinen werden, falls Robredo „etwas passieren“ würde. In diesem Fall könnte Sara Duterte dann auch noch bei den nächsten Wahlen im Jahr 2028 als Präsidentin kandidieren.

Wahlmüdigkeit in der Bevölkerung

Innerhalb der Bevölkerung kann nach nunmehr über sieben Monaten Wahlkampf (der mit der Kandidatenregistrierung begonnen hat) eine gewisse Müdigkeit festgestellt werden. Verstopfte oder gesperrte Straßen, Staus und Verkehrschaos nerven zunehmend. Das Vertrauen in gerechte Wahlen ohne Betrug und Stimmenkauf ist ohnehin relativ gering. Nicht wenige Personen erwarten, dass am Wahltag die Covid-19-Beschränkungen in einzelnen Gebieten verschärft werden, um eine Stimmabgabe zu erschweren. Die Wahlkommission wird zwar nicht müde, zu beteuern, dass dies nicht geschehen werde, aber letztendlich ist das Vertrauen – vor allem auf kommunaler Ebene - in die gewählten Entscheidungsträger sehr gering: es wird befürchtet, man werde mit lokalen Lockdowns am Wahltag sehr gezielt bestimmte Stadtviertel, die traditionell eher dem Kandidaten XY zugerechnet werden, von den Wahlen ausschließen.

Und letztendlich war das Land nun sehr lange gelähmt, da jeder Vorgang und jede politische Entwicklung in Bezug zu den Wahlen gesetzt wurde. So ging beispielsweise der „philippinische Maskenskandal“ mehr oder weniger im Wahlkampf unter und wurde als Wahlkampfmanöver abgetan. Selbiges gilt für die aktuelle Diskussion, ob Senatorin de Lima nicht endlich freigelassen werden muss, nachdem am Wochenende zwei Zeugen der Anklage abgesprungen waren (und nun die Regierung belasten). Auch diese „Bombe“ geht total in den Wahlen unter. Man hört aus der Bevölkerung relativ häufig den Spruch „hoffentlich ist dieses Chaos bald vorbei – egal wie. Dann kann endlich das normale Leben wieder weitergehen“.

Ausblick

Wenige Tag vor der Wahl erscheint weiterhin der Ausgang offen zu sein. Nachdem bis vor wenigen Tagen alles auf Marcos als Wahlsieger hingedeutet hatte, scheint sich nun möglicherweise das Blatt zu drehen. Es wäre keine Sensation mehr, wenn Leni Robredo doch noch die Wahlen gewinnen sollte. Auch in diesem Fall wäre nach heutiger und subjektiver Einschätzung nicht mit einer Eskalation der Gewalt zu rechnen – zumindest nicht mehr als „im üblichen Rahmen“.

Der Wahlkampf in den Philippinen wurde dieses Mal relativ inhaltsleer geführt. Erneut werden die Wahlen – zumindest nach westlichem Verständnis – nicht friedlich ablaufen. Maßgeblich für die Meinungsbildung des Wählers werden vor allem Wahlempfehlungen (die teilweise zu einem Zwang führen), die Allianzen und Bündnisse der Kandidaten untereinander, Social-Media-Informationen und Fake-News, die klassischen Medien und Instrumente zur Meinungsbildung, sowie die Umfragewerte sein. Am Ende werden alle froh sein, wenn die Wahlen endlich vorbei sind.

Kontakt

Projektleitung: Alexander Birle
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