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Interview mit Bernhard Seidenath, MdL
Ihre Meinung zählt und die Politik antwortet

Politische Bildung trifft auf Ideenwerkstatt. Uns ist Ihre Meinung und die Diskussion mit Ihnen wichtig. Deshalb gibt es das HSS-Barcamp! Corona gilt als Katalysator für viele Entwicklungen und hat in unserer Gesellschaft Spuren hinterlassen. Im Barcamp haben wir die Folgen der Corona-Pandemie gemeinsam mit Ihnen diskutiert, Impulse und Ideen entwickelt und daraus Handlungsaufträge für die Politik abgeleitet.

Seidenath lächelt fröhlich in die Kamera

Bernhard Seidenath, MdL, ist der Landesvorsitzende des gesundheits- und pflegepolitischen Arbeitskreises der CSU.

Bernhard Seidenath

HSS: Herr Seidenath, in der offenen Diskussionsrunde zum Thema Gesundheitspolitik haben viele Gäste ein Thema ganz besonders intensiv diskutiert: die zunehmenden psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen.

Bernhard Seidenath: Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind tatsächlich enorm. Unsere Anstrengungen, die wir in den letzten Jahren auf diesem Gebiet unternommen haben, waren gut – aber für diese enorme Herausforderung nicht ausreichend: es gab etliche Initiativen, psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren, insbesondere durch das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz.  Es trat am 1. August 2018 in Kraft und deshalb gibt es nun in ganz Bayern psychiatrische Krisendienste. Sie helfen unter der Nummer 0800/655 3000 rund um die Uhr. Für den derzeitigen enormen Ansturm an psychisch kranken Kindern gibt es leider noch nicht genügend ambulante Versorgungsstrukturen – da müssen wir dringend verbessern. Es wäre auch gut, wenn es in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt einen Kinder- und Jugendpsychiater gäbe. Auch wenn die Bedarfsplanungsparameter hier in letzter Zeit verbessert wurden, haben wir dieses Ziel leider noch nicht erreicht.

HSS: Ein Teilnehmer fragte nach den Ansätzen für neue Medikamente gegen Corona. Wie ist da der aktuelle Stand in Bayern?

Auf Initiative der CSU-Landtagsfraktion hat der Freistaat Bayern insgesamt 58 Millionen Euro zur Entwicklung und Erprobung neuartiger Therapeutika gegen Corona ausgegeben. Im Rahmen der „Bayerischen Therapiestrategie“  haben wir uns einen Überblick über Medikamente verschafft, die in Bayern entdeckt oder entwickelt wurden und die potentiell gegen Corona hilfreich sein können. Acht von ihnen werden nun weiterentwickelt und stehen hoffentlich möglichst bald den schwerkranken Patientinnen und Patienten zur Verfügung.

HSS: Gemeinsam mit Ihnen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer herausgearbeitet, welche Lehren wir als Gesellschaft aus der Pandemie ziehen sollten.

Da haben wir folgende Punkte zusammengetragen:

Wir brauchen dauerhaft ein „Pandemiezentrallager“, um unsere Leistungserbringer verlässlich mit Schutzausstattung (Masken, Handschuhen, Schutzkitteln) zu versorgen.

Zudem müssen wir bei der Entwicklung von Impfstoffen noch schneller werden. Nach Expertenansicht könnte ein Impfstoff bereits vier Monate nach der Entschlüsselung eines neuen Virus-Typs verfügbar sein.

Eine wichtige Baustelle ist auch die Modernisierung unseres Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und dessen Stärkung insbesondere durch digitale Anwendungen. Das Fax sollte im ÖGD – also den Gesundheitsämtern - wirklich ausgedient haben.

Wir brauchen künftig Möglichkeiten, den Datenschutz praktikabler zu gestalten. Die Impfzentren durften und dürfen zum Beispiel nicht wissen, wer in welchen Altersgruppen schon geimpft ist. Das hat in der Anfangszeit der Impfungen die Impfung der weiteren, schlechter priorisierten Altersgruppen verzögert.

Und wir brauchen die Möglichkeit, Pflegepersonal-Untergrenzen in Katastrophenzeiten auszusetzen. Das halte ich für sinnvoll: Die Untergrenzen sind wichtig, um eine Überlastung des Personals zu verhindern und gute Pflege zu gewährleisten – das bedeutet, dass immer eine bestimmte Mindestanzahl an Pflegefachkräften Dienst haben muss. In Katastrophensituationen sind aber Ausnahmemöglichkeiten nötig, damit eine große Anzahl Schwerkranker versorgt werden kann. Dazu kommt der Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen. Das müssen wir unbedingt schnell und effektiv angehen. Dies wird Geld kosten, aber es ist gut angelegtes Geld. Dies gilt für den Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowie bei den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern genauso wie für die Bereiche, bei denen wir leider nicht ausreichend Bewerberinnen und Bewerber haben. Zum einen müssen wir mehr Ausbildungsplätze schaffen – und zum anderen die Berufe attraktiver machen. Dazu gehören höhere Bezahlung, Wertschätzung, flexiblere Arbeitszeiten und auch verlässliche Personalpools für Katastrophen- und Pandemiezeiten: Fachkräfte, auf die im Fall des Falles zurückgegriffen werden kann. Derzeit gibt es schon den Pflegepool, der von der Vereinigung der Pflegenden in Bayern gemanagt wird – aber wir sollten den um einen Ärztepool ergänzen.

Und es gäbe noch einiges mehr, der Diskussionsstoff wäre uns sicher auch für eine noch deutlich längere Diskussionsrunde nicht ausgegangen!

HSS: Lieber Herr Seidenath, wir freuen uns sehr, dass Sie bei uns waren und mit unseren Teilnehmern in diese Themenrunde gegangen sind! Herzlichen Dank!

Ich danke Ihnen für die Einladung. Dankeschön allen, die beim Barcamp der Hanns-Seidel-Stiftung mitgemacht haben – ich freue mich über dieses Angebot und war sehr gerne dabei!

 

Das Interview führte: Gabriele Uitz, Referentin für Medien und Journalistische Förderung am Institut für Begabtenförderung der HSS

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