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Interview mit Markus Ferber, MdEP
Wir sind nicht erpressbar

Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung erklärt im Interview mit der ältesten tschechischen Tageszeitung Lidové Noviny, warum Europa den Erpressungsversuchen des türkischen Präsidenten Erdogan auf keinen Fall nachgeben darf. Auch eine mögliche Unterstützung der Türkei in Syrien lehnt Ferber ab. Wir präsentieren Ihnen hier das Interview in deutscher Übersetzung.

Lidové Noviny: Droht Europa angesichts der gegenwärtigen Situation an der griechisch-türkischen Grenze eine neue Flüchtlingswelle?

Markus Ferber, MdEP: Ich denke nicht. Alle sind sich einig, dass wir es eher mit einer türkischen Aktion zu tun haben, um Europa unter Druck zu setzen. Die Menschen, die an der Grenze ausharren, sind ja keine Bürgerkriegsflüchtlinge, die z. B. aus Syrien gekommen sind, sondern Menschen, die mit türkischer Hilfe an die Grenze gefahren werden und im Wesentlichen aus Pakistan und Afghanistan kommen. Insofern ist das eine sehr durchsichtige Aktivität des Herrn Erdogan.

Markus Ferber im Hemd (ohne Jacke) blickt streng

Markus Ferber, MdEP, ist Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung. Er hält nichts davon, auf die Forderungen des türkischen Präsidenten Erdogan einzugehen. Ferber: "Das Wichtigste ist, zu zeigen, dass wir nicht erpressbar sind"

Markus Ferber

Was wäre jetzt zu tun? Soll Europa auf jeden Fall hart bleiben?

Das Wichtigste ist, zu zeigen, dass wir nicht erpressbar sind. Wenn uns jemand ein Problem vor die Haustür legt und wir gehen darauf ein, wird das weiter und weiter passieren. Wir können als Europäer nicht die militärischen Aktionen gutheißen, die die Türkei in Syrien durchführt, was eine der Forderungen Erdogans ist. Wir wollen der Türkei weiter helfen, so wie wir das in der Vergangenheit getan haben, aber es wird von Seiten der EU keine Unterstützung für die militärischen Aktivitäten geben.

War es ein Fehler mit jemandem wie Erdogan, der so unberechenbar ist, dieses Flüchtlingsabkommen zu schließen?

Nein, das war kein Fehler, sondern eine richtige Maßnahme. Allerdings ist das Versprechen von damals, mit weiteren Ländern ähnliche Abkommen zu schließen, nicht erfüllt worden. Es gab Verhandlungen mit Staaten Nordafrikas, die aber zu keinen Vereinbarungen geführt haben. Wir haben Probleme bei der Rückführung von Flüchtlingen. Das Abkommen an sich war sehr vernünftig, wir haben ja nicht dem türkischen Staat Geld gegeben, sondern im Wesentlichen dem Flüchtlingshilfswerk der UNO, damit das Geld wirklich bei den Flüchtlingen ankommt und nicht irgendwo im Staatshaushalt verschwindet.

Will Erdogan einfach mehr Geld von der EU haben?

Was ich in Hintergrundgesprächen so höre, ist das ein Punkt. Er will auch mehr Geld für den Haushalt, was für uns nicht in Frage kommt. Daneben will er Unterstützung der militärischen Maßnahmen und das halte ich nicht für unterstützenswert. Das ist ein Alleingang der Türkei und muss auch als solcher gebrandmarkt werden.

Es gibt auch Kritik, dass in Griechenland die gewährten Hilfsgelder nicht dort angekommen sind, wo es geplant war…

Wir haben es ja in Griechenland mit verschiedenen Regierungen zu tun gehabt. Beim Wechsel der Regierung von Samaras zu Tsipras, sind die Grenzen geöffnet worden. Jetzt ist die neue Regierung Mitsotakis im Amt und die Grenzen sind zu. Damit erfüllt Athen, was die europäischen Regeln sind. Gemäß dieser Regeln darf auch die Gewährung von Asyl ausgesetzt werden, was er auch angekündigt hat. Die Wahrheit ist doch: wenn wir als Europäer nicht in der Lage sind unsere Außengrenzen zu schützen, werden wir das, was wir mit Schengen erreicht haben, auch dauerhaft zur Disposition stellen.

Vor fünf Jahren wurden die Osteuropäer kritisiert, als sie die Grenzen schließen wollten, nun ist das praktisch Konsens innerhalb der EU. Eine Veränderung?

2015 ging anders los. Da ging es wirklich zunächst um Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und es war unbestritten, dass diese für einen gewissen Zeitraum nach europäischen Regeln und gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz bekommen. Das Öffnen der Balkanroute hat dann dazu geführt, dass auch Flüchtlinge aus Afrika diesen Weg nach Europa einschlugen. Da war es notwendig dieses Schlupfloch zu schließen und das ist auch ein Bestandteil des Abkommens mit der Türkei gewesen, das sich ausschließlich auf Bürgerkriegsflüchtlinge bezieht. Jetzt wird von der Türkei der Eindruck erweckt, es würde sich wieder um Bürgerkriegsflüchtlinge handeln, das ist aber nicht der Fall. Es geht oft um Menschen, die schon vorher in der Türkei Fuß gefasst haben.

Sollen Frauen und Kinder partiell aufgenommen werden?

Da muss man unterscheiden. Wir reden über Menschen, die schon auf den griechischen Inseln sind und es droht eine Eskalation – wie können wir die griechische Seite entlasten? Wir reden aber nicht über Menschen in der Türkei. Da muss mit Ankara eine vernünftige Vereinbarung getroffen werden. Das geht aber nicht, solange die Türkei versucht, die EU zu erpressen. Wer Busse einsetzt, um Menschen an die griechische Grenze zu bringen, der kann sie ja auch wieder einsetzen, um sie zurückzubringen. Sie kommen ja nicht aus Flüchtlingslagern, sondern aus stabilen Verhältnissen in der Türkei.

Wie stark ist das Flüchtlingsthema heute noch in Deutschland präsent?

Es ist noch stark präsent, weil das noch nicht so lange her ist. Viele haben sich ja sehr engagiert. Es ist aber jedem klar, dass wir nicht noch einmal innerhalb eines Vierteljahres eine Million Menschen aufnehmen können, auch unter dem Gesichtspunkt der Integrationsfähigkeit. Es geht auch darum mit den europäischen Partnern zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen und die kann nur heißen: Die Außengrenzen müssen geschützt werden. Zweitens: beim Eintritt in die EU ist zu prüfen, ob ein Fluchtgrund – Bürgerkriegssituation oder Verfolgung vorliegt und dann muss das solidarisch innerhalb der EU gemanagt werden, nicht so, wie 2015, als im Wesentlichen fünf bis sieben Länder die Hauptlast getragen haben, aber über zwanzig sich zurückgelehnt haben. Damit meine ich nicht nur die osteuropäischen Staaten. Auch bei den Benelux-Staaten gab es damals viel Rhetorik aber wenig Handlung, was auch gesagt werden muss.

Das Interview führte Robert Schuster

Tschechien
Dr. Markus Ehm
Projektleiter
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Maximilian Witte
Redakteur
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