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Zum Weltwassertag am 22. März
Den Chiemsee nach Franken pumpen

Autor: Andreas von Delhaes-Guenther

Am 22. März 2024 ist der Weltwassertag. Vom Weltall aus betrachtet, ist die Erde ein blauer Planet, mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche bestehen aus Wasser. Und dennoch ist es nicht grenzenlos verfügbar, weil nach Schätzungen nur rund drei Prozent davon Süßwasser ist - davon der größte Teil gefroren an den Polen und in Gletschern. Nur rund 0,3 Prozent des Weltwassers können wir trinken. Auch Bayern hat Wasserprobleme.

Ausblick auf das Fränkische Seenland am Altmühlsee nahe Muhr am See. Zu sehen ist im Vordergrund das Naturschutzgebiet, dessen Kern eine große Flachwasser- und Inselzone bildet.

Alexander Rochau; ©HSS; imago

Im Gegensatz zum Alpenrand und dem Bayerischen Wald sind Teile Unterfrankens mit teils weniger als 500 Millimeter Niederschlag pro Jahr geradezu ein Trockengebiet – was durch den Klimawandel noch verstärkt wird. In den Alpen, wo sich die feuchten Luftmassen beim Aufstieg abregnen, liegt der Jahresniederschlag bei bis zu 2.000 Millimeter. Insgesamt ist der Wasserhaushalt besonders in Unter- und Mittelfranken eine Herausforderung´. Einige Bäche trocknen zeitweise sogar ganz aus, auch, weil die nordbayerischen Flüsse nicht zusätzlich durch Schmelzwasser aus den Alpen gespeist werden. Das große Ballungsgebiet Nürnberg-Fürth-Erlangen mit rund einer Million Einwohnern wird hauptsächlich durch die relativ kleinen Flüsse Rednitz/Regnitz und Pegnitz bewässert, Würzburg und Schweinfurt durch den Main.

Wasser von Süd nach Nord

Deshalb schlug schon vor Jahren der Landtagsabgeordnete Ernst Lechner (CSU) aus Gunzenhausen vor, Wasser vom Süden in den Norden zu pumpen. Durch einen Beschluss des Bayerischen Landtags vom 16. Juli 1970 wurde die Bayerische Staatsregierung beauftragt, einen überregionalen Wasserausgleich zwischen Donau- und Maingebiet zu schaffen. Dabei helfen sollte der seit 1960 im Bau befindliche Main-Donau-Kanal.

Landkarte von Bayern. Unterhalb von Ansbach an der Altmühl liegt der Altmühlsee und unterhalb von Schwabach der Brombachsee. Der Rothsee liegt mittig zwischen Neumarkt und Schwabach am Main-Donau-Kanal (die Seen sind nicht abgebildet).

Artalis Kartographie; ©HSS; AdobeStock

Gesagt, getan, heute erfolgt diese Überleitung auf zwei voneinander unabhängigen Wegen:

  • Aus der Donau werden über den bis 1992 fertiggestellten Main-Donau-Kanal im Schnitt rund 125 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr in die Talsperre Rothsee gepumpt. Von dort wird sie im Bedarfsfall auf zwei verschiedenen Wegen in die nördlichen Flüsse Roth, Rednitz, Regnitz und Main abgegeben. 
  • Sollte der Pegel der Donau zu niedrig für eine Entnahme sein, hilft die Brombachüberleitung mit im Schnitt rund 25 Millionen Kubikmeter pro Jahr aus. Hochwasser der Altmühl wird in den Altmühlsee geleitet. Von dort fließt es durch einen fast drei Kilometer langen Stollens erst in den Kleinen und dann in den Großen Brombachsee und wird dort gespeichert. Letzterer ist der zweitgrösste deutsche Stausee nach dem Forggensee. Aus dem See dort wird es bei Bedarf in Schwäbische Rezat, Rednitz, Regnitz und Main geleitet.

In den Wintermonaten führen die Flüsse allerdings regelmäßig selbst genügend Wasser.

Die Vorteile

Diese Überleitung hat viele Vorteile. Die Anhebung der Flusspegel in Trockenperioden verbessert die Wasserqualität erleichtert auch den Gütertransport. Durch die Entnahme können größere Hochwasser im Tal der mittleren Altmühl vermieden werden. „Mit dem Überleitungssystem können wir selbst auf extreme Verhältnisse reagieren“, betonte 2015 die damalige Umweltministerin Ulrike Scharf. Es profitieren aber auch die Landwirte rund um Nürnberg, die ihre Felder teilweise mit Regnitz-Wasser bewässern, sowie Unternehmen, die es zur Kühlung verwenden.

