Print logo

Die Sahelzone
Ausländische Einflüsse in einer instabilen und polarisierten Region

Autor: Jan Dresel

Von Osten bis nach Westen durchzieht die Sahelzone den afrikanischen Kontinent wie ein breiter Streifen. Vor allem Mali rückte immer wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Welche Interessen verfolgen Europa, Russland, China und die USA in dieser Region?

Der afrikanische Kontinent kommt nicht zur Ruhe. Europa, Russland, China und die USA befinden sich im permanenten Wettbewerb um Einfluss gerade in politisch instabilen Regionen Afrikas. Dabei rückt die Sahelzone immer mehr in den Fokus. Der Abzug französischer Truppen zunächst aus Mali und jetzt auch aus Burkina Faso macht deutlich, wie stark der russische Einfluss in der Region inzwischen ist. Die lokalen Machthaber in beiden Ländern setzten alles daran, den Abzug französischer Truppen als Vertreter der früheren Kolonialmacht zu erzwingen und wünschen sich Russland als Partner - oder zumindest als Waffenlieferant.

Eine sandige Straße mit notdürftig hergerichteten Hütten, ein LKW nähert sich und im Hintergrund erhebt sich ein Berg.

Die Sahelzone steht vor vielen Herausforderungen. Bisher hatte Frankreich die Länder Mali und Burkina Faso im Kampf gegen den Terror unterstützt. Aktuell wird nun der Einfluss Russlands auf diese Region thematisiert.

Pierre; HSS; adobe stock

Austausch zwischen europäischen und afrikanischen Experten

Vor diesem Hintergrund wollte die Hanns-Seidel-Stiftung die jeweiligen Interessen der Länder der Sahelzone und ihre Relevanz für geopolitische Zusammenhänge wie auch europäische und russische Strategien zur Einflussnahme in der Region untersuchen. Dazu wurden Experten und Entscheidungsträger aus afrikanischen und europäischen Ländern sowie aus Russland zu einem Expertendialog nach Paris eingeladen. Sie waren sich einig, dass der europäische Einfluss in Afrika und speziell in der Sahelzone immer mehr zurückgeht. Europäische Teilnehmer sprachen selbstkritisch von „politischem Versagen“ Europas und bedauerten die sehr zurückhaltende Anerkennung des eigenen Scheiterns insbesondere seitens Frankreichs und Deutschlands. Speziell die Unterstützung für Mali sei egozentrisch gewesen; man habe europäische Interessen wie eine Verringerung des Migrationsdrucks aus Afrika in den Mittelpunkt gestellt und sich selbst damit keinen Gefallen getan.

Aus afrikanischer Sicht

Und wie sieht man die Lage in Afrika selbst? Ein afrikanischer Teilnehmer sprach von beispiellosen Spannungen in der Sahelzone, denen man derzeit nur mit militärischen Mitteln begegnen könne. Dabei müsse das Vorgehen in asymmetrischen Konflikten ein ganz anderes sein als in klassischen Konflikten - was die französischen Truppen gerade in Mali, aber auch in anderen umkämpften Gebieten nur unzureichend berücksichtigt hätten. Russland, aber auch die Türkei und andere externe Akteure träten in der Region sehr viel flexibler auf als der Westen und würden in der Kommunikation geschickter agieren. Beim Vorgehen westlicher Länder entstehe häufig der Eindruck, sie wollten den Ländern in der Sahelzone ihre Agenda, Prioritäten und Vorstellungen aufzwingen. Neben der Bekämpfung von Unsicherheit und Instabilität gehe es den Menschen in der Region auch um Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Die afrikanischen Teilnehmer waren sich einig darin, dass gute Regierungsführung die größte Herausforderung, gleichzeitig aber auch der Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung afrikanischer Staaten und insbesondere der Sahelzone sei. Ein wirksamer Staatsaufbau allein sei nicht die Lösung aller Probleme, wie eine Expertin meinte; die Frage sei eher, wer innerhalb eines Staates der Souverän sei. Für viele afrikanische Entscheidungsträger sei die europäische „Stimme des Kolonialismus“ ein Widerspruch zu der angestrebten Souveränität ihrer Staaten geworden. Ein Teilnehmer wies darauf hin, dass die europäische Sahelstrategie zusätzlich soziologische und anthropologische Aspekte berücksichtigen und Europa die Verfahren bei der Gewährung von Unterstützungsleistungen vereinfachen sollte.

Aktuell sei aber der russische Einfluss in der Region das beherrschende Thema und die dringendste Herausforderung für die europäischen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, darin waren sich alle Teilnehmer einig. Der Einsatz der Wagner-Gruppe habe Russland bei begrenztem Aufwand großen politischen und militärischen Einfluss in der Region gesichert, wie eine Expertin feststellte. Die paramilitärische Einheit sei aufgrund ihrer Beziehung zum russischen Staat weltweit einzigartig und verfolge neben militärischen und politischen auch wirtschaftliche Ziele. Ein anderer Experte äußerte die Ansicht, das im Rahmen des Einsatzes russischer Truppen in Syrien erprobte „Geschäftsmodell Syrien“ könne als Blaupause für das russische Vorgehen in Ländern wie Mali und Burkina Faso angesehen werden. Russland verschaffe sich und seinen (Staats-)Unternehmen mit Waffenlieferungen Zugang zu afrikanischer Energie, Schürfrechten im Bergbau und bevorzugten Handelsbedingungen.

Doch ist das russische Vorgehen nachhaltig? Eine Teilnehmerin argumentierte, das russische Interesse an Afrika sei niemals echt, sondern immer nur taktisch begründet gewesen. Internationale Foren wie der Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi im Oktober 2019, bei denen westliche Staaten keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, seien geopolitisch motiviert. Man könne hier von russischer „sharp power“ sprechen, einer Art von Machtausübung, mit der Russland erfolgreich seine Interessen voranbringe. Die Botschaft dahinter sei, dass nicht Russland international isoliert sei, sondern der Westen. Halbstaatliche Akteure wie die Wagner-Gruppe würden bei der Durchsetzung russischer Interessen immer wichtiger; das Ziel Russlands sei letztlich „kontrollierbare Instabilität“ und nicht Stabilität in Afrika und der Sahelzone.

Resümee

Trotz all dieser Herausforderungen rundete einer der Teilnehmer aus Afrika die Diskussion mit einer positiven Note ab, die für Europas Afrikapolitik eine Chance darstellt: Verantwortliche Regierungen wüssten, was sie tun; den meisten afrikanischen Regierungen lägen die Interessen ihres Volkes am Herzen. Diese Chance sollten die europäischen Staaten nutzen.

Kontakt

Leitung: N.N.
Mitteleuropa, Osteuropa, Russland
Leitung