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Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung im Interview
Die Gruppe Wagner: Russlands Söldner in Afrika

Autor: Hanns Bühler
, Maximilian Witte

Wie stützt die Söldnerfirma Wagner den Einfluss des Kremls in Afrika? Dazu wird auf der Münchner Sicherheitskonferenz heute eine Studie mit wichtigen Erkenntnissen über die kriminellen Machenschaften von Russlands Söldnern veröffentlicht. Im Interview erklärt Markus Ferber, MdEP, welche Schlüsse die Politik daraus nun ziehen muss.

Die Studie: "The Grey Zone. Russia’s military, mercenary and criminal engagement in Africa" wurde von der "Global Initiative against Transnational Organized Crime" mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung erstellt. Lesen Sie die Studie hier im Volltext oder als Executive Summary

Markus Ferber blickt ernst in die Kamera

"Die Wagner-Gruppe ist im Grunde ein Konglomerat an Firmennetzwerken, das wirtschaftliche, politische und militärische Interessen auf dem Kontinent verfolgt." (Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung)

©HSS

HSS: Herr Ferber, wie hängt organisierte Kriminalität und Russlands Außenpolitik zusammen?

Markus Ferber, MdEP, HSS-Vorsitzender: Viele russische Kreml-nahe Oligarchen und Geschäftsleute sind von westlichen Ländern beschuldigt worden, durch die enge Verquickung von Wirtschaft und Politik im Ausland nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Interessen des russischen Staates zu verfolgen. Das trifft besonders auch auf Afrika zu, wo Putin seit den frühen 2000er Jahren versucht seine Einflusssphären auszubauen. Die Wagner-Gruppe, die von dem Kreml-Verbündeten Yevgeny Prigozhin geleitet wird, ist ein gutes Beispiel, da viele der Aktivitäten der Söldnerfirma mit den Zielen der russischen Außenpolitik übereinstimmen, nämlich den russischen Einfluss im Ausland zu erweitern und westliche Werte und Interessen zurückzudrängen.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat Afrika angesichts der eigenen Isolation durch westliche Sanktionen für Russland sowohl wirtschaftlich als auch politisch weiter an strategischer Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig wirkten sich die Sanktionen störend auf die russischen Geschäftsinteressen in Afrika aus. Der politische Einfluss, den Wagner durch sein Dienstleistungsangebot für autokratische Führer ausübt, ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Instrument Russlands, die eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen auf dem Kontinent weiterzuverfolgen. Dass die Wagner-Gruppe von der US Regierung als eine Organisation der transnationalen organisierten Kriminalität designiert wurde, zeigt deutlich die Berührungspunkte zwischen russischer Außenpolitik und organisierter Kriminalität.

Die neue Studie zeigt die militärische, ökonomische und politische Rolle, die Russlands Söldnergruppe in Afrika spielt. Können Sie uns das kurz erläutern?

Die Studie zeigt deutlich, dass die Wagner-Gruppe weit mehr ist als nur eine reine Söldnerfirma. Sie ist im Grunde ein Konglomerat an Firmennetzwerken, das wirtschaftliche und politische Interessen auf dem Kontinent verfolgt, ebenso wie militärische. Dabei scheint der modus operandi immer ähnlich. Im Gegenzug für militärische Beratung oder die Entsendung von Söldnern sichern sich Wagner-Firmen den Zugang zu Bodenschätzen. Während die Gruppe bisher in fünf afrikanischen Ländern militärisch engagiert ist oder war, agiert die Gruppe in über zwölf Ländern durch gezielte Desinformationskampagnen und versucht politisch Einfluss zu nehmen, etwa indem bei Wahlen ganz bestimmte Kandidaten unterstützt werden. Oftmals agiert Wagner dabei als Proxy des russischen Staates, auch wenn die Beziehung zwischen Wagner und dem Kreml komplex ist. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Gruppe in einer Grauzone agiert: Sie ist ohne Zweifel in kriminelle Machenschaften involviert. Bei dem Einsatz ihrer Söldnertruppen werden immer wieder schockierende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Zivilbevölkerung dokumentiert. Die Gruppe kann auch auf ein russisches Netzwerk der organisierten Kriminalität zurückgreifen, das sich über Jahrzehnte auf dem afrikanischen Kontinent ausgebreitet hat. Gleichzeitig agieren Firmen, die mit der Wagner-Gruppe in Zusammenhang stehen, aber auch ganz legal in vielen Ländern Afrikas. Das Ziel scheint immer das Selbe: Den Einflussbereich Russlands auszuweiten, die Interessen Russlands durchzusetzen und westliche Werte und Interessen zurückzudrängen. Instabilität kommt dabei Russland entgegen. Als Hanns-Seidel-Stiftung arbeiten wir mit vielen afrikanischen Partnerländern seit Jahrzehnten sehr erfoglreich zusammen, um Frieden, Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. Ich beobachte daher mit grosser Sorge, wie Organisationen wie die Wagner-Gruppe rechtsstaatliche und demokratische Errungenschaften ebenso wie den Entwicklungspfad Afrikas sabotieren.

Wie stark ist der Einfluss Russlands in den Nationen Afrikas und was halten USA und EU dem entgegen?