Der Kleine Brombachsee grenzt als Arm direkt an den Großen Brombachsee und wird wie auch der andere Arm, der Igelsbachsee, nur durch einen niedrigen Damm von ihm getrennt. Auch hier finden sich Naturschutzgebiete.

Andreas von Delhaes-Guenther; ©HSS

Ein weiterer Vorteil: Mit der fränkischen Seenlandschaft rund um den Brombachsee ist ein Naherholungs- und Urlaubsgebiet entstanden, von dem starke wirtschaftliche Impulse für die gesamte Region ausgehen. Am gesamten Main-Donau-Kanal ist an mindestens einem Ufer ein Betriebsweg. Aufgrund seiner minimalen Steigungen sind das beliebte Wander- und Radwege. Der Freizeit- und Erholungs­wert des Kanals ist auch dank Festivals wie „Lieder am See“ und „Burning Beach“ mittlerweile so groß, dass der Tourismus sogar zu einem der wichtigsten Wirtschafts­faktoren der Region geworden ist, mit rund 4000 Arbeitsplätzen, 1,3 Millionen Übernachtungen (2023) und 170 Millionen Euro an Tourismuseinnahmen pro Jahr.

Seeweg mit Naturschutz

Auch ökologisch lieferten Seenland und Kanal Verbesserungen trotz der anfänglichen großen Eingriffe in die Natur und wichtige Feuchtgebiete. Ohne das frische Wasser aus dem Süden hätte es schon öfter Fischsterben in Nordbayern gegeben. Die Überleitung stützt aber durch Sickerwasser auch die Grundwasservorkommen. Niedrigwasser bedeutet mangels Binnenschifffahrt zudem mehr LKW-Güterverkehr und mehr CO2. Auch der Seeweg von der Nordsee ins Schwarze Meer ist durch den Main-Donau-Kanal um 60 Prozent kürzer. Fünf Wasserkraftwerke gibt es an den Seen insgesamt, zusammen können sie etwa 4000 Haushalte mit Strom versorgen.

Im Altmühlsee entstand ein Naturschutzgebiet von circa 200 Hektar Größe, dessen Kern eine große Flachwasser- und Inselzone bildet. Über 200 verschiedenen Vogelarten sind auf der Vogelinsel zu Hause. Besonders bedrohte Vogelarten wie Bekassine und Großer Brachvogel finden dort Rückzugsmöglichkeiten, der Seeadler ein gutes Jagdrevier. Auch an den anderen Seen wurden bestimmte Ufer- und Seegebiete unter Naturschutz gestellt. Flora und Fauna haben sich im Kanal- und Seenlandgebiet verändert, einige Tier- und Pflanzenarten sind verschwunden, andere hinzugekommen.

Fast wie in der Karibik und ideal für Badeurlauber: Am Großen Brombachsee gibt es sogar Sandstrand.

Andreas von Delhaes-Guenther; ©HSS

Bayerns größtes wasserbauliches Projekt

Es war insgesamt ein Projekt mit Weitblick, denn 1970 war die Debatte über den Klimawandel praktisch unbekannt. Der Bau der Seen war vielmehr auf den Wassermangel der wachsenden Industrie in Franken, schwindende Grundwasservorräte, eine strukturschwache Region und verschmutzte Gewässer durch zunehmendes Abwasser zurückzuführen. Die Überleitung war mit Gesamtkosten von rund 460 Millionen Euro (einschließlich des Grunderwerbs) einst Bayerns größtes wasserbauliches Projekt. Heute würde es ein Vielfaches dieser Summe kosten. Etwa 20 Prozent der Projektsumme flossen damals in ökologische Ausgleichsmaßnahmen - erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik.

Jährlich können insgesamt also rund 150 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem wasserreichen Donauraum nach Franken übergeleitet werden. In den vergangenen 20 Jahren flossen mehr als 2,4 Milliarden Kubikmeter Wasser nach Nordbayern – etwa das Volumen des Chiemsees. Ohne dieses Wasser würde Franken immer wieder buchstäblich auf dem Trockenen sitzen.

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