In den meisten Wirtschaftssektoren sind afrikanische Beziehungen mit Russland im Vergleich zu denen mit der EU, China und den USA weit weniger bedeutend. Russland dominiert nur bei den Waffenexporten und liegt hier mit 44 % aller Importe nach Afrika deutlich vorn. Moskau ist in der Lage, u.a. mit einer transaktionalen Außen- und Wirtschaftspolitik sein politisches Gewicht in Afrika zu steigern und hat vielerorts überproportional Einfluss. Dies geht auch auf historisch gewachsene Beziehungen mit der UdSSR im kalten Krieg zurück. Russland schlägt Kapital daraus, dass manche Eliten in Afrika sich ihren damaligen Unterstützern noch verbunden fühlen – auch wenn Beobachter dies oft nur schwer nachvollziehen können, um so mehr wenn man bedenkt, dass auch die nun überfallene Ukraine ja zur Sowjetunion gehört hatte. Auch anti-westliche Sentiments werden von Putin teils erfolgreich in Propaganda-Kampagnen genutzt. In keiner anderen Weltregion war die Unterstützung für UN-Resolutionen, die den russischen Angriffskrieg verurteilen, so gespalten und so gering wie in Afrika.

Die USA und die EU unternehmen vielfältige Bemühungen, ihre Beziehungen auf dem Kontinent weiter zu intensivieren, zum Beispiel mit umfassenden neuen Afrika-Strategien und gezieltem diplomatischem Engagement bei hochrangigen Besuchen. Jedoch scheint es mir zu kurz gegriffen, wenn wir meinen, durch ein oder zwei hochrangige Besuche afrikanische Länder von unserer Weltsicht überzeugen zu können. Es bedarf eines langfristigen, strategischen Austausches auf allen Ebenen. Russlands imperiale Ambitionen werden sowohl von der EU als auch von den USA benannt, und Sanktionen eingefordert. Jedoch ist die russische Propaganda in vielen afrikanischen Ländern umfassend, und afrikanische Länder lassen sich nur ungern vom Westen diktieren, mit wem sie kooperieren sollen. Wir sollten ein besonnenes Vorgehen an den Tag legen, das weitere Polarisierung und Spaltungen in Freund- / Feind-Lager vermeidet, soweit das überhaupt noch geht. Ein Rückfall in Zeiten der Hallstein-Doktrin würde dem Kreml letztlich in die Hände spielen.

Wie können wir als EU unsere Beziehungen zu den Ländern Afrikas stärken?

Wichtig ist eine kontinuierliche, schonungslose, differenzierte Analyse unterschiedlicher Positionen und Interessen afrikanischer Staaten und deren Entscheidungsträger, die dann zur Konzeption westlichen Herangehens beitragen kann. Auch ehrliche Selbstreflektion ist gerade jetzt sicher angezeigt. Wir müssen uns schon auch selber fragen, warum so viele afrikanische Länder keine Position beziehen wollen bzw. eher Richtung Russland und China tendieren. Die internationale Ordnung steht unter einem noch nie dagewesenen Druck, sich zu erneueren. Den Status Quo einfach nur zu verteidigen wird nicht ausreichen. Wir sollten gerade im Hinblick auf die 54 afrikanischen Länder darüber nachdenken, wie wir die marginalisierte Stellung des afrikanischen Kontinents im internationalen System verändern können. Die internationale Ordnung sollte gerechter und repräsentativer gestaltet werden.

Gleichzeitig sollten auch wir in der Lage sein, unsere Interessen gegenüber dem afrikanischen Kontinent zu definieren und diese selbstbewusst zu vertreten. Ein echter, umfassender und langfristiger Austausch mit afrikanischen Entscheidungsträgern auf allen Ebenen ist Voraussetzung, um enge Beziehungen und gegenseitiges Verständnis zu fördern und pragmatische win-win Partnerschaften zu entwickeln. Aussichtsreich sind erneuerbare Energie- und Rohstoffprojekte, die auch afrikanischen (Entwicklungs-) Bedarf berücksichtigen und Technologietransfer und Investitionen in lokales Humankapital einschließen. 

Wichtig ist außerdem die praktische Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Good Governance durch Arbeit mit relevanten Institutionen vor Ort. Wir können hier auch daran anknüpfen, dass die Bevölkerung und gerade jüngere Generationen vielerorts westlichen Werten näherstehen als autokratischen Modellen und echte Demokratie und soziale Marktwirtschaft in ihren Ländern anstreben.

Freie Gesellschaften zu fördern, muss auch weiterhin Kern europäischen Engagements sein, ohne dass dies als kulturelle Einmischung empfunden wird. Um wirkliche Durchschlagskraft zu entfalten, brauchen wir eine systematische Verzahnung von Entwicklungs- und Wirtschaftsaußenpolitik, sowie eine hoch professionelle und zielgerichtete mediale Begleitung unseres europäischen Engagements.

HSS: Herr Ferber, vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt

Projektleiter: Hanns Bühler
Südafrika
Projektleiter
: Dr. Susanne Luther
Leiterin
Institut für Internationale Zusammenarbeit
